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Sechs Schweizer Alpenbahningenieure

Er konstruierte Brücken, baute Eisenbahnlinien und Tunnels und war beteiligt an grossen Gewässerkorrektionen. Nebenbei verfasste er auch zahlreiche technische Bücher. In sechs massgebenden, aber sehr unterschiedlichen Disziplinen war Gustave Bridel (1827–1884) gleichermassen kompetent und erfolgreich. Zumeist unbekannt sind seine Bestrebungen zur Elektrifizierung des Gotthardtunnels zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Heute vor 140 Jahren trat Siemens-Halske an die Gotthardbahn zwecks Elektrifizierung des im Bau befindlichen Tunnels. Bridel unterstützte das Vorhaben, das aber nicht zur Ausführung kam.

Gastbeitrag von Georges Bridel

Ausbildung und Karrierestart in Frankreich

In Paris trat Gustave Bridel im Jahre 1845 in die berühmte «Ecole Centrale des Arts et Manufactures» ein und beendete die Studien mit hervorragendem Leistungsausweis. Anschliessend arbeitete er als Traktionschef bei der Chemin de fer de l’Est. Mit 28 Jahren übernahm er die Bauleitung des damals grössten Bauwerks auf dem Kontinent, dem Palais de l’Industrie an den Champs Elysées für die Weltausstellung von 1855. Auch beteiligte er sich am Bau von Bahnlinien mit Viadukten, so beispielsweise dem Viaduc de Chaumont. Parallel dazu war er Mitautor des zweibändigen, ersten Eisenbahn-Standardwerks «Traité élémentaire des chemins de fer».

Eisenbahnen und die Juragewässerkorrektion

Zurück in der Schweiz realisierte er beeindruckende und vielfältige Arbeiten: In der Westschweiz konstruierte Gustave Bridel in seinem Büro in Yverdon einige Eisenbahnbrücken, wie beispielweise das grosse Viadukt in Vallorbe. Eine besonders grosse Herausforderung war zusammen mit dem Bündner Ingenieur La Nicca die Planung und anschliessend die alleinige Leitung der ersten grossen Juragewässerkorrektion von 1863 bis 1870. Neben der planerischen Tätigkeit und der Bauleitung erforderten die schwierigen politischen Bedingungen auch viel diplomatisches Geschick. Bridels bescheidenes Auftreten und seine kommunikative Persönlichkeit brachten auch hier den Erfolg. Von 1870 bis 1878 leitete Gustave Bridel den Bau der bernischen Jurabahnen. Insbesondere die geologischen Herausforderungen waren hoch. Da er in Biel aufgewachsen war, lag ihm dieses Vorhaben besonders am Herzen.

Oberingenieur der Gotthardbahn

Ende der 1870er Jahre befand sich der Bau der Gotthardbahn in grossen organisatorischen und technischen Schwierigkeiten. Obwohl sich Gustave Bridel in der Krise sehr zurückhielt, konnte er sich dem Drängen der Gotthardbahngesellschaft und des Bundesrates schliesslich nicht entziehen und übernahm die Bauleitung bis zur durchgehenden Inbetriebnahme am 1. Juni 1882. Der grosse Tunnel war einsturzgefährdet. Bridel übernahm gegen den Widerstand der Tunnelbau-Unternehmung Favre und deren Ingenieure die Führung und nach dem endgültigen Schiedsspruch des Bundesrats die Leitung des Neubaus der sogenannten Druckpartien. Ein kleines Intermezzo zwischen Siemens und Oberingenieur Bridel betraf 1881 die frühzeitige Elektrifizierung des Gotthardtunnels, was fast eine Weltpremiere geworden wäre. Es zeigt den Pioniergeist von Bridel, dass er sich offen für die neue Technik zeigte, obwohl erst Jahre später die ersten elektrischen Bahnen realisiert wurden. Nebst den technischen Aspekten gewichtete Bridel insbesondere den Vorteil eines rauchfreien Antriebs für die Arbeiter und Reisenden im Tunnel. Die Angelegenheit wurde von Siemens aus unbekannten Gründen nicht weitergeführt.

Zwischen den Disziplinen: Gebirgsdruck als Flüssigkeit

Nach Vollendung des gesamten Projektes nahm Bridel Abschied von der Gotthardbahn und leitete bis zu seinem frühen Tod Ende 1884 die Jura-Bern-Luzern Bahn. Interessant sind die technischen Querverbindungen zwischen den Disziplinen. Bei der Instandstellung  der Druckpartien im Gotthardtunnel beispielsweise setzte sich Bridel gegenüber den anderen Beteiligten mit der Erkenntnis durch,  «dass man das Gebirge mit seinem allseitigen Druck als eine Flüssigkeit auffassen müsse» [Felix Moeschlin, «Wir durchbohren den Gotthard», S. 462 Bd. II]. Entgegen der damaligen Praxis sorgte er für die Ausmauerung des Tunnelgewölbes mit druckfesten Quadern. Dieses Gesetz aus der Hydraulik gewann er mit der Erfahrung als Wasserbauer. Der betreffende Teil des Tunnels hält heute noch, ohne Reparaturen.

 

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