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Alfred Escher hat sein Denkmal auf dem Bahnhofplatz verdient

Nach einem historischen Bericht über Zürichs Verstrickungen in die Sklaverei, steht Alfred Eschers Statue zur Debatte. Messt den Mann an seinen Taten, nicht an seinen Vorfahren, schreibt Joseph Jung.

Schon damals wurde mit Fake News operiert. Friedrich Locher, der politische Gegner von Alfred Escher, beschreibt, wie er dem Politiker und Wirtschaftsführer sonntags einen Besuch in dessen Villa Belvoir abstattet und ihm die Leviten liest. Die Sklavenfrage ist dabei zentral: Es gibt keine Gerechtigkeit auf dieser Welt, so Locher. Denn die Sklaven, aus deren Schweiss und Blut dieser Palast gebaut ist, modern längst in fremder Erde, während ihre Herren das Leben geniessen.

So steht es in einer Schmähschrift, die Locher 1867 veröffentlichte. Der Besuch allerdings hat nie stattgefunden. Locher, ein Winkeladvokat und Demagoge, wollte mit seinen Pamphleten das ganze liberale System zu Fall bringen. Er hätte sich kaum vorstellen können, dass seine Unwahrheiten mehr als 150 Jahre später nochmals derart für Furore sorgen sollten.

Alfred Eschers Vater Heinrich hatte als 13-Jähriger das Elternhaus mit leeren Taschen verlassen und war in die Welt hinaus gezogen. Mitten in den Stürmen der französischen Revolution kam er nach Paris. Im Bankhaus Hottinguer machte er Karriere und war auch in London und hauptsächlich in den USA tätig. Bei Hottinguer baute sich Heinrich Escher ein Vermögen auf. 1814 kehrte er als Millionär in die Schweiz zurück. Als Rentner verwaltete er fortan das eigene Portefeuille, engagierte sich gemeinnützig und legte eine Insektensammlung von Weltruf an. Mit Sklaverei hatte er nichts zu tun.

Tatsächlich aber waren Vorfahren von Alfred Escher in die Sklaverei verstrickt. Der Grossvater hatte Ende des 18. Jahrhunderts mit seiner eigenen Bank in den Sklavenhandel investiert. Später ging er Konkurs und auch viele Zürcher verloren Geld. Und ab den 1820er Jahren machten Alfred Eschers zwei liederliche Onkel Fritz und Ferdinand von sich reden, die in Russland gescheitert waren und schliesslich nach Kuba ins Exil gingen. Dort betrieben sie eine Kaffeeplantage und hielten – wie wir heute wissen – über 80 Sklaven. Die zwei waren Taugenichtse, Alfred Eschers Vater musste ihnen immer wieder aus der Patsche helfen.

1845 starb Fritz Escher auf Kuba und Heinrich beerbte ihn. Nun zeigte sich, dass auch konservative Gegner der Eschers den Sklavereivorwurf als politischen Hebel zu nutzen versuchten: Der damalige Zürcher Stadtschreiber verunglimpfte Heinrich Escher als einstigen Sklavenhändler und Sklavenhalter. Zusammen mit seinem Sohn Alfred reichte Heinrich Klage ein. Der Prozess beschäftigte schliesslich das Obergericht. Ausdrücklich wurde Heinrich Escher schon 1846 vom Vorwurf des Sklavenbesitzes und Sklavenhandels entlastet. Heinrich setzte einen Verwalter ein, der die Plantage verkaufen sollte. Sohn Alfred unterstützte ihn, indem er in seinem Netzwerk nach Kontaktpersonen mit Kuba-Erfahrung suchte. Einen Gewinn erzielte Heinrich Escher nicht. Die Schulden von Fritz übertrafen das Geerbte. Heinrich Escher versteuerte vor und nach Antritt der Erbschaft rund 800000 Franken. Damit gehörte er wohl zu den reichen Zürchern, nicht jedoch zu den reichsten.

Die Angriffswellen, die über Vater Heinrich und Sohn Alfred Escher herein-brachen, waren politisch motiviert. Bedenken gegenüber Sklavenhaltung keimten vor Mitte des 19. Jahrhunderts in Zürich wie in der übrigen Schweiz erst langsam. Dies dokumentieren 1864 etwa Bundesrat und Parlament als es um die Sklavenfrage in Brasilien ging.

1853 starb Heinrich Escher, und Sohn Alfred erbte den grössten Teil seines Vermögens. Wenn man lesen muss, wie kürzlich zwei Historiker aus Harvard in dieser Zeitung [NZZaS] schrieben, Sklavengeld aus Kuba habe das Schweizer Schienennetz samt Gotthardbahn mitfinanziert, so ist das haar-sträubende Geschichtsklitterung. Zunächst finanzierten massgeblich aus-ländische Banken den privaten Bahnbau in der Schweiz, bis 1856 die Schweizerische Kreditanstalt ihre wichtige Rolle als Eisenbahnbank übernahm. Kapitalmässig beherrschte Alfred Escher keine der von ihm mitgegründeten Firmen. Das Aktienkapital dieser Finanz- und Eisenbahnunternehmen bewegte sich in ganz anderen Dimensionen als sein eigenes Vermögen. Bei der SKA verfügte Präsident Escher wie jeder andere Verwaltungsrat über 312 Gründungsaktien und damit über rund ein Prozent des Aktienkapitals. Die grosse Mehrheit wurde von ausländischen Investoren gehalten. Allein die Credit-Anstalt in Leipzig kontrollierte
50 Prozent des Kapitals.

Im gigantischen Meer seiner Aufgaben fehlte Escher bald schon für private Investitionen schlicht die Zeit. Die Modernisierung der Schweiz war ihm wichtiger, dafür setzte er seine Kraft ein. Nach seinem Tod 1882 ging sein Vermögen an seine Tochter Lydia über, nach deren Freitod 1891 an den Bund.

Alfred Escher ist nicht für die Handlungen seiner Vorfahren verantwortlich. An seinen eigenen Taten soll man ihn messen. Dafür hat er sein Denkmal auf dem Zürcher Bahnhofplatz verdient.

 

Mehr über Alfred Escher erfahren Sie im Pionierband 114 «Alfred Escher. Visionär, Grossbürger, Wirtschaftsführer».

Dieser Zürcher suchte rastlos nach Erdöl

Arthur Welti –
Reporter, Regisseur, Radiolegende

Arthur Welti (1901–1961) verkörperte das Radio in der Schweiz in dessen ersten Jahrzehnten wie kein anderer. In den rund 25 Jahren seines Wirkens entwickelte sich das Radio zum Massenmedium Nummer 1. Dabei waren alle Sendeformen neu. Ob Theater, Vorträge oder Konzerte, alles musste auf das Radio zugeschnitten werden. Es war Arthur Welti, der die «Erfindung» des Radios wesentlich mitprägte und so zum «Radio-Welti» der deutschen Schweiz wurde.

Geboren wurde Arthur Welti am 14. September 1901 als Spross des weitherum bekannten Transportunternehmens «A. Welti-Furrer» (vgl. Pionierband 47). Seine Eltern verstarben früh, sodass er bereits mit 15 Jahren Vollwaise wurde. Nach Absolvierung der obligatorischen Schulen und der Matura in naturwissenschaftlicher Richtung, entschied sich Arthur Welti trotzdem für ein Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Geschichte in Florenz, Zürich und Berlin.

Theaterkarriere in Deutschland

1921, bald nach dem Umzug nach Berlin und der Immatrikulation an der Universität für Germanistik- und Geschichtsstudien, wechselte Artur Welti zu Schauspiel- und Gesangsstudien. Ab 1923 bis 1932 hatte er verschiedene Engagements als Schauspieler an Bühnen in Karlsruhe, Frankfurt an der Oder, Dresden und Berlin.

Rückkehr in die Schweiz

Aufgrund der politischen Lage in Deutschland kehrte Arthur Welti 1932 in die Schweiz zurück. Auch in Zürich spielte er zunächst weiter erfolgreich Theater, sprach und schrieb aber auch Hörspiele fürs Radio. Anfang 1933 erhielt er die Stelle eines Ansagers, Hörspielleiters, Reporters und Redaktors beim Radio Zürich. Der Grundstein zum Radiopionier war damit gelegt.

Neue Sendeformen: Reportagen, Heimatabende etc.

Als Reporter an Skirennen oder an der Tour de Suisse waren nebst neuen Sendeformen auch die technischen Aspekte herausfordernd. Nach einer Reportage im Gefängnis habe er mehr als 200 teils überschwängliche Glückwunschbriefe erhalten, wie Welti in einem Brief festhielt. Aber auch die später als «Bunte Abende» bekannten Heimatabende mit Reportage, Unterhaltung und Kultur sind in den 1930er Jahren unter der Leitung Weltis entstanden.

Landesausstellung 1939

Für die Landesausstellung 1939 errichtete die SRG ein eigenes Radio-Studio auf dem Ausstellungsgelände, das zu einem Publikumsmagnet wurde. Und mit ihm wurde Arthur Welti, der den Bau des Studios und das ganze Programm verantwortete, schweizweit zur Radiolegende.

«Polizischt Wäckerli»

Nach dem Kriegsende 1945 veränderte sich das Radio wesentlich. Nachrichten aus aller Welt kamen ins Programm und der Unterhaltungsteil erlebte einen Aufschwung. Bis heute bekannt ist das «Echo der Zeit», in dessen Anfangsjahren Arthur Welti und mit ihm Radiopioniere der ersten Generation mitwirkten. Bald aber wurden sie, die zumeist eine Ausbildung im Theaterfach durchliefen, von professionellen Journalisten abgelöst. Ein anderer grosser Erfolg war dem «Polizischt Wäckerli» beschert, einer volkstümlichen und unterhaltenden Hörspielserie. Initiant davon war einmal mehr: Arthur Welti.

Privatleben

Als gestandener Mann heiratete er 1948 seine grosse Liebe Jeanne Nigg. Sie bekamen zwei Kinder, Philippe und Christiane, und erlebten eine glückliche Zeit als Familie.

Bereits 1958 erkrankte aber Arthur Welti schwer, sodass er Ende 1959 seine Tätigkeit beim Radio aufgeben musste. Nach einem Sturz erholte er sich nicht mehr und verstarb erst knapp 60-jährig am 12. September 1961 in Zürich.

 

Mehr über Arthur Welti erfahren Sie im Pionierband 98 «Arthur Welti – Reporter, Regisseur, Radiolegende». Bestellen Sie das Buch noch heute!

Versuch, Erfolg, Irrtum – Telekomindustrie von Hasler zu Ascom

«Hasler» – das war früher ein Synonym für Telefon. Angefangen als kleine Werkstatt und gewachsen zum grössten Arbeitgeber der Stadt Bern, prägte Hasler die Telekomszene in der Schweiz für Generationen. Dahinter standen zunächst Vater und Sohn Hasler, die der Unternehmung für fast 100 Jahre vorstanden. Sie entwickelten Telegraphenapparate und Telefonzentralen, setzten auf die Drahtlostechnologie und bauten «nebenbei» weltberühmte Geschwindigkeitsmesser, meteorologische Messinstrumente oder Signalanlagen. Das Erbe der Haslers wuchs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter, die Fusion zur Ascom sollte ein Befreiungsschlag im harten Wettbewerb der Globalisierung werden. Doch es folgte der stufenweise Abstieg. Der Erfolg blieb aus, nicht aber die Spannung in der wechselvollen Geschichte.

«Daniel Düsentrieb»

Die Schweizer Telekomgeschichte begann 1852 mit der Errichtung der Eidgenössischen Telegraphenwerkstätte. Matthias Hipp (1813–1893) hiess deren erster Direktor, dessen Pioniergeist zahlreiche Erfindungen hervorbrachte. Zur prägenden Figur wurde aber sein Gehilfe Gustav Adolf Hasler (1830–1900), der das Unternehmen ab 1860 bis zu seinem Tod führte und laufend erweiterte. Er war ein Tüftler, ein «Daniel Düsentrieb», der alles erfand, was man wollte. Wasserstandsmelder für Flüsse und Seen, Geschwindigkeitsmesser für Eisenbahnstationen und Eisenbahnzüge oder ein registrierender Thermograph für Wetterwarten. Wegweisend war aber insbesondere der Einstieg in die Drahttelefonie.

Expansion in Krisenzeiten

Auf dieser Grundlage, der Betrieb umfasste rund 300 Arbeiter und ein neues Fabrikgebäude im Berner Mattenhof, begann sein Sohn Gustav Hasler (1877–1952) mit gerade mal 22 Jahren, nachdem der Vater überraschend an einer Lungenentzündung gestorben war. Hilfreich waren für ihn zwei Eigenheiten der Hasler-Werkstätte. Erstens stand ihm ein loyales Kader von Technikern zur Seite, zweitens waren die Verbindungen zum wichtigsten Auftraggeber, der Eidgenössischen Post- und Telegraphenverwaltung (später PTT), eng und vertrauensvoll. Doch Hasler jun. beliess es nicht bei altbewährtem. Speziell in den Krisenzeiten der Weltkriege schickte er sich an, neue Unternehmensgebiete zu erschliessen.

Hochfrequenztechnik

Sichtbar wurden diese Expansionen an den neuen Fabriken, die bald das Stadtbild Berns prägten. Hasler Telefonzentralen für immer mehr Anschlüsse, zunächst bedient, bald aber automatisiert, überzogen das Land. Dazu kam die Hochfrequenztechnik für die Drahtlostelefonie und Radioübertragungen. An seinem Lebensende feierten über 3000 Mitarbeiter das 100-jährige Bestehen der Hasler-Werke und ihrer Vorgängerunternehmen.

Von den Hasler-Werken zur Ascom

Die Stiftung Hasler-Werke führte das Erbe weiter. Und weiterhin setzte man auf Wachstum. Die Hochkonjunktur und das staatliche Telefonmonopol sorgten für andauernde Erweiterungen. Und mit der Digitaltechnik stand ein neuer Quantensprung bevor. Um internationale Konkurrenzfähigkeit zu erlangen, fusionierte Hasler mit den Telekomanbietern Gfeller/Autophon und Zellweger zur Ascom (urspr. Association Suisse de Communication). Mit bald einmal 18’000 Mitarbeitern war man zwar nach internationalen Massstäben weiterhin ein kleines Telekomunternehmen, dank entsprechender Flexibilität sollten aber Nischen besetzt werden können.

Niedergang in Raten

Doch schlagfertig wurde Ascom nie. Der Konzern war in die ehemaligen Unternehmen und deren Organisationseinheiten aufgeteilt, die angestrebten Reorganisationen schlugen fehl. Ab der Jahrtausendwende begann der Schrumpfungsprozess, immer wieder begleitet von hoffnungsvollen Neuanfängen. So wollte der Zürcher Financier Ernst Müller-Möhl mit dem Internet aus der Steckdose Ascom zu internationaler Bedeutung führen. Doch sein Unfalltod am Gotthard beendete die hochfliegenden Pläne, die von vielen ohnehin als Störfaktor wahrgenommen wurden. Heute bietet Ascom Kommunikationslösungen speziell für Spitäler und Pflegeeinrichtungen an, mit noch rund 1000 Mitarbeitern.

 

Mehr über Gustav A. Hasler und Gustav Hasler erfahren Sie im Pionierband 116 «Versuch, Erfolg, Irrtum. Telekomindustrie von Hasler zu Ascom».

Fridolin Jenny-Heer – Gründervater der «Fritz + Caspar Jenny Ziegelbrücke»

Krisenzeiten markieren Zäsuren in der Geschichte, auch bei den Schweizer Pionieren der Wirtschaft und Technik. So muss die Textilfirma Jenny Fabrics AG in Ziegelbrücke Ende August 2020 nach 186 Jahren ihre Tore schliessen. Die Corona-Krise hat ihr den Rest gegeben. Doch wo althergebrachte Unternehmen und Industrien ihren Niedergang erleben, wachsen auch neue Bereiche heran. So zeigt ein Blick in die Geschichte der Jenny Fabrics, dass ihr Gründervater Fridolin Jenny-Heer (1784–1857) bei seiner ersten Unternehmensgründung wesentlich von einer Krisenzeit profitierte.

 

Kindheit in der Fabrik

Am 15. September 1784 kam Fridolin Jenny im glarnerischen Ennenda zur Welt. Er wuchs zusammen mit seinen älteren Brüdern Bartholome und Kaspar auf. Sein Vater arbeitete als Postbote und Holzfäller. Nach einigen Jahren Schulbesuch arbeitete Fridolin Jenny in der kleinen Blaufärberei «auf dem Hohlenstein» in Glarus als Hilfskraft. Zu Hause musste er beim Handspinnen mithelfen.

Mitgründer einer Weberei

1808 gründeten die drei Brüder das Handwebereigeschäft «Barth. Jenny & Cie.». Dabei profitierten sie von der Kontinentalsperre Napoleons, die den Import von Baumwolle aus England untersagte und dadurch der Schweizer Baumwollindustrie Expansionsmöglichkeiten bot. Die Gebrüder Jenny arbeiteten während zwanzig Jahren zusammen, in denen Fridolin vorzugsweise als Handelsmann die Tücher in der Ostschweiz, aber auch in Italien absetzte.

Erste eigene Fabrik

Im Jahre 1827 trat Fridolin Jenny aus der Firma «Barth. Jenny & Cie.» aus, um 1828 in Glarus eine eigene Handweberei-Fabrik unter dem Namen «Fr. de Caspar Jenny» zu gründen. Im Unterschied zu seinen Brüdern sah er die Zukunft in einer mechanischen Baumwollspinnerei, zudem behagte ihm nach zwanzig Jahren die Rolle als Juniorpartner nicht mehr. Wie seine Brüder verkaufte er Rohtücher an Glarner Druckereien und auf Tüchermärkten in St. Gallen.

Gründung einer mechanischen Baumwollspinnerei

Für sein Vorhaben konnte Fridolin Jenny seinen Geschäftspartner David Enderlin als Mitinvestor gewinnen. Als Standort wählte Fridolin Jenny das Gebiet Ziegelbrücke, südlich des Linthkanals, in der damaligen Gemeinde Niederurnen gelegen. Bereits 1834 nahm die Spinnereifabrik den Betrieb auf. Die Spinnmaschinen kamen von der Maschinenfabrik «Joh. Jacob Rieter & Cie.» in Winterthur und von «Nicolas Schlumberger & Cie.» im Elsass. Letztere ersetzte Jenny 1860 durch solche von der Firma «Platt Brothers» in Oldham bei Manchester.

Ausgezeichnete äussere Bedingungen

Der Standort Ziegelbrücke zeichnete sich durch hervorragende Bedingungen aus: Die Linthkorrektion hatte neuen Boden geschaffen und den zentralen Transportweg zwischen Walen- und Zürichsee sicherer gemacht. Es war auch genügend Wasserkraft für den Antrieb der Maschinen vorhanden. Ab den 1850er Jahren wurde sogar die Eisenbahnlinie in unmittelbarer Nähe zur Fabrik gebaut.

Konzentration auf die Spinnerei

Bald gab Fridolin Jenny den Handel mit bedruckten Tüchern zu Gunsten des Betriebszweigs der Spinnerei auf. Am 1. März 1836 gründete er zusammen mit David Enderlin die Firma «Enderlin & Jenny». Bereits 1838 erwarb Fridolin Jenny auf der Allmend von Niederurnen die stillgelegte Spinnerei «Zweifel & Weinhofer». Er funktionierte diese Fabrik in eine Grossspinnerei um. Eine Spezialität waren stärkere Garne, die durch Teilen einer Faser in mehrere Fäden hergestellt wurden. 1851 richtete er dort eine mechanische Weberei mit 300 Webstühlen ein. Er nutzte die Wasserkraft auch hier und ersetzte 1852 die alten Wasserräder durch leistungsfähigere Turbinen des Maschinenbauunternehmens «André Koechlin & Cie.» aus Mulhouse.

Kurzer Ruhestand

Im Jahre 1855 ging Fridolin Jenny in den Ruhestand, nachdem er die Führung der Firma «Enderlin & Jenny» bereits 1852 seinem Sohn Kaspar übergeben hatte. Auch David Enderlin trat aus der Leitung aus und übergab seinen Anteil seinen vier Söhnen.

Fridolin Jenny verstarb am 28. November 1857 in Ziegelbrücke.

 

Mehr über Fridolin Jenny-Heer erfahren Sie im Pionierband 99 «Spinnen, Weben, Drucken. Pioniere des Glarnerlandes».

Casimir Friedrich Knörr –
Gründer von Schifffahrtsgesellschaften

Es ist in diesen Wochen ruhig geworden auf den Schweizer Strassen, Schienen, Flugplätzen und Seen. Einmal mehr wird augenscheinlich, wie sehr das wirtschaftliche Leben mit dem Verkehr zusammenhängt. Das war schon immer so. So hat die Schweizer Wirtschaft just dann zum grossen Sprung angesetzt, als neue Verkehrssysteme entstanden. Den Anfang machte dabei die Dampfschifffahrt. Auf dem Vierwaldstättersee, auf dem seit dem 28. März 2020 sämtliche Schifffahrt eingestellt ist, war es Casimir Friedrich Knörr (1808–1882), der 1837 das erste Dampfschiff vom Stapel liess.

 

Gut informierter Geschäftsmann

Am 12. Mai 1808 wurde Casimir Friedrich Knörr als Sohn des Luzerner Banquiers Frédéric Knörr in Strassburg geboren. Er leitete ab 1828 das väterliche Bank- und Handelshaus in Luzern. Schon länger war in der Politik die Rede von einer Schiffsverbindung quer über den Vierwaldstättersee als direkte Verbindung zwischen Basel und dem Tessin. Dies hatte Casimir Knörr aufmerksam verfolgt, und er begann ab etwa 1832 die Frage der Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee zu überdenken.

Eile mit Weile

Knörr suchte nach Geldgebern weit über Luzern hinaus bis nach Basel und liess dann ein Schiff bei «Escher Wyss & Cie.» in Zürich bauen. Dies dauerte seine Zeit, denn die Schweizer Maschinenindustrie konzentrierte sich damals noch auf Textilmaschinen. Erst die Dampfschifffahrt und später die Eisenbahn haben die Maschinenindustrie zum führenden Wirtschaftsbereich gemacht. So mussten Mitte der 1830er Jahre Kessel und Maschine des Dampfschiffs aus England hergebracht werden.

Der eiserne Koloss gegen die hölzernen Nauen

Nachdem der Grosse Rat des Kantons Luzern 1835 dem erst 27-jährigen Knörr die Konzession für die Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee erteilt hatte, wurde ein Jahr später die «Dampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees, Luzern» gegründet und am 19. Juli 1837 fand der Stapellauf des Schiffes statt, welches vermutlich erst später den Namen «Stadt Luzern» erhielt. Damit wurde das Transportwesen auf dem Vierwaldstättersee auf den Kopf gestellt. Der eiserne Koloss mit einem Frachtvermögen von 10 Tonnen und Platz für 300 Personen war für die Schiffleute mit ihren Nauen eine unerträgliche Konkurrenz. Insbesondere in Schwyz und Uri entstand, auch politisch bedingt, Widerstand, der sogar vor Gericht ausgetragen wurde.

Harter Konkurrenzkampf

Casimir F. Knörr liess sich nicht beirren, sondern 1843 ein zweites Dampfschiff mit dem Namen «St. Gotthard» vom Stapel laufen. Im selben Jahr gründete der Urner Verkehrspionier Karl Emanuel Müller die Postdampfschiffgesellschaft als erklärtes Konkurrenzunternehmen. Schliesslich wollte in den 1850er Jahren eine weitere Gesellschaft auf dem Vierwaldstättersee mitmischen. Als die Schweizerische Centralbahn 1856 nach Luzern vorstiess, beabsichtigte sie den Verkehr mit eigenen Schiffen Richtung Gotthard weiterzuleiten. Doch die bestehenden Gesellschaften von Knörr und Müller verhinderten dies, indem sie die beiden von der Centralbahn bestellten Schiffe erst pachteten und schliesslich kauften.

Salondampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees

Im Jahre 1870 wurden alle Unternehmungen auf dem Vierwaldstättersee zur «Vereinigten Dampfschifffahrts-Gesellschaft des Vierwaldstättersees (VDGV)» zusammengefasst. Knörr verfolgte aber weiterhin eigene Interessen. Er verkaufte, wohlgemerkt als amtierender Verwaltungsrat der VDGV, während des Sommers 1871 einen grossen Teil seiner Aktien und gründete die «Salondampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SDV)». Das Ansinnen war aber nur von kurzer Dauer. Nach langen Verhandlungen verkaufte er 1872 die beiden bereits bestellten Salonschiffe und verpflichtete sich, nie mehr eigene Schifffahrtsunternehmen auf dem Vierwaldstättersee zu gründen.

Am 19. März 1882 verstarb Casimir Friedrich Knörr in Luzern.

 

Mehr über Casimir Friedrich Knörr erfahren Sie im Pionierband 89 «Transport und Tourismus. Pioniere der Dampfschifffahrt».