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Karl Heinrich Gyr – Visionärer Unternehmer

Ab 1880 gab es in verschiedenen Städten und gewissen Fremdenverkehrsorten in der Schweiz eine elektrische Beleuchtung. Bald schon waren auch Theater, Konzertsäle, Hotels, Restaurants, Bahnhöfe und Fabriken interessiert am elektrischen Licht. Die Pionierzeit der Elektrizität hatte begonnen, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Elektrizitätszähler auf dem Markt durchsetzten. Hier profilierte sich der Unternehmer Karl Heinrich Gyr.

 

Zürcher Herkunft

Zusammen mit einem jüngeren Bruder und einer jüngeren Schwester, wuchs Karl Heinrich Gyr (1879—1946) in der Stadt Zürich auf. Seine Vorfahren väterlicherseits stammten aus Uster, aber bereits sein Vater Heinrich Gyr (1843—1910) war gelernter Metzger und führte an der Oberdorfstrasse in der Zürcher Altstadt eine Metzgerei. Die Mutter, Lina Laubi (1850—1919), stammte aus einer Grossbauernfamilie in Zürich Höngg.

Ausbildung in Nah und Fern

In der Freien Evangelischen Schule verbrachte Karl Heinrich Gyr die obligatorische Schulzeit. Danach besuchte er eine Sprachschule in Lausanne und später zusammen mit Heinrich Landis und weiteren jungen Männern, die später bei Landis & Gyr in führende Positionen kamen, die sogenannte Industrieschule an der Kantonsschule Rämibühl in Zürich. Nach der Matura 1897 studierte Karl Heinrich Gyr am «Eidgenössischen Polytechnikum» Chemie. In seiner Freizeit war er im Segelclub Zürich aktiv und ein begeisterter Berggänger. Seine Dissertation schrieb er 1902 an der Technischen Hochschule in Dresden «Über die Elektrolyse des Jodkaliums und über die Einwirkung von Jod auf Alkali». Darauf war er in London tätig und besuchte mit der «Society of Chemical History» auch während drei Wochen die USA.

Aufbau der Landis & Gyr

Sein ehemaliger Schulkamerad, Heinrich Landis, übernahm 1904 das «Electrotechnische Institut Theiler & Co.» in Zug und wollte ihn zu einer Mitarbeit bewegen, zunächst aber vergeblich. Erst als er Karl Heinrich Gyr vorschlug, bei ihm in der Firma elektrochemische Apparate bauen zu können, wurde es für Gyr interessant. Im August 1905 schrieb Heinrich Landis, dass er einen Associé suche, da er momentan ausschliesslich Elektrizitätszähler fabriziere. Ende Oktober 1905 entschied sich Karl Heinrich Gyr, bei Heinrich Landis einzusteigen und trat am 26. Dezember 1905 als Kollektivgesellschafter in die Firma ein. Der neue Firmenname lautete nun: «Landis & Gyr, vormals Theiler & Co.».

Rasante Entwicklung zum grössten Arbeitgeber des Kantons

Aufgrund der grossen Nachfrage nach Elektrizitätszählern musste das Firmenareal in der Knopflimatt in Zug schon bald vergrössert werden. Zwischen 1908 und 1912 wurden allmählich alle zur Montage der Zähler benötigten Teile selbst angefertigt; dies nichts zuletzt, um die Qualität der Produkte zu sichern. Auch wurde die Produktepalette unter anderem um Schaltapparate und Zeitschalter erweitert, um die Abhängigkeit vom reinen Zählergeschäft zu minimieren. 1914 kam ein in Gewicht, Umfang und Preis wesentlich reduzierter Zähler auf den Markt, womit die Hauptkonkurrenten «AEG» und «Siemens-Schuckert» abgehängt wurden. Die Nutzfläche des Fabrikareals betrug 1914 bereits 6500 Quadratmeter und die Mitarbeiterzahl hatte sich ab 1908 fast jährlich verdoppelt. In Zug war Landis & Gyr die grösste Arbeitgeberin und auch die Expansion ins Ausland kurbelte das Geschäft an.

Hinter dem massiven Ausbau der Verkaufstätigkeiten, den neuartigen Fabrikationsmethoden und dem ambitiösen Bauprogramm war Karl Heinrich Gyr die treibende Kraft. Bis zu seinem Tod blieb er trotz langer schwerer Krankheit der Firma erhalten. Er verstarb am 3. November 1946 in Zug.