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Rudolf Schnorf-Hauser – Dünger aus Uetikon

Kunstdünger ist wieder vermehrt ein mediales Thema. Unterbrochene Handelsströme und die Verteuerung der Energie seit Ausbruch des Ukraine-Krieges sowie die anhaltende Trockenheit haben zu Lieferengpässen und steigenden Preisen geführt. Kunstdünger aber ist von grundlegender Wichtigkeit für die weltweite Ernährung. Ohne die Entwicklung von Kunstdünger wäre das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum seit dem 19. Jahrhundert unmöglich gewesen. Vom Düngemittelboom profitierte auch die Chemischen Fabrik Uetikon, die unter Rudolf Schnorf-Hauser (1815–1894) um 1880 in die Düngemittelproduktion einstieg.

 

Ausbildung und Wanderjahre

Ursprünglich schwebte Rudolf Schnorf-Hauser (1815–1894) eine Tätigkeit in der Zürcher Seidenindustrie vor. Aber schon früh stieg er in die Firma seines Vaters Rudolf Schnorf-Trudel (1788–1850) ein, der 1818 zusammen mit seinem Bruder Heinrich Schnorf-Schuppisser (1785–1846) in Uetikon am Zürichsee eine Schwefelsäurefabrik gründete. Ab 1833 besuchte Rudolf Schnorf-Hauser Chemievorlesungen an der Universität Zürich und half weiterhin in der Fabrik. Nebenbei amtete er während zwei Jahren als Gemeindeschreiber von Uetikon. Nach drei Jahren Studium sandten ihn seine Eltern ins Ausland, um sein Wissen zu erweitern. So wanderte er zunächst nach Paris, wo er in der Apotheke Robiqué, Boix & Peltier eingestellt wurde und einen bescheidenen Lohn erhielt. Damit finanzierte er sich die Reise nach London, Gent, Brüssel, Waterloo, Lille bis zurück nach Paris. Es gelang ihm aber nicht, in den chemischen Fabriken von Javel Arbeit zu finden, sodass er Ende 1837 nach Uetikon zurückkehrte.

Fabrikleiter und Alleininhaber

Zurück in Uetikon übernahm Rudolf Schnorf-Hauser die Leitung der Firma und begann sogleich, die neue Soda-Produktion auszubauen. Ab 1851 war er Alleininhaber und verhalf der Firma dank mutigen Investitionen zu einem entscheidenden Wachstum. Während in den 1850er Jahren praktisch alle übrigen Soda- und Schwefelsäureproduzenten in der Schweiz zu Grunde gingen, erzielten die «Gebrüder Schnorf» bei den in der Schweiz produzierten Chemikalien einen Marktanteil von 70 Prozent.

Dünger als erspriessliches Geschäft

Weitere Innovationen in neue Produktionsverfahren liessen die «Gebrüder Schnorf» zu einer der modernsten Chemiefabriken Europas werden. Diese «gute Zeit» verzögerte auch den Einstieg in Produktion von Dünger. Denn als in den 1860er Jahren die ersten Düngemittelfabriken in der Schweiz entstanden, profitierten die Uetiker von der damit verbundenen Nachfrage nach Schwefelsäure. Doch nachdem andere Expansionsvorhaben scheiterten, richtete man auch in Uetikon eine eigene Düngemittelsparte ein, die sogleich florierte. Der Dünger wurde zum zweiten Standbein der «Gebrüder Schnorf» und zeitweise zum meistverkauften Produkt.

Die Söhne übernehmen das Geschäft

1889 übernahmen die Söhne Rudolf Schnorf (1843–1918) und Albert Schnorf-Flury (1846–1919) die Fabrik von ihrem Vater, nachdem sie schon seit den 1860er Jahren als technische beziehungsweise kaufmännische Leiter tätig waren. Sie führten das Düngergeschäft weiter, das trotz einer Stagnation in den 1890er Jahren um 1900 einen Viertel des schweizerischen Marktes ausmachte. Auch in den kommenden Jahrzehnten blieb die Düngemittelproduktion krisenresistent. Mit dem Verkauf des Stammareals in Uetikon beendete die Chemische Fabrik Uetikon als letzte Schweizer Produzentin die Herstellung von Dünger.