Pionier des Monats

  • Guillaume Henri Dufour – für die bewaffnete Neutralität
    Pionier des Monats | April 2024 über
    Band 120, Einigkeit, Freiheit, Menschlichkeit. Guillaume Henri Dufour als General, Ingenieur, Kartograf und Politiker , von Joseph Jung (Hrsg.)

    Guillaume Henri Dufour – für die bewaffnete Neutralität

    Als im letzten Jahr 175 Jahre Bundesverfassung gefeiert wurde, stand auch Guillaume Henri Dufour im Rampenlicht, der mit seiner besonnenen und erfolgreichen Kriegsführung im Sonderbundskrieg 1847 die Gründung des Bundesstaates und eine, zunächst nur zaghafte, Versöhnung zwischen Sieger und Besiegten ermöglicht hatte. Doch der Sonderbundskrieg blieb nicht der einzige Ernsteinsatz Dufours als General. Mehrmals im jungen Bundesstaat wurde er zum Oberbefehlshaber der Eidgenössischen Truppen gewählt, um das Land vor drohenden Angriffen zu bewahren. Dabei unterstrich er immer wieder sein Verständnis der bewaffneten Neutralität.

     

    Flüchtlinge und Aufständische gefährden die Sicherheit der Schweiz

    Die aussenpolitische Lage der jungen Schweiz war nach 1848 alles andere als stabil. Zahlreiche Flüchtlinge, die sich in den Nachbarländern an Revolutionen beteiligt hatten, suchten Schutz im neutralen Land. Dabei strapazierten einige von ihnen ihr Asylrecht gehörig, indem sie aus der Schweiz die Unruhen in ihren Heimatländern anstachelten. Die Folge war, dass die Grossmächte verschiedentlich mit einer militärischen Intervention drohten.

    Souveränität dank Neutralität

    Die Haltung der Schweiz war dabei umstritten. Auf der einen Seite ergriffen radikale Hasardeure für die demokratischen Revolutionen im Ausland Partei. Auf der anderen Seite standen gemässigte Liberale und Konservative wie Guillaume Henri Dufour. In einer vielbeachteten Rede bekräftigte er das Recht der Schweiz, Flüchtlingen Asyl zu gewähren. Gleichzeitig stellte er aber an dieselben die Bedingung, sich nicht an politischen Agitationen in ihren Heimatländern zu beteiligen. Was die drohenden militärischen Interventionen des Auslands anbelangte, so war für Dufour klar, dass Neutralität nur ein leeres Wort sei, wenn sich die Schweiz nicht selbst verteidigen könne.

    Kriegsgefahr droht wegen territorialen Konflikten

    Auch direkte Konflikte mit Nachbarstaaten drohten in Kriege auszuarten. 1849 verletzten hessische Truppen die Souveränität der Schweiz, als sie über Schweizer Gewässer fahrend in die deutschen Exklave Büsingen bei Schaffhausen gelangten. 1856/57 eskalierte der Konflikt um Neuenburg, das bislang sowohl schweizerischer Kanton als auch preussisches Fürstentum war. Nachdem die dortigen Royalisten nach ihrem gescheiterten Aufstand inhaftiert wurden, drohte der preussische König mit Krieg. Dieser konnte erst in letzter Minute dank französischer Vermittlung vermieden werden. 1859 drohten Grenzverletzungen im Wallis und im Tessin aufgrund des italienischen Unabhängigkeitskrieges.

     

    Neu auch auf Französisch: Unité, Liberté, Humanité. Guillaume Henri Dufour en tant que général, ingénieur, cartographe et homme politique

    Die Erfolgspublikation über Guillaume Henri Dufour, herausgegeben 2022 von Joseph Jung als Band 120 der Reihe «Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik», ist neu auch in französischer Sprache (Pionierband 16f) erschienen.

     

    Der General wäre in Süddeutschland einmarschiert

    In allen drei Fällen wurde Dufour zum Oberbefehlshaber gewählt. Kühn war sein Verteidigungsplan beim Neuenburgerkonflikt. Um den bei Schaffhausen erwarteten Angriff besser abwehren zu können sah Dufour vorgerückte Stellungen im süddeutschen Raum vor, ungeachtet der Folgen einer solchen Besetzung von fremdem Territorium. Der Krieg kam – zum Glück für Dufour – nicht, und so blieb der «Preussenfeldzug» in bester Erinnerung. Denn für die Stärkung des Nationalgefühls und der bewaffneten Neutralität war es ein Erfolg.

    Gründungspräsident des IKRK

    Die Beschäftigung mit Dufour und seinem Verständnis für die bewaffnete Neutralität zeigt, wie dieselbe einerseits schon zur Zeit der Bundesstaatsgründung ein identitätsstiftendes Prinzip gewesen, wie sie aber andererseits schon damals kontrovers diskutiert worden war. Dufour zeigt aber auch, dass Neutralität nicht Untätigkeit bedeutet. 1863 stand er einer Kommission vor, die eine internationale Konferenz für mehr Menschlichkeit im Krieg organisierte. Davon ausgehend wurde nur ein Jahr später und ebenfalls unter Dufours Vorsitz die erste Genfer Konvention unterzeichnet, und aus der Kommission wurde das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).

  • Heinrich Fueter – Vielseitiger Filmpionier
    Pionier des Monats | März 2024 über
    Band 95, Heinrich Fueter. Produzent, Unternehmer, Filmpionier, von Eduard R. Fueter

    Heinrich Fueter – Vielseitiger Filmpionier

    Heute vor 100 Jahren wurde die «Praesens-Film AG» gegründet. Die älteste Film-Produktionsfirma war nicht nur selbst eine Pionierin, sondern hat auch junge Filmpioniere hervorgebracht. In erster Linie Heinrich Fueter (1911–1979), der bei «Praesens-Film» seine Sporen abverdiente, bevor er mit der Condor-Film AG zu einem der bedeutendsten Filmproduzenten der Schweiz wurde. Vor allem mit Werbe-, Industrie- und Dokumentarfilmen, aber auch mit Spielfilmen hat er neue Massstäbe in der Schweizer Filmgeschichte gesetzt.

     

    Jugend und Ausbildung

    Nach der Matura in Trogen wandte sich Heinrich Leonhard Fueter zunächst dem Studium der Literatur und Musik zu, bevor er ab 1931 Rechtswissenschaft studierte. Zur Finanzierung des Studiums spielte er in verschiedenen Bars und Nachtclubs Klavier. Auch arbeitete er später als Skilehrer, Sekretär des Hottinger Lesezirkels und Journalist bei verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften.

    Produktionsleiter bei «Praesens-Film»

    Das Filmhandwerk lernte Heinrich Fueter beim berühmten Regisseur Lazar Wechsler und dessen «Praesens-Film». Als Produktionsleiter des Films «Füsilier Wipf» trug Fueter erstmals umfassende Verantwortung für die Dreharbeiten, bei denen er sich mit breiten Kenntnissen und seinem Organisationstalent auszeichnete. Der Film wurde zu einem Standardwerk der Schweizer Filmgeschichte und zu einem Kassenschlager.

    Koordinator an der Landi 1939

    Während der Landesausstellung 1939 in Zürich fungierte Heinrich Fueter als Koordinationschef für sämtliche kulturellen Veranstaltungen und organisierte die Eröffnungs- und Schlussfeiern, die Wehrvorführungen, die Kantonaltage oder das eidgenössische Trachtenfest. Damit war er einmal mehr an einem grossartigen Publikumserfolg beteiligt.

    Die «Condor-Film AG»

    Trotz Erfolgen mit patriotischen Filmen verliess Fueter aufgrund von Differenzen mit Lazar Wechsler die «Praesens-Film» und gründete 1940 mit dem deutschen Produzenten Günther Stapenhorst die «Gloria-Film AG» in Zürich. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel die staatliche Filmunterstützung weg, was eine Neuorientierung verlangte. Heinrich Fueter erkannte im Auftragsfilm für Unternehmen eine Marktlücke, und so gründete er 1946 die «Condor-Film AG». Neben ersten Filmen im Auftrag der Swissair und der Ebauches S.A., realisierte er einen ersten unabhängigen und selbstfinanzierten Bergfilm «Grat am Himmel».

    Werbefilme und Reportagen

    Bereits 1948 beauftragten die BBC-TV und NBS USA die «Condor-Film» mit der Herstellung von täglichen Reportagen über die Olympischen Winterspiele in St. Moritz. Von da an ging es auf der Basis von Auftragsfilmen stetig bergauf. Von Georg Fischer über J. R. Geigy bis zu Wild Heerbrugg: fast alle grösseren Schweizer Firmen beauftragten Fueter mit Filmproduktionen. Neben diesen Werbe-, Schulungs- und Produktfilmen drehte Fueter immer wieder auch Fernsehfilme, die mehrfach national und international ausgezeichnet wurden.

    Die Symbiose von Auftragsfilm und Spielfilm

    Heinrich Fueter baute die «Condor-Film AG» zu einem erfolgreichen Unternehmen auf. Auftragsfilm und Spielfilm standen für ihn nicht in Konkurrenz zueinander: Mit den Auftragsfilmen sicherte er sich die ökonomische Basis und Unabhängigkeit für Spielfilme, gleichzeitig sah er auch im Auftragsfilm ein Kunstwerk. Weit über 1000 Filme produzierte er dank dieser einzigartigen Symbiose, bevor er am 13. Oktober 1979 in der Zürcher Altstadt infolge eines Herzinfarktes verstarb.

     

  • Alexander und Catharina Seiler – Von einfachen Herbergen zu stilvollen Grand Hotels in Zermatt und Gletsch
    Pionier des Monats | Februar 2024 über
    Band 122, Alexander und Catharina Seiler – Von einfachen Herbergen zu stilvollen Grand Hotels in Zermatt und Gletsch von Stephan Seiler

    Alexander und Catharina Seiler – Von einfachen Herbergen zu stilvollen Grand Hotels in Zermatt und Gletsch

    Alexander und Catharina Seiler gehören zu den erfolgreichsten Hotelpionieren der Schweiz. Sie entwickelten das abgelegene Bergdorf Zermatt zu einem mondänen Touristenort, der mit seinen Grand Hotels besonders britische Alpinisten und Adlige aus ganz Europa anzog. Damit förderten sie die wirtschaftliche Entwicklung des Oberwallis und verliehen dem Tourismus schweizweit wichtige Impulse.

    Seifensieder mit bescheidenem Erfolg

    Alexander Seiler (1820–1891) wuchs in einfachen Verhältnissen in der Gommer Gemeinde Blitzingen auf. Nach einer Lehre als Seifensieder im süddeutschen Munderkingen versuchte er sich als Seifensieder, Kerzenzieher und Handelsmann mit allen möglichen Produkten. Doch die Zeiten waren in den 1840er Jahren im Wallis hart, politische Spannungen und schliesslich die Niederlage im Sonderbundskrieg hemmten die wirtschaftliche Entwicklung.

    Von der Herberge zum Grand Hotel

    Legendär ist die Geschichte, wie Alexander Seiler 1851 erstmals nach Zermatt kam und augenblicklich von der imposanten Schönheit und Anziehungskraft des Matterhorns erfasst wurde. Mit beeindruckendem Spürsinn, rastloser Ausdauer, Hartnäckigkeit, aber auch mit seiner Gastfreundschaft pachtete er ab 1852 die ersten Herbergen, baute andere und entwickelte sie zu namhaften Hotels und Hotelpalästen.

    Die starke Frau im Hinter- und Vordergrund

    Diese Erfolge konnte er nur zusammen mit seiner Frau Catharina Seiler-Cathrein (1834–1895) erreichen, die gleichermassen wie er zur Seele des Unternehmens wurde und eine entscheidende Rolle als Gastgeberin und Geschäftsfrau einnahm. Sie war die Tochter des Briger Regierungsstatthalters und kam für Mädchen jener Zeit in den Genuss einer soliden Ausbildung. Als tiefreligiöse Frau setzte sie sich neben dem Hotelunternehmen selbstlos für bedürftige Kinder und Angehörige der Angestellten ein.

    Gipfelstürmer im «Goldenen Zeitalter des Alpinismus»

    Die Katastrophe der Matterhorn-Erstbesteigung stellt 1865 den Höhe- und Endpunkt des «Goldenen Zeitalter des Alpinismus» dar, in welchem das Seiler-Stammhaus Monte Rosa zum eigentlichen Basislager der vorwiegend britischen Alpinisten wurde. Doch Seiler wusste das weltweite Aufsehen und die dadurch stetig steigenden Gästezahlen in Zermatt mit dem Ausbau ihrer Hotels geschickt zu nutzen.

    Neue Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen

    Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen waren der Schlüssel zum wirtschaftlichen Fortschritt der Industrialisierung. Das wussten auch Alexander und Catharina Seiler, die sich für den Ausbau der Strasse nach Zermatt oder für die Erstellung einer Telegraphen- und Telefonverbindung einsetzten. Die entscheidende Veränderung für die Tourismusdestination brachte aber 1891 die Eisenbahnlinie von Visp nach Zermatt.

    Gletsch – ein Verkehrsknotenpunkt

    Die Verkehrsentwicklung war auch für die Entwicklung von Gletsch entscheidend, wo die Seilers ab 1858 Hotels betrieben. Nachdem die Passstrassen über Grimsel und Furka gebaut waren, verkehrten tägliche mehrere Postkurse, die dank der klugen Intervention der Seilers am Mittag und am Abend in Gletsch Halt machten. Dadurch wurde das dortige Seiler-Hotel zu einem zwingenden Rastplatz für sämtliche Reisenden sowie zu einem Knotenpunkt mit Pferdewechsel und eigener Poststelle.

    Ein Hotelreich mit 1200 Betten

    Am Ende ihres Lebens herrschten Alexander und Catharina Seiler über 11 Hotels mit 1200 Betten. Viele ihrer 11 Kinder (weitere 5 starben im Kindesalter) sowie nächste Verwandte übernahmen in einem der Hotelbetriebe eine leitende Funktion. Dieser familiäre Zusammenhalt kontrastierte scharf mit der Ablehnung, welche die Familie Seiler von der offiziellen Dorfgemeinschaft erfuhr. Man verwehrte ihnen in einem 18-jährigen Rechtsstreit die rechtmässige Einbürgerung, obwohl sich alle Instanzen bis hin zu Bundesrat und Bundesgericht unmissverständlich dafür aussprachen.

  • Hans Künzi – Operations Research zur Evaluation eines Kampfflugzeugs
    Pionier des Monats | Januar 2024 über
    Band 109, Hans Künzi. Operations Research und Verkehrspolitik, von Joseph Jung

    Hans Künzi – Operations Research zur Evaluation eines Kampfflugzeugs

    Hans Künzi – Operations Research zur Evaluation eines Kampfflugzeugs

     

    Heute vor 100 Jahren wurde Hans Künzi (1924–2004) in Olten geboren. Er war ein Mathematiker von Weltruf, wurde Pionier des Operations Research und etablierte dieses Wissenschaftsgebiet in der Schweiz. Seine Dienste beanspruchten der Bundesrat ebenso wie die Armeeführung. Später nutzte er sein analytisches Organisationstalent als Regierungsrat und verhalf unter anderem der Zürcher S-Bahn zum Durchbruch.

     

    Unbeschwerte Jugendzeit

    Hans Künzi besuchte die Schulen in Olten und Solothurn, wo er sich als guter Redner und mit hervorragenden Gedichten auszeichnete. In der Mittelschulverbindung «Wengia Solodorensis» erhielt er den passenden Vulgo «Klatsch». So unbeschwert wie seine Jugendzeit, so erfolgreich verlief sein Mathematikstudium an der ETH Zürich, das er 1948 abschloss.

    Professor an Uni und ETH Zürich

    Mit nur 34 Jahren wurde Hans Künzi an der Universität Zürich Professor des neu gegründeten Lehrstuhls für Operations Research. Künzi hatte das grosse Potential der computergestützten Unternehmens- und Organisationsforschung früh erkannt und die Universität sah in ihm die richtige Person, um sich im jungen Wissenschaftsfeld zu etablieren. Nur kurze Zeit später wurde denn auch auf Betreiben von Professor Künzi die erste elektronische Datenverarbeitungsanlage an der Universität Zürich, eine IBM 1620, installiert. 1966 folgte der Ruf als Professor an die ETH Zürich, womit Künzi als einer von wenigen eine Professur an beiden Zürcher Hochschulen innehatte.

    Evaluation des Erdkampfflugzeugs Corsair

    Im Sommer 1965 wurde Hans Künzi vom Oberst im Generalstab Kurt Werner kontaktiert. Nachdem wenige Jahre zuvor die Beschaffung des Kampfflugzeugs Mirage in einem Fiasko endete, stand bereits das nächste Rüstungsgeschäft an: der Ersatz für die Venom-Flugzeuge. Künzi erschien den Verantwortlichen von Armee und Militärdepartement als der richtige Mann für die Evaluation eines modernen Kampfflugzeugs. Und in der Tat organisierte er eine vielköpfige Projektgruppe mit Physikern, Mathematikern und Ingenieuren, teils aus Armeeangehörigen, teils aus Doktoranden seines Instituts und anderen Wissenschaftlern.

    100’000 simulierte Luftkämpfe

    Das neue Kampfflugzeug sollte sowohl Ziele in der Luft als auch Ziele am Boden bekämpfen können. Basierend auf allen Vorgaben und mit den Eigenschaften von neun Flugzeugtypen begannen Hans Künzi und sein Team mit den Simulationen. Nächtelang liefen die Computer an der Universität Zürich auf Hochtouren, bis zuletzt über 100’000 simulierte Luftkämpfe durchgerechnet waren.

    Der Bundesrat ignoriert sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse

    Das Resultat war eindeutig: der amerikanische «Corsair» erfüllte als einziger Kandidat die hohen Anforderungen. Doch nun mischte sich die Politik ein. Die Befürworter der unterlegenen Flugzeugtypen streuten unhaltbare Gerüchte, drohten mit diplomatischen Krisen und intervenierten entsprechend beim Bundesrat. Dieser entschied sich 1972 gegen den Corsair, indem er den Typenentscheid grundlos vertagte. Als Ersatz wurde dann später das zweitklassige Kampfflugzeug Tiger beschafft, das nun keine Erdziele mehr bekämpfen konnte und im übrigen keiner auch nur annähernd so gründlichen Evaluation unterzogen wurde… Nach der Mirage-Affäre wurde die nächste Kampfflugzeugbeschaffung wieder zu einem Skandal, diesmal aber nicht wegen einer unzulänglichen Evaluation, sondern weil eine international beachtete Evaluation vom Bundesrat ignoriert wurde.

  • Emma Stämpfli-Studer – Die Frau an der Spitze einer Druckerei
    Pionier des Monats | Dezember 2023 über
    Band 106, Drucken – Backen – Forschen. Pionierinnen der modernen Schweiz, von Andréa Kaufmann, Claudia Wirz, Peter Moser

    Emma Stämpfli-Studer – Die Frau an der Spitze einer Druckerei

    Vor 175 Jahren wurde Emma Studer geboren, in eine Zeit, in der es verhältnismässig wenige weibliche Pioniere gab. Umso bemerkenswerter ist es, dass sie gleich in dreifacher Weise eine Pionierin war. Sie gründete eine Kinderkrippe für die Kinder ihrer Mitarbeiter und wurde später zur «schweizerischen Krippenmutter». Nach dem Tod ihres Mannes führte sie nicht nur dessen Druckerei erfolgreich weiter, sondern gründete auch früh eine berufliche Kranken-, Invaliden- und Vorsorgekasse.

     

    Ein Schicksalsschlag als Karriereauslöser

    Der Ehemann von Emma Stämpfli-Studer (1848–1930), Karl Stämpfli (1844–1894) verstarb am 12. Juli 1894 nach langer Krankheit im Alter von nur 50 Jahren. Er hinterliess neben seiner Ehefrau zwei minderjährige Söhne und einen Druckereibetrieb mit über 100 Mitarbeitern. Das Schicksal eines frühen Todes ereilte ihn wie schon seinen Vater und seinen Grossvater. Und so tat Emma Stämpfli, was bereits ihre Schwiegermutter und deren Schwiegermutter getan hatten: sie übernahm den Betrieb bis zur vollständigen beruflichen Ausbildung ihrer Söhne. Ein ehemaliger Setzer und damals technischer Leiter, Albert Häsler (1855–1924), wurde zum Direktor befördert und stand Emma Stämpfli mit Rat und Tat zur Seite. Als Firmenleiterin setzte sie die Visionen ihres Mannes um, trieb die Entwicklung voran und baute die Firma aus.

    Eine Pionierin der beruflichen Vorsorge

    Zum Andenken an ihren verstorbenen Ehemann errichtete Emma Stämpfli 1895 eine berufliche Kranken-, Invaliden- und Sterbekassen. Denn Versicherungen, die die soziale Not abfederten, gab es damals noch keine. So war es für Karl und Emma Stämpfli selbstverständlich, ihren Angestellten in Notsituationen und bei Krankheit beizustehen. Aber erst nach dem Tod von Karl Stämpfli setzte Emma Stämpfli den gemeinsamen Wunsch um. Die Krankenkasse bezahlte in der Folge ein Krankengeld und trug die Kosten von Arzt und Apotheker. Die Prämien übernahm die Firma Stämpfli. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt diese Vorsorgeeinrichtung als etwas Besonderes.

    «Die schweizerische Krippenmutter»

    Die gemeinsam mit ihrem Mann schon 1880 ins Leben gerufene Kinderkrippe wurde für Emma Stämpfli zu einem wichtigen Tätigkeitsfeld. Sie betreute die Kinderkrippe unermüdlich und sammelte neue Erfahrungen, die sie auch gerne weitergab. Sie arbeitete Reglemente aus, kümmerte sich um die Hausordnung, gab den Müttern Ratschläge, sorgte sich um das richtige Essensangebot und die Gewichtstabelle der betreuten Kinder. Ordnung und Hygiene waren für sie wichtig, damit die Kinder nicht erkrankten.

    Am 1907, ihre Söhne waren inzwischen ins Geschäft eingestiegen, gründete Emma Stämpfli den Schweizerischen Zentral-Krippenverein mit und wurde dessen erste Präsidentin. Ziele des Vereins waren, finanziell schlecht gestellte Krippen zu unterstützen, die Gründung neuer Krippen zu erleichtern und durch eine Vereinszeitschrift die Krippensache zu fördern. Selbstverständlich übernahm Emma Stämpfli die Redaktion des «Krippenberichts». Die Kinderkrippen sollten nicht nur Erziehungs- sondern auch Aufklärungs- und Bildungsstätten sein sowie medizinisches und pflegerisches Wissen in der Bevölkerung verbreiten. Emma Stämpfli hielt Vorträge über das Krippenwesen und wurde bald zur gefragten Autorität auf diesem Gebiet.

    Trotz dieses neuen Tätigkeitsfeldes war Emma Stämpfli auch beim 125-Jahr-Jubiläum als die 76-Jährige noch aktiv im Unternehmen. Nach einem mit vielfältigen Aufgaben ausgefüllten Leben verstarb Emma Stämpfli-Studer nach kurzer Krankheit am 30. Januar 1930 im Alter von 82 Jahren.

  • Rosine Tuchschmid-Baumgartner – Die Frau an der Spitze einer Schlosserei
    Pionier des Monats | Oktober 2023 über
    Band 78, Vom Holzkochherd zu Stahl-Glas-Konstruktionen, von Heinz Ruprecht

    Rosine Tuchschmid-Baumgartner – Die Frau an der Spitze einer Schlosserei

    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Frauen an der Spitze von Industrieunternehmen eine grosse Seltenheit. Meistens kamen sie beim Tod des Ehemannes an diese Stelle, um die Zeit bis zur Volljährigkeit des ältesten Sohnes zu überbrücken. Ersteres trifft auch auf Rosine Tuchschmid-Baumgartner (1861–1912) zu. Aufgrund ihres frühen Todes war die Zeit ihrer Unternehmensführung zwar kurz. Doch mit ihrem Durchhaltewillen und Geschäftssinn hat sie der Firma den Weg in die Zukunft ermöglicht.

     

    Plötzliche Firmenübernahme

    Als Jakob Tuchschmid (1858–1909) 1888 die Schlosserei seines Vaters in Frauenfeld übernahm, war er seit zwei Jahren mit Rosine, geb. Baumgartner (1861–1912) verheiratet. Sie stammte aus dem Glarnerland und kam als ausgebildete Primarlehrerin in die Ostschweiz. Doch fortan unterstützte sie ihren Mann im Büro der wachsenden Firma und sorgte für den Haushalt. Neben der Familie mit der wachsenden Kinderschar sassen jeweils auch die Lehrlinge am Mittagstisch, was die Verbindung zwischen Familie und Firma zusätzlich intensivierte. Am 3. Januar 1909 verstarb Jakob Tuchschmid nach längerer Krankheit mit gerade mal 51 Jahren und seine Ehefrau Rosine musste die Betriebsleitung übernehmen. Das Unternehmen wurde umfirmiert in «J. Tuchschmids Witwe». Zugunsten der neuen Verantwortung gab sie das Amt in der Frauenkommission der Arbeits- und Töchterbildungsschule auf.

    Verantwortung für Firma und Familie

    Rosine Tuchschmid hatte zwar in ihrem Nachbarn, dem Baumeister Hans Mötteli, als Vormund ihrer Kinder einen vertrauten Ratgeber, aber sie trug nun die ganze Verantwortung für die Firma und die Familie. Sie hatte zwei Töchter und drei Söhne, wobei der jüngste Sohn beim Hinschied ihres Ehemannes erst 12-jährig war. Die ältere Tochter, die damals 20-jährige Rosa, arbeitete seit dem Tod des Vaters im Büro mit. Sie hatte ihr Welschlandjahr abbrechen müssen, um ihre Mutter zu unterstützen. Den anderen Kindern aber ermöglichte Rosine Tuchschmid eine solide Ausbildung und weiterführende Schulen, damit sie für das spätere Leben gut gerüstet waren.

    Eine starke Frau in einer Männerwelt

    Rosine Tuchschmid musste sich sowohl um die Auftragseingänge kümmern als auch die Auftragsabwicklung koordinieren und die Buchhaltung führen. In der Werkstatt konnte sie auf zwei erfahrene Meister zählen, die bereits von Jakob Tuchschmid eingestellt wurden. Doch immer wieder musste sie bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem jungen, temperamentvollen Jakob Kubli und dem altgedienten Walter Hasenfratz schlichten. Auch wurden bald die finanziellen Mittel knapp, sodass sie den letzten Besitz der Familie in Thundorf, zwei Waldstücke, verkaufen musste. Nach einem Streit mit einem anderen Schlossermeister um eine Preisofferte wollte Rosine Tuchschmid aus der Schlosserinnung austreten. In ihrem Schreiben an den Präsidenten stellte sie dann aber nicht ohne Humor fest, dass ein Austritt gar nicht nötig sei, da ja eine Frau nicht Mitglied sein könne.

    Kräftezehrende Aufgaben

    Betriebliche Veränderungen gab es in der kurzen Führungszeit von Rosine Tuchschmid nicht. Die ursprünglichen Holzkochherde wurden nur noch selten gefertigt, dagegen vielfältige Schlosserarbeiten wie Eisengeländer oder Eisengittertore. Die Spezialisierung auf Eisenkonstruktionen hielt an. So konnte sie im Januar 1912 den Auftrag zur Lieferung von Perrondächern für die Bahnhöfe Uttwil, Güttingen und Altnau am Bodensee übernehmen. Währenddessen kam sie immer mehr ans Ende ihrer Kräfte. Im April desselben Jahres sah sie sich gezwungen, die Firmenleitung ihrer Tochter Rosa zu übertragen. Bereits am 20. Juni 1912 verstarb Rosine Tuchschmid-Baumgartner im Alter von nur 50 Jahren.

  • Adolf Guyer-Zeller – Schöpfer der Jungfraubahn
    Pionier des Monats | September 2023 über
    Band 13, Pierre-Frédéric Ingold, Adolf Guyer-Zeller, Rudolf Zurlinden, von G. A. Berner und E. Audétat, Alfred Dübendorfer, Hans Rudolf Schmid

    Adolf Guyer-Zeller – Schöpfer der Jungfraubahn

    Vor 125 Jahren, am 19. September 1898, wurde die erste Teilstrecke der Jungfraubahn bis zur Station Eigergletscher mit einer pompösen Feier eröffnet. Hinter dem Projekt stand Adolf Guyer-Zeller (1839–1899). Der visionäre Zürcher Unternehmer war zunächst als Fabrikant und Händler im Textilwesen tätig, bevor er sich bei verschiedenen Eisenbahngesellschaften engagierte. Daneben war er als Kantonsrat politisch aktiv.

     

    Jugend- und Studienzeit

    Der am 1. Mai 1839 in Neuthal im Zürcher Oberland geborene Adolf Guyer war das dritte Kind und der einzige Sohn des Rudolf Guyer und der Magdalena Guyer-Wepf. Nach der Primar- und Sekundarschule in Bauma sowie der Industrieschule in Zürich studierte Adolf Guyer am Eidgenössischen Polytechnikum (heute ETH) und widmete sich danach philosophischen und nationalökonomischen Studien an der Genfer Akademie.

    Für und gegen die Sklaverei

    In der 1825 vom Vater gegründeten Baumwollspinnerei in Neuthal erwarb sich Adolf Guyer praktische Kenntnisse im Textilfach, bevor er 1859 nach Le Havre und England zog. Im Herbst 1860 reiste er für grössere Baumwollgeschäfte nach Nordamerika und Kuba. Dor kam er direkt mit der Sklaverei in Kontakt, von der nach eigenen Angaben 95 % des Familienbetriebs abhängen würden. Guyer war klar, dass ohne Sklaverei die schweizerische Baumwollindustrie erheblichen Schaden nehmen würde. Neben diesen wirtschaftlichen Überlegungen äusserte er sich einerseits rassistisch, um andererseits die Sklaverei zu verurteilen. In späteren Jahren wendete sich diese ambivalente Haltung, beeinflusst durch die fromme Familie, zu einer klaren Ablehnung der Sklaverei.

    Einstieg ins Eisenbahnwesen

    1869 heiratete Adolf Guyer die Stadtzürcherin Anna Wilhelmine Zeller, mit der er nach Zürich zog. Hier am Zeltweg gründete er ein Exportgeschäft, das Handel mit Textilartikeln nach Italien, dem Orient, Indien und Ostasien betrieb. Obwohl er 1874 die alleinige Leitung der Textilfirma in Neuthal übernahm, engagierte er sich bald auch in anderen Wirtschaftsbereichen. Er beteiligte sich an der Nordostbahn, wo er nach internen Auseinandersetzung den Verwaltungsrat stürzte und selber Präsident wurde. Weiter initiierte er den Bau der Uerikon-Bauma-Bahn, die 1901 eröffnet wurde.

    Der Schöpfer der Jungfraubahn

    Die Idee einer Jungfraubahn geisterte ab den späten 1880er Jahren in den Köpfen von verschiedenen namhaften Ingenieuren, wie Maurice Koechlin, Alexander Trautweiler oder Eduard Locher. Im Unterschied zu diesen Ideen sah das Projekt von Adolf Guyer-Zeller als entscheidenden Vorteil mehrere Zwischenstationen vor, an denen die Gäste ein neues, atemberaubendes Panorama antrafen. Dadurch konnte die Bahn in Etappen dem Betrieb übergeben werden, was die Verzinsung des Kapitals durch laufende Einnahmen ermöglichte.

    Eine eigene Bank zur Eisenbahnfinanzierung

    Im Dezember 1894 erteilte ihm die Bundesversammlung die Konzession für eine Eisenbahn von der Kleinen Scheidegg über das Jungfraujoch bis unter den Jungfrau-Gipfel, der schliesslich mit einem 65 Meter langen Lift erschlossen werden sollte. Um die Finanzierung der Jungfraubahn zu erleichtern, gründete Guyer-Zeller im gleichen Jahr unter dem Namen «Bank Guyer-Zeller» eine Privatbank in Zürich. Am 27. Juli 1896 erfolgte der Spatenstich, rund zwei Jahre später konnte am 19. September 1898 die erste Teilstrecke Kleine Scheidegg–Eigergletscher unter der Teilnahme von über 400 geladenen Gästen festlich eingeweiht werden. Pfarrer Strasser aus Grindelwald hielt eine Predigt, ein kurzes Festspiel wurde aufgeführt und der Männerchor Zürich umrahmte die Feierlichkeiten.

    Vollendung nach dem Tod

    Zum Durchstich der zweiten Etappe bei der provisorischen Station Rotstock, konnte Adolf Guyer-Zeller nur per Telegramm gratulieren. Er starb wenige Wochen später am 3. April 1899 in Zürich an Herzversagen. Trotzdem wurde das Projekt weitergeführt. Nach massiven Bauzeitverzögerungen konnte am 1. August 1912 die Eröffnung der höchsten Bahnstation Europas auf dem Jungfraujoch, 3454 Meter über Meer gefeiert werden.

  • Salomon Hegner – ein Wasserbauexperte für die ganze Schweiz
    Pionier des Monats | August 2023 über
    Band 82, Herren über wildes Wasser. Die Linthingenieure als Bundesexperten im 19. Jahrhundert von Daniel Speich

    Salomon Hegner – ein Wasserbauexperte für die ganze Schweiz

    Die Linthkorrektion war das bis dahin grösste Infrastrukturvorhaben in der Schweiz, das nicht nur für die lokale Bevölkerung grössten Nutzen hatte, sondern auch das schweizerische Nationalbewusstsein wesentlich stärkte. Nachfolger des am 9. März 1823 verstorbenen Hans Konrad Escher, der als eigentlicher Erbauer der Linthkorrektion in die Geschichte einging, war der gebürtige Winterthurer Ingenieur Salomon Hegner (1789–1869). Auf seine Initiative hin wurde vor 200 Jahren die eigentliche Linthkorrektion für vollendet erklärt. Doch das Linthwerk blieb eine dauerhafte Aufgabe, der sich Hegner für die nächsten 13 Jahre als Leiter widmete.

     

    Frühe Jahre

    Salomon Hegner erblickte am 22. November 1789 in Winterthur das Licht der Welt. Sein Vater, Salomon Hegner senior, war damals Schultheiss in Winterthur. Bereits mit 15 Jahren arbeitete Salomon Hegner in der königlichen Saline Dieuze in Frankreich unter der Leitung von Hofrat Johann Sebastian Clais (1742–1809, Pionierband 52). Von da ging er 1806 nach Paris, wo er an der «Ecole polytechnique» sowie der «Ecole des ponts et chaussées» Chemie und Ingenieurwesen studierte.

    Kantonaler Inspektor, aber in der ganzen Schweiz tätig

    Im Jahre 1816 heiratete Hegner Susanne Clais, die Tochter seines ehemaligen Arbeitgebers, und wurde im selben Jahr zum kantonalen Inspektor für Strassen- und Wasserbau ernannt. Als solcher beschäftigte er sich mit Korrektionsplänen für die Glatt, deren Entwürfe weitgehend von Hans Konrad Escher stammten. Bald kamen Aufträge aus der ganzen Schweiz dazu: Ebenfalls mit Escher untersuchte er bei Sargans die Gefahr eines Durchbruchs des Rheins ins Seeztal und bis zum Walensee. In den 1820er Jahren erstellte Hegner im Auftrag Berns ein Gutachten über die Korrektion der Aare. Schliesslich waren seine Einschätzungen auch in der Folge von Überschwemmungen im ganzen Land immer wieder gefragt.

    Leiter des Linthwerks

    1822 betraute die Tagsatzung Hegner mit einem Gutachten zur Abklärung, ob das Linthwerk als vollendet gelten könne. Die Angelegenheit war heikel, da nach einem offiziellen Abschluss die Kantone für den Unterhalt aufkommen mussten und nicht mehr die Tagsatzung. Hegner kam zum Schluss, dass das Bauwerk soweit beendet war, dass es den Kantonen übergeben werden könne. Dem stimmte die Tagsatzung am 14. August 1823 zu und wählte Salomon Hegner als technischen Mitglied der ständigen Linthwasserbaupolizeikommission.

    Herausforderung Fliessgeschwindigkeit und Geschiebe

    Bis 1836 leitete er die technischen Arbeiten am Linthwerk. Eine Herausforderung stellte insbesondere die drohende Verlandung der Mündung in den Walensee und die Erhöhung des Flussbetts aufgrund des Geschiebes dar. Hegner versuchte mit Querspornen im Kanal das Flussbett zu verengen und damit die Fliessgeschwindigkeit zu erhöhen. Von grossem Einfluss auf den Wasserlauf und den Hochwasserschutz waren auch die neuen Fabriken mit ihren Wasserrädern. Deshalb musste Hegner jedes Baugesuch für eine Fabrik prüfen.

    Festungsbauer und Kommandant der Genietruppen

    Die Ingenieursausbildung fand damals weitgehend im militärischen Rahmen statt. So waren auch die von Hegner besuchten Schulen in Paris militärische Einrichtungen. Und es ist deshalb nicht verwunderlich, dass zahlreiche Wasserbauer jener Zeit Generalstabsoffiziere waren, wie auch Salomon Hegner, der als Oberst die Genietruppen kommandierte und in Basel die Fortifikationsbauten leitete.

    Nachdem er sich bereits 1846 ins Privatleben zurückgezogen hatte, starb Salomon Hegner am 27. April 1869 auf Schloss Eppishausen im Kanton Thurgau.

  • Gute Politik für Pioniere
    Pionier des Monats | Juli 2023 über
    Sonderpublikation 10, Spirit of '48. Ehrengabe für Joseph Jung, von Lukas Gschwend, Gerhard Schwarz, Clemens Fässler (Hrsg.)

    Gute Politik für Pioniere

    Die Schweiz ist ein Land der Pioniere – doch warum eigentlich? Neben gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen sind auch geeignete politische Rahmenbedingungen unabdingbar, damit in einem Land Pionierleistungen erbracht werden können. Was also hat die Schweiz in der Vergangenheit getan, um Pionierleistungen zu ermöglichen, und wo sieht sie heute die Herausforderungen?

    Die Doppelrevolution von 1848

    Die Schweiz war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Land der Armen. Zwar war die Protoindustrialisierung in der Textilwirtschaft oder in der Uhrenindustrie weit fortgeschritten und zahlreiche Pioniere traten in verschiedenen Wirtschaftsbereichen hervor. Doch erst der 1848 gegründete Bundesstaat sorgte mit der Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums und zahlreichen liberalen Gesetzen für den fulminanten Aufstieg der Schweiz zum erstklassigen Wirtschaftsstandort.

    Vom politischen Wunder zum Sonderfall

    Die Gründung der ersten liberal-demokratischen Republik in Europa aus dem rückständigen Staatenbund kam einem politischen Wunder gleich. Das erfolgreiche Bestehen gründete nicht zuletzt im gleichzeitig stattfindenden Wirtschaftsaufschwung. Darüber hinaus sorgten verschiedene Eigenheiten dafür, dass aus dem politischen Wunder ein politischer Sonderfall wurde: Ein ausgeprägter Föderalismus sorgte für eine gebührende Machtbeschränkung der zentralen Elite, was die wirtschaftliche Freiheit ungemein förderte. Die eigenartige Ausgestaltung des Bundesrates mit sieben gleichgestellten Regierungsmitgliedern sorgte für eine einzigartige Stabilität. Und die in der Folge erfolgreich behauptete Neutralität ermöglichte eine wirtschaftlich starke internationale Vernetzung.

    Liberalismus und direkte Demokratie – eine fast perfekte Vermählung

    Die Jahrzehnte nach 1848 gelten als DIE wirtschaftsliberale Epoche der Schweiz. Neue Wirtschaftsbereiche, allen voran die Eisenbahn, prägten die Schweiz und ermöglichten es einer Generation von Pionieren, unternehmerisch aktiv zu werden. Entscheidend dabei war ihre Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik. Dank der indirekten (repräsentativen) Demokratie – die Volksrechte Referendum und Initiative gab es damals nicht – konnten sie auch auf der politischen Ebene eine fast ungehinderte Macht ausüben. Es wäre nun aber falsch, den Wirtschaftsliberalismus grundsätzlich von einem repräsentativen politischen System abhängig zu machen. Denn im Grundsatz kommt die direkte Demokratie dem Liberalismus am nächsten. Nicht zuletzt deshalb, weil beide auf dem Grundwert der Selbstbestimmung beruhen. Schliesslich beweist auch die Entwicklung der Schweiz, dass sich direkte Demokratie mit Wirtschaftsliberalismus bestens verträgt. So gab es auch nach der Einführung der direktdemokratischen Volksrechte ab 1874 bis heute unzählige neue Pioniere in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen.

    Wissenschaftsdiplomatie für künftige Herausforderungen

    Die ausgeprägte Globalisierung, angetrieben durch die rasante Digitalisierung, verlangt nun aber auch, dass auf internationaler Ebene Rahmenbedingungen für künftige Pionierleistungen geschaffen werden. Gerade die Digitalisierung wird im Zuge neuer Computertechnologien wie Quantencomputing Herausforderungen und Chancen mit sich bringen, die nur im internationalen Rahmen gemeistert bzw. genutzt werden können – so, wie die Herausforderungen und Chancen im 19. Jahrhundert einen Bundesstaat verlangten. Ein Beispiel für die Bestrebungen der Schweiz, diesen neuen Voraussetzungen innovativ zu begegnen, liefert die 2019 gegründete Stiftung «Geneva Science and Diplomacy Anticipator». In der Zusammenarbeit von Wissenschaft, Diplomatie, Wirtschaft und Bürgergesellschaft werden dort mögliche technologische Entwicklungen der Zukunft beschrieben, ihre Auswirkungen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft diskutiert sowie Lösungsansätze erarbeitet.

  • Fritz Ryff – weltgewandt schon in jungen Jahren
    Pionier des Monats | Juni 2023 über
    Band 113, Fritz Ryff. Der liberale Patron und seine strickenden Arbeiterinnen, von Franziska Rogger und Beat Kappeler

    Fritz Ryff – weltgewandt schon in jungen Jahren

    Auslanderfahrung und Mehrsprachigkeit gelten heute als wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Karriere, weshalb sie von vielen bereits in jungen Jahren erworben werden wollen. Ein Blick auf die Jugend und Ausbildung von Fritz Ryff (1857–1925) zeigt, dass dieser eigensinnige und innovative Textilpionier bereits im 19. Jahrhundert die heutigen Maximen befolgt hatte – mit grossem Erfolg, wie die Gründung der Textilfabrik im Berner Marziliquartier beweist.

    Sohn eines Kaufmanns

    Fritz Ryff wurde am 23. März 1857 als drittes von insgesamt 13 Kindern der Baslerin Julie Kromer (1831–1908) und des Attiswilers Friedrich Ryff (1827–1879) in Sonceboz geboren. Als er dreijährig war, zog die Familie ins basellandschaftliche Angenstein, wo der Vater als Ohmgeldbeamter gewählt worden war. Daneben handelte er mit Kolonialwaren wie Gewürzen, Tee, Kaffee und Schokolade.

    Mehrsprachige Ausbildung

    Nach der Primarschule in Aesch (BL) kam Fritz Ryff 1867 als zehnjähriger Knabe ins französischsprachige Progymnasium in Porrentruy. Als Sohn eines Kolonialwarenhändlers sollte er sich auf eine Handelskarriere vorbereiten. Danach besuchte er in Murten eine französischsprachige öffentliche Schule und wohnte in einer englischsprachigen Pension. Im Alter von gut 15 Jahren begann er seine kaufmännische Lehre beim Bankhaus Ehinger & Cie. in Basel.

    Erfahrungen im Kolonialhandel in Afrika

    Nach Absolvierung des Militärdienstes und einem Englandaufenthalt, reiste Fritz Ryff nach Marseille, wo er in der Handelsfirma Verminck & Cie. eine Anstellung fand. In deren Auftrag reiste er 1878 per Segelschiff erstmals nach Afrika, nämlich auf die Iles de Loos vor Guinea. Sieben Jahre verbrachte Ryff in Westafrika, wo er für das Unternehmen den Warenumschlag und den Handel mit Europa überwachte.

    Frühe Vaterschaft

    Über das private Leben von Ryff in Afrika ist nicht viel bekannt. Wir wissen aber, dass er sich mit einer «Eingeborenen» verband, Louise Peyton, die aus dem britischen Nigeria stammte. Ihm und seiner «amie negresse» wurde am 1883 ein Sohn geschenkt, den sie offiziell Frank Peyton Ryff nannten. Nach zwei Jahren verstarb Louise Peyton, und Frank wurde in einem katholischen Kinderheim erzogen. Fritz Ryff ermöglichte ihm aber den Besuch einer Handelsschule und unterstützte ihn zeitlebens.

    Rückkehr und Firmengründung

    1886 reiste Fritz Ryff als gut ausgebildeter und im Kolonialwarenhandel erfahrener Mann und mit der Idee, ein eigenes Unternehmen zu gründen, nach Bern. Dort gründete er zusammen mit Arnold Wiesmann am 15. Januar 1888 die Mechanische Strickerei Wiesmann & Ryff im Matte-Quartier in Bern. Mit modernen Strickapparaten gelang es ihnen, Grosskunden wie das Warenhaus au Bon Marché an der Marktgasse in Bern zu gewinnen. In einem beispielhaften Wachstum bauten sie bereits nach zwei Jahren eine repräsentative Trikotfabrik im Marzili-Quartier, in der zunächst 200, bald aber schon über 400 Arbeiterinnen beschäftigt wurden. Dank seiner internationalen Kontakte fand Ryff die entsprechenden Geschäftspartner und Kunden in Europa und Übersee.

     

  • Gottlieb Duttweiler – Die Gründung der Migros
    Pionier des Monats | Mai 2023 über
    Band 72, Gottlieb Duttweiler. Eine Idee mit Zukunft, von Karl Lüönd

    Gottlieb Duttweiler – Die Gründung der Migros

    Die Migros steht vor einer der grössten Umstrukturierungen ihrer Geschichte, mit der die komplizierte Firmenstruktur einfacher und effizienter werden soll. Dieser Ansatz ist ganz im Sinne des Migros-Gründers Gottlieb Duttweiler (1888–1962), der mit einem überraschend einfachen und auf Effizienz ausgerichteten Geschäftsmodell erfolgreich war.

     

    Herkunft und Ausbildung

    Gottlieb Duttweiler wurde am 15. August 1888 in der Zürcher Altstadt als drittes Kind von fünf Kindern von Gottlieb (1850–1906) und Elisabeth (1857–1936) Duttweiler-Gehrig geboren. Sein Vater arbeitete als Verwaltungsgehilfe und «Speisemeister» bei verschiedenen Arbeitgebern und war kurze Zeit Gastwirt, bevor er 1886 zum Verwalter des Lebensmittelvereins Zürich (LVZ) berufen wurde.

    Gottlieb Duttweilers Handelstalent fiel bereits in der Schule auf und so absolvierte er eine kaufmännische Lehre beim Handelsbetrieb «Pfister & Sigg». Bereits im dritten Lehrjahr wurde er als Reisender zur Kundschaft geschickt und brachte viele Bestellungen nach Hause. Im Frühjahr 1907 schloss er die Lehre mit der zweitbesten Abschlussprüfung seines Jahrgangs ab.

    Pfister & Duttweiler

    Mit erst 19 Jahren wurde er Niederlassungsleiter seiner ehemaligen Lehrfirma in Le Havre und lernte dort als Handelsagent die Finessen des internationalen Kaffeehandels kennen. Später übernahm er die Firmenvertretung in Genua. Als er eine Gewinnbeteiligung von 25 % forderte, stieg Nathan Sigg aus dem Geschäft aus. Duttweiler trat an seine Stelle und war nun mit nur 29 Jahren Mitinhaber der international tätigen Handelsfirma Pfister & Duttweiler.

    Konkursit, aber nicht am Boden

    Duttweiler zeichneten nicht nur eine kaum vorstellbare Arbeitskraft aus, sondern auch die Fähigkeit, Niederlagen in positive Energie umzuwandeln. In Folge des Ersten Weltkriegs musste er seine Firma 1920 liquidieren. Um alle Gläubiger auszuzahlen, brachte Duttweiler auch seine Villa am Zürichsee, den Martini-Wagen und seine Kunstsammlung in die Liquidationsmasse ein. Zudem sorgte er dafür, dass alle Angestellten eine neue Arbeitsstelle erhielten. Er selbst schaute sich ebenfalls nach neuen Marktfeldern um und betätigte sich in den folgenden Jahren als Händler und sogar als Farmer in Brasilien.

    Adele Duttweiler-Bertschi: Ehefrau und Mitstreiterin

    Am 29. März 1913 heiratete er Adele Bertschi (1892–1990) und zog mit ihr nach Rüschlikon. Adele hatte zwar nie eine formelle Funktion ausgeübt in seinen Geschäften, aber sie hatte grossen Einfluss auf das Denken und die Entscheide ihres Mannes. So hatte sie auch einen entscheidenden Anteil am Aufbau und der Ausrichtung der Migros.

    Gründung der Migros

    Der Migros-Gründung lag die Idee zugrunde: tiefere Preise durch weniger Gewinn und höheren Umsatz. Die Unkosten wurden durch ein kleines Sortiment, schnellen Warenumschlag und den Verzicht auf teure Ladenmieten tief gehalten. Aus den USA kannte Duttweiler die fahrenden Läden, die er ab 1925 mit seinen Verkaufslastwagen zunächst in verschiedenen Gemeinden im Kanton Zürich kopierte. Es begann mit einem kleinen Sortiment von unverderblichen, unzerbrechlichen und markenlosen Waren. Trotz teilweise massivem Widerstand durch die Detailhändler und Gewerbeverbände, die Druck auf die Behörden ausübten, wurde das Geschäft auf Rädern ein voller Erfolg, sodass schon Ende des Jahres 1925 das Sortiment erweitert werden konnte.

  • Rudolf Gottfried Bindschedler – Vom Kirchenrecht zum internationalen Banking
    Pionier des Monats | April 2023 über
    Band 105, Die Bindschedlers. Bürgersinn, Wagemut, Innovation, von Judith Burgdorfer und Karl Lüönd

    Rudolf Gottfried Bindschedler – Vom Kirchenrecht zum internationalen Banking

    Schon im frühen 20. Jahrhundert nahmen Schweizer Wissenschafter an internationalen Verhandlungen teil; so auch Rudolf Gottfried Bindschedler (1883–1947), der als promovierter Kirchenrechtler bei verschiedenen internationalen Verhandlungen in Bankangelegenheiten teilnahm.

     

    Schule und Ausbildung  

    Am 9. Juli 1883 kam Rudolf Gottfried Bindschedler als ältester Sohn des Mediziners Rudolf Gottfried Bindschedler (1843–1915) in Zürich zur Welt. Er besuchte die obligatorischen Schulen in Zürich und begann nach der Maturität ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich. Er promovierte 1906 mit summa cum laude in Kirchenrecht. Seine erste Stelle hatte er als Zweiter Sekretär unter Alfred Frey beim Schweizerischen Handels- und Industrieverein («Vorort»), wo er vor allem Fragen des Zolltarifs, des neuen Fabrik- und des neuen Postgesetzes bearbeiten musste.

    Einstieg in die Finanzbranche

    Im Jahre 1909 erhielt Bindschedler bei der Bank Leu & Co. die Stelle eines Direktionssekretärs, und 1919 berief ihn die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) in die Zentraldirektion, wo er bis Ende 1936 bleiben sollte. Bei der SKA leitete er das schweizerische Effektengeschäft sowie das internationale Kommissionsgeschäft.

    Internationales Banking

    Bald nahm er an verschiedenen internationalen Verhandlungen, wie über die Dawes- und Young-Anleihen oder die ersten französischen Anleihen nach dem Ersten Weltkrieg teil. Der Kirchenrechtler wurde zu einem der wichtigsten Schweizer Bankiers auf internationalem Parkett in der Zwischenkriegszeit. Denn er reiste auch in die USA, um die durch den Ersten Weltkrieg unterbrochenen alten Verbindungen wiederaufzunehmen, indem er verschiedene Grossbanken besuchte.

    Die Folgen des Börsenkrachs von 1929

    Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung und den exzellenten Kontakten zur amerikanischen Finanzwelt, Industrie und Politik waren die Berichte von Rudolf Bindschedler aus den USA bankintern meinungsbildend. Zwar sah auch er den Börsenkrach im Oktober 1929 nicht voraus. Doch umso deutlicher wies er auf die moralischen und psychologischen Folgen des Börsensturzes und damit auf die problematische Kehrseite des aggressiven Marketings von Anlagepapieren hin. So schrieb er 1930: «Der scharfe Börsenkrach von 1929 hat viel gewaltigere Verluste gebracht, als man sich in Europa vergegenwärtigt. Tausende von Leuten haben ihr gesamtes Vermögen verloren. […] Die Folge dieser masslosen Spekulation und der daraus resultierende Verlust haben neben dem materiellen Verluste ein moralisches Debakel ausgelöst.»

    Wissenschaft und Soziales

    In seiner Biographie spiegeln sich wirtschaftlicher Erfolg, akademische Bedeutung und bürgerliches Engagement. So engagierte sich Rudolf Bindschedler zeitlebens für die Universität Zürich, die ihn schliesslich zum ständigen Ehrengast ernannte. Und die von ihm gegründete «Familienstiftung Rudolf G. Bindschedler» bezweckt die Unterstützung an die Nachkommen sowie spricht Zuwendungen an wohltätige, gemeinnützige, wissenschaftlich tätige oder kulturelle Organisationen.

  • Alfred Escher – Gründer der Schweizerischen Kreditanstalt
    Pionier des Monats | März 2023 über
    Band 114, Alfred Escher. Visionär, Grossbürger, Wirtschaftsführer, von Joseph Jung

    Alfred Escher – Gründer der Schweizerischen Kreditanstalt

    Die Verwerfungen in der schweizerischen Bankenbranche haben, wie so oft in Krisenzeiten, den Blick auch in die Vergangenheit schweifen lassen; und damit zu Alfred Escher (1819–1882), der 1856 als treibende Kraft hinter der Gründung der Kreditanstalt einem neuen Bankentypus in der Schweiz zum Durchbruch verhalf.

     

    Die Schweiz im Eisenbahnfieber

    Die neue Bundesverfassung von 1848 setzte die Rahmenbedingungen für einen modernen Wirtschaftsraum Schweiz. Doch der entscheidende Impuls zum unvergleichlichen Wirtschaftswachstum der jungen Schweiz wurde 1852 gegeben, als die Eidgenössischen Räte mit ihrem Jahrhundertentscheid den privaten Eisenbahnbau befürworteten. Damit waren gleichsam die Schleusen geöffnet und innerhalb von acht Jahren wurden 800 Kilometer Schiene verlegt, sämtliche grossen Städte des Mittellandes von Genf bis nach Chur waren miteinander verbunden. Alfred Escher, der die Eisenbahnfrage bereits 1849 zum drängenden Problem erklärte, war der wesentliche Treiber hinter diesem Entscheid.

    Abhängigkeit von ausländischem Kapital

    Alfred Escher übernahm 1853 das Präsidium der neufusionierten Nordostbahn. Er verstand es, von Zürich aus in horrendem Tempo einen Schienenstrang nach Romanshorn zu realisieren, wo über den Bodensee der Süddeutsche Raum erschlossen werden konnte. Doch der rasante Ausbau des Schienennetzes bedurfte viel Risiko-Kapital, das von den inländischen privaten Bankhäusern nicht bereitgestellt werden konnte. Deshalb gerieten die schweizerischen Eisenbahngesellschaften in immer stärkere Abhängigkeit von ausländischen Banken.

    Der Befreiungsschlag: eine eigene Bank

    In dieser Situation nahm Alfred Escher die Idee von Caspar Hirzel-Lampe auf, der die Gründung einer Kredit-Bank in Zürich nach dem Vorbild der Allgemeinen Deutschen Credit-Anstalt in Leipzig vorschlug. Diese erklärte sich denn auch bereit, die Hälfte des Aktienkapitals zu übernehmen. In seinem Bestreben, eine echt schweizerische Bank zu gründen, erreichte Escher aber, dass die Leipziger nur zwei von fünfzehn Verwaltungsräten stellen konnten. In einer ersten Runde sollten 6000 Aktien zu einem Nominalwert von je 500 Franken öffentlich aufgelegt werden. Nachdem im Vorfeld der Erfolg dieser Subskription kontrovers diskutiert wurde, entwickelte sie sich zu einem einmaligen Ereignis in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Denn nach drei Tagen waren 442’539 Aktien gezeichnet, womit das vorgesehene Aktienkapital um das 70fache überzeichnet war.

    Die Lokomotive der Schweizer Volkswirtschaft

    Dieser fulminante Start zeigte, dass die Schweizerische Kreditanstalt SKA nicht nur ein Bedürfnis der Wirtschaft war, sondern ebenso von unzähligen Bürgern, die ihr Geld in Aktien investieren wollten. Als Verwaltungsratspräsident bestimmte Alfred Escher den Kurs der Kreditanstalt. Neben der Finanzierung von Eisenbahnprojekten – die SKA wurde zur eigentlichen Hausbank der Nordostbahn – widmete sich die Kreditanstalt dem Aufbau unzähliger Firmen und Wirtschaftsbereiche. An erster Stelle ist die Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt zu nennen, die 1857 als rechtlich eigenständige Gesellschaft, faktisch aber als eine Abteilung der Kreditanstalt gegründet wurde. Doch auch in der Industrie und im Tourismus entfaltete die SKA unter Alfred Escher eine für die Schweiz segensreiche Wirkung. Schliesslich stand Eschers Bank auch im Zentrum der Finanzierungsbemühungen der Gotthardbahn, die als helvetisches Weltwunder betitelt wurde.

     

    Bücher zur Finanzgeschichte

    Eine vertiefte Auseinandersetzung mit ausgewählten Themen der Schweizer Finanz- und Bankengeschichte leistete der 1990 gegründete Verein für Finanzgeschichte. Zu den Themen zählten unter anderem das Bankgeheimnis oder die Rolle der Banken im Zweiten Weltkrieg. Der Verein für Finanzgeschichte hat 2018 seine Tätigkeit eingestellt. Seither sind dessen Publikationen über unsere Website www.pioniere.ch mehrheitlich kostenlos zu beziehen.

  • Erhard Mettler – der Tüftler von klein auf
    Pionier des Monats | Februar 2023 über
    Band 103, Erhard Mettler. Gewagt, gewogen, gewonnen, von Eduard R. Fueter

    Erhard Mettler – der Tüftler von klein auf

    Die «Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik» beleuchten nicht nur die grossen Leistungen der Pioniere, sondern auch ihre Persönlichkeit und ihr soziales Umfeld. Um die Pioniere besser zu verstehen, ist der Blick auf ihre Kindheit und Jugend wichtig. So auch bei Erhard Mettler (1917–2000), der bereits als Kind einen wachen Geist und Tatendrang erkennen liess, dafür aber in der schulischen Laufbahn wenig Erfolg hatte.

     

    Wohlbehütete Kindheit und Jugend

    Hans Mettler (1876–1945), Erhards Vater, war Miteigentümer der traditionsreichen Textilhandelsfirma Mettler & Co. Er war für Erhard eine ruhige Respektsperson, aber das Verhältnis blieb distanziert. Einen Eintritt ins väterliche Textilgeschäft zog Erhard nie ernsthaft in Erwägung, da es ihm als ein «freudloses Geschäft» vorkam. Seine Mutter, Alice Mettler-Weber (1889–1978) entstammte einer grossbürgerlichen Winterthurer Industriellenfamilie. Die Familie mit vier Kindern – Erhard war das zweitjüngste – bewohnte eine schlossähnliche Villa oberhalb von St. Gallen. Trotz dieser privilegierten Welt wurden die Kinder zu Bescheidenheit und Arbeitsamkeit erzogen.

    Von der Volksschule ins Internat

    Gemäss eigenen Aussagen war Erhard Mettler ein schlechter Primarschüler. Die strenge Disziplin war für ihn unangenehm einengend, «Tatzen» und andere Strafen die harte Folge davon. Umso lieber bastelte und tüftelte er allerlei im Wald oder in der Scheune. Das Landerziehungsheim Glarisegg war deshalb die richtige Fortführung nach der Primarschule. Denn dort stand eine ganzheitliche, auf selbständiges Lernen und Handeln ausgerichtete Pädagogik im Vordergrund. Erhard Mettler betätigte sich sportlich und hielt sich oft und gerne in der Schreinerei, der Schlosserei und dem Fotolabor auf. Unter den vielen Eigenkonstruktionen befanden sich ein Radio und ein Topfmagnet, mit dem er sogar das Auto des Vaters heben konnte.

    Feinmechanikerlehre und Technikum

    Trotzdem fiel ihm das Lernen schwer. Erhard Mettler war ein Praktiker, was seine Eltern aber lange Zeit nicht einsehen konnten. Nach einer Berufsberatung absolvierte er schliesslich eine Feinmechanikerlehre in Winterthur, wo er auch seine erste Präzisionswaage baute. Das Technikum in Winterthur besuchte Mettler nur ein Semester lang, dann ging er in einen Sprachaufenthalt, bevor er im Herbst 1939 in den Militärdienst einrücken musste.

    Wertvolle Erfahrungen und Kontakte im Militär

    Im Gegensatz zur Schule sagte das Militär Erhard Mettler zu. In der Artillerie-Offiziersschule erhielt er die Möglichkeit, Menschen zu führen und Verantwortung zu übernehmen. Während des Aktivdienstes war Max Schmidheiny (1908–1991) sein Vorgesetzter. Bei ihm lernte er nicht nur eine klare Befehlsausgabe und menschliche Führung kennen, sondern auch die Firma Wild Heerbrugg im St. Galler Rheintal, dessen langjähriger Patron Schmidheiny war.

    Der Drang zur Selbständigkeit

    Im Frühling 1941 trat Erhard Mettler eine Stelle als Feinmechaniker bei der Wild Heerbrugg an. Die hochpräzise Arbeit motivierte ihn sehr, doch bereits nach wenigen Jahren genügte ihm das Angestelltendasein nicht mehr. Er wollte selbständig werden und besuchte eine Handelsschule. Auf der Suche nach einem Tätigkeitsgebiet begutachtete er die Instrumente in den Laboratorien der ETH. Sein Fazit: «Bei den Waagen bemerkte ich, dass sie veraltet waren und dass hier Potential für eine Modernisierung bestand. Von allen Geräten war die Waage auch das teuerste.» Und so kam es, dass er im Sommer 1945 in einer Werkscheune in Küsnacht (ZH) mit der Konstruktion neuer Waagetypen begann. – 35 Jahre später verkaufte er die Mettler Instrumente AG mit über 2200 Mitarbeitern, Vertretungen in 128 Ländern und einer Viertelmilliarde Franken Jahresumsatz.

  • Gottfried Bangerter – Industrieller Aufbruch in Bern
    Pionier des Monats | Januar 2023 über
    Band 115, Gottfried Bangerter. Die Energie der Berner Industrialisierung, von Walter Thut

    Gottfried Bangerter – Industrieller Aufbruch in Bern

    Gottfried Bangerter (1847–1923) gehörte zu den grossen Industriepionieren des Kantons Bern. Als die Industrialisierung in Bern – mit einigen Jahrzehnten Verspätung – um 1890 an Fahrt gewann, stand er bereit, um mit bereits reicher industrieller Erfahrung und unbändigem Tatendrang auf den Zug der Industrialisierung aufzuspringen und selber nach Kräften am Fortschritt mitzuwirken. Seine Biographie zeigt die Bedeutung der wirtschaftlichen-politischen Vernetzung sowie neuer Industriebereiche, insbesondere der Energiewirtschaft.

     

    Familie in Lyss

    Gottfried Bangerter wurde in Lyss (BE) als ältestes von zwölf Kindern geboren. Sein Vater, Johannes Bangerter (1823–1909), war Mühlenbauer und gründete in den 1870er Jahren ein Kieswerk mit einem angegliederten Werk zur Herstellung von Ziegeln, Backsteinen und Betonprodukten. Nach der Primarschule in Lyss besuchte Gottfried Bangerter die Sekundarschule in Le Locle, später machte er eine kaufmännische Lehre in einer Textilfirma in Basel.

    Textilfirma in Langenthal

    1871 zog Gottfried Bangerter nach Langenthal, wo er zusammen mit Samuel Gottlieb Stettler (1844–1931) eine Textilfirma übernahm. Er vermittelte die Garne aus heimischer Spinnerei an Berufs- oder Gelegenheitsweber und setzte die damit hergestellten Tuche wieder ab. Trotz alteingesessener Konkurrenz florierte das Textilunternehmen Stettler & Bangerter über viele Jahre hinweg.

    Aufbau eines Netzwerkes

    Parallel zum Aufbau des Textilunternehmens verlief Bangerters Einstieg in die Politik: 1871 wurde er «Cassier» des örtlichen Vereins für Handel und Industrie. 1875 wählten ihn die Stimmbürger zum Gemeinderat und nur zwei Jahre später nahm er im bernischen Grossen Rat Einsitz. Offenbar liefen die Geschäfte so gut, dass Bangerter 1883 zusammen mit seinem Bruder Arnold das väterliche Kieswerk in Lyss übernahm. Die operative Leitung überliess er aber seinem Bruder, was ihm den Verbleib in Langenthal ermöglichte.

    Ein Gründer in der Gründerzeit

    Die Zeit zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg wird mit Blick auf die bernische Wirtschaft die «Gründerzeit» genannt und Gottfried Bangerter war einer ihrer Vertreter. Er beteiligte sich in dieser Zeit bei einem halben Dutzend Firmengründungen und stieg als Verwaltungsrat in bei nochmals so vielen Unternehmen ein. Die ersten beiden Gründungen waren dabei die wichtigsten.

    Neue Technologien: Gas und Strom

    1893 gründete er mit Freunden die «Kohlensäurefabrik Bern A.-G.», die später zur Carbagas wurde. Damit beteiligte er sich in einer höchst dynamischen und profitablen Branche: denn die Gasindustrie war für die aufkommende Industrie von grösster Bedeutung. Noch bedeutender und gar das Merkmal jener Phase der Industrialisierung war die Elektrizität. 1895 beteiligte sich Bangerter am Elektrizitätswerk Wynau, das quasi vor der Haustür Langenthals das erste Flusskraftwerk der Schweiz baute.

    Profiverwaltungsrat und Nationalrat

    Sein Engagement führte Bangerter an die Spitze der bernischen Wirtschaft. Ausdruck davon war die Wahl in den Nationalrat, dem er von 1890 bis 1902 angehörte. Daraufhin verlegte er auch seinen Wohnsitz von Langenthal nach Bern. Sein Arbeitsschwerpunkt blieben aber die zahlreichen Mandate in den unterschiedlichsten Unternehmen, während er im Nationalrat eher ein stiller Schaffer war.

    Das Wort Ruhestand kannte Gottfried Bangerter nicht. Noch im 77. Lebensjahr sass er täglich am Arbeitstisch, bis er am 29. Juli 1923 völlig überraschend verstarb.

  • Michael Kohn – Der Energiepapst
    Pionier des Monats | Dezember 2022 über
    Band 117, Der Energiepapst. Wirken, Werk und Werte von Michael Kohn, von Karl Lüönd

    Michael Kohn – Der Energiepapst

    «Kraftwerke zu bauen war in diesen Zeiten eine vaterländische Mission», schilderte Michael Kohn (1925–2018) rückblickend die 1950er Jahre. Pragmatisch wurde der Bau von Pumpspeicherkraftwerken und später von Kernkraftwerken angegangen. Kohn erlebte aber auch die Anti-AKW-Bewegung mit beruflichen Niederlagen und persönlichen Anfeindungen. – Eine spannende und lehrreiche Biographie in Zeiten, in denen Energiemangellage zum Wort des Jahres gekürt wird, der Atomausstieg beschlossene Sache ist und die EU die Kernenergie trotzdem als nachhaltig einstuft.

     

    Materialwissenschaften und Staumauern

    Michael Kohn studierte nach dem Gymnasium in Zürich Bauingenieur an der ETH. Im Anschluss daran fand er eine Stelle bei der Empa, wo er sich mit der Statik von Ziegelsteinen und Beton befasste. Der Bau von Staudämmen und Staumauern boomte, was für Kohn anspruchsvolle und vielseitige Arbeitsaufträge bedeutete. Einer war die Prüfung der Konstruktionspläne für die Zervreila-Staumauer, die ihn mit der Firma Motor-Columbus in Kontakt brachte. Diese warb ihn kurzerhand ab, um ihn in der Bauleitung des Zervreila-Projekts zu engagieren.

    Motor-Columbus und die Atomenergie

    Ab 1964 gab es bei Motor-Columbus eine Abteilung für Atomenergie. Damals wurde die Kernkraft als die neue, umweltschonende und wahrhaft moderne Energiequelle wahrgenommen. Es war Michael Kohn, der im Verwaltungsrat darauf drängte, keine Zeit und damit womöglich den Anschluss an die Konkurrenz zu verlieren. Zur wichtigsten Frage wurde neben der Wahl des Reaktortyps die Klärung des Standorts. Dabei konnte man auf die lokale Unterstützung zählen, wie es sich etwa in Beznau zeigte, wo die Konkurrentin Nordostschweizerische Kraftwerke NOK (heutige Axpo) ein Kernkraftwerk plante. Der zuständige Gemeinderat von Döttingen zeigte sich nämlich hocherfreut darüber, als Standort für die erste Anlage dieser Art in der Schweiz ausersehen zu sein.

    Das Fiasko Kaiseraugst

    Im Frühjahr 1966 stellte Motor-Columbus sein Kernkraftprojekt in Kaiseraugst der Öffentlichkeit vor. Dabei notierte Michael Kohn: Die Stimmung war uns wohlwollend geneigt, und man darf wohl sagen, dass wir politisch gelandet sind.» In der Tat hiess die Bevölkerung in mehreren Abstimmungen das Projekt gut. Doch kippte die Stimmung in den folgenden Jahren. Es kam zu öffentlichen Protesten, Besetzungen und sogar zu einem Brandanschlag auf den Informationspavillon. Gleichzeitig verzögerten und verteuerten technische Gutachten das Projekt. Schliesslich bedeutete die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 das definitive Aus für Kaiseraugst.

    Gösgen: der erfolgreiche «Plan B»

    Während das geplante AKW Kaiseraugst vom Hoffnungsträger zum Problemfall mutierte, wurde nicht weit davon ein Projekt vorangebracht, das eigentlich als «Plan B» für Kaiseraugst gedacht war. Dank besserer Öffentlichkeitsarbeit und einer pragmatischen Standort- und Energiepolitik entwickelten sich im solothurnischen Gösgen die Dinge ganz anders. 1966 begann Motor-Columbus mit den Planungsarbeiten. Michael Kohn engagierte sich als Leiter der Atomabteilung vor allem auch in der Information der Bevölkerung.

    Breite Unterstützung führt zum Erfolg

    Ein entscheidender Unterschied zu Kaiseraugst war, dass von Beginn weg die Trägerschaft stark in der Region verwurzelt war. Unter anderem wurde die Gewinnverteilung aus den künftigen Steuereinnahmen grosszügig auf zahlreiche Gemeinden festgelegt. Auch die Solothurner Regierung und mit ihr der pragmatische SP-Regierungsrat und spätere Bundesrat Willi Ritschard standen hinter dem Projekt. Schliesslich konnte nach einer Bauzeit von 1973 bis 1978, das Kernkraftwerk Gösgen Ende 1979 in Betrieb genommen werden.

  • Aufbruch zum modernen St. Gallen – vier Wegbereiter
    Pionier des Monats und Neuerscheinung | November 2022 über
    Band 121, Aufbruch zum modernen St. Gallen. Vier Wegbereiter, von Fabian Henggeler, Alfonso C. Hophan, Stefan Gemperli, Wolfgang Göldi, Joseph Jung, Patric Schnitzer

    Aufbruch zum modernen St. Gallen – vier Wegbereiter

    Gallus Jakob Baumgartner, Johann Matthias Hungerbühler, Daniel Wirth-Sand und Arnold Otto Aepli haben die Geschicke des jungen Kantons St. Gallen geprägt: Sie übernahmen in stürmischen Zeiten Verantwortung für Staat und Gesellschaft, ihre modernen Unternehmen brachten Wohlstand, ihre Eisenbahnprojekte waren visionär. Doch Aufbruch, Durchbruch, Abbruch und Rückschlag lagen nahe beieinander.

    Der Fortschritt kommt auf der Schiene

    Die Geschichte des Kantons St. Gallen war im 19. Jahrhundert geprägt von wirtschaftlichem Fortschritt und politischen Gegensätzen. Die vier Pioniere veranschaulichen das beispielhaft.  Als langjährige Grossräte, Regierungsmitglieder und eidgenössische Parlamentarier sorgten sie für die gesetzlichen Grundlagen und Infrastrukturen des Fortschritts. Den politischen Tatendrang kombinierten sie mit privatwirtschaftlicher Schaffenskraft – dank ihnen fuhr 1856 der erste Zug in St. Gallen ein. Zudem gründeten sie Handelshäuser, Banken und Ver-sicherungen und engagierten sich in sozialen Institutionen.

    Politische Gegensätze: konservativ, liberal und radikal

    Ihrem gemeinsamen Streben nach Fortschritt standen unterschiedliche gesellschaftspolitische Positionen entgegen. Denn die vier Pioniere verkörpern die verschiedenen Lager, die sich im 19. Jahrhundert im Kanton St. Gallen, aber auch schweizweit gegenüberstanden. Hier die Radikalen und Liberalen, dort die Konservativen.

    Baumgartner: Infrastrukturpolitiker und Regent des Kantons

    Gallus Jakob Baumgartner (1797–1869) war die dominierende Figur in der St. Galler Regierung nach 1831. Bereits in jenen Jahren entwarf er Pläne für eine alpenquerende Schienenverbindung. Damit war er seiner Zeit voraus. Gleichwohl trieb er den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und die Erschliessung der Regionen erfolgreich voran. Nachhaltig waren zudem seine Innovationen im Bereich des Staatsrechts und des Bildungswesens.

    Hungerbühler: liberaler Eisenbahnpolitiker mit Gemeinsinn

    Dass 1852 die eidgenössischen Räte den privaten Eisenbahnbau befürworteten, war massgeblich das Verdienst von Johann Matthias Hungerbühler (1805–1884); ebenso, dass bereits ein halbes Jahr später die St. Gallisch-Appenzellische Eisenbahngesellschaft gegründet werden konnte. Als Regierungsrat setzte Hungerbühler zahlreiche Strassen- und Wasserbauprojekte um, die der Wirtschaft kräftige Impulse gaben und auch armen Regionen bescheidenen Wohlstand brachten.

    Wirth-Sand: Kämpfer für eine Ostalpenbahn

    Im Jahr 1856 wurde die St. Gallisch-Appenzellische Eisenbahn in die neugegründeten Vereinigten Schweizerbahnen integriert. Mit ihr trat Daniel Wirth-Sand (1815–1901) an die Spitze der Ostschweizer Eisenbahnen. Zwar vermochte er das Eisenbahnnetz auszubauen und die Vereinigten Schweizerbahnen zu stärken. Doch seine Amtszeit war geprägt von finanziellen Herausforderungen und vor allem vom Versuch, eine Ostalpenbahn zu errichten. Darin scheiterte er – zusammen mit den anderen St. Galler Pionieren spektakulär.

    Aepli: der Mann der Mitte

    Auch Arnold Otto Aepli (1816–1897) beschäftigte sich mit der eisenbahntechnischen Erschliessung der Ostschweiz. Doch profilierte er sich in erster Linie nicht als Wirtschaftsführer. Seine Juristenlaufbahn führte ihn 1862 ins Präsidium des Bundesgerichts. Zugleich gehörte er dem Ständerat und der St. Galler Kantonsregierung an. Später wurde er Eidgenössischer Kommissär in Grenzkonflikten, liberaler Vermittler von Kirche und Staat, dann sogar Gesandter der Schweiz in Wien.

  • Guillaume Henri Dufour – Einigkeit, Freiheit, Menschlichkeit
    Pionier des Monats und Neuerscheinung | Oktober 2022 über
    Band 120, Einigkeit, Freiheit, Menschlichkeit. Guillaume Henri Dufour als General, Ingenieur, Kartograf und Politiker, von Michael Arnold, Georges Bindschedler, Clemens Fässler, Hans-Uli Feldmann, Joseph Jung, Christoph A. Schaltegger, Peter Candidus Stocker, Thomas M. Studer, Walter Troxler, Ulrich F. Zwygart

    Guillaume Henri Dufour – Einigkeit, Freiheit, Menschlichkeit

    Die Schweiz wurde zu Lebzeiten Guillaume Henri Dufours (1787–1875) vom maroden Staatenbund vor 1798 zum modernen Bundesstaat nach 1848, vom Armenhaus Europas zu einer aufstrebenden Wirtschaftsnation. Dabei gibt es wohl niemanden, der diese bewegte und bedeutende Zeit in solchem Masse aktiv mitgestaltete und prägte wie Guillaume Henri Dufour.

    Zwischen Revolution und Freiheit: Als Franzose für Napoleon

    Grosse Umbrüche und einschneidende Ereignisse prägten zu Lebzeiten Guillaume Henri Dufours (1787–1875) die Schweizer Geschichte. Bereits seine Geburt 1787 fand im Zeichen des Umbruchs statt. Er wurde in Konstanz geboren, wohin seine Eltern nach einem Umsturz in Genf via Irland emigriert waren. 1798, Dufour war elfjährig, marschierten die Franzosen in Genf ein und beendeten die Zeit des Ancien Régime. Während der Napoleonischen Herrschaft über die Schweiz studierte Dufour an den Militärakademien in Paris und Metz, bevor er als Offizier der französischen Armee nach Korfu abkommandiert wurde.

    Als Genfer im Staatenbund: für die Einigkeit der Eidgenossenschaft

    Die Verbannung Napoleons 1815 liess Dufour definitiv nach Genf zurückkehren. In der Folge erlebte er als Grossrat und Tagsatzungsgesandter die politischen Spannungen und Umstürze während der Restauration ab 1815 und der Regeneration ab 1830 mit. Auch der wirtschaftliche und technische Fortschritt sowie das aufkeimende Nationalbewusstsein in der Schweiz spiegeln sich in seiner Biografie: Dufour war Ingenieur von Brücken und beteiligte sich am Bau von Eisenbahnlinien. Als Kommandant der Militärschule in Thun lancierte er die Schaffung einer Schweizer Fahne. Und sein persönlicher Höhepunkt war gleichzeitig die entscheidende Wende auf dem Weg zur modernen Schweiz: Seine Glanzleistung im Sonderbundskrieg 1847 machte ihn zu einer prägenden Figur der Schweizer Geschichte.

    Nach der Bundesstaatsgründung: Als Schweizer für die Menschlichkeit

    Auch nach der Bundesstaatsgründung 1848 blieb Dufour mit der Entwicklung der Schweiz verbunden. Sein Lebenswerk, die zwischen 1832 und 1864 erstellte Dufourkarte, symbolisiert die Einigung der Schweiz, die es nach der gesellschaftlichen Spaltung in den 1840er Jahren und durch den Sonderbundskrieg zu erreichen galt. 1849, 1856 und 1859, in Zeiten äusserer Bedrohung, wurde Dufour erneut zum Oberbefehlshaber der Schweizer Armee gewählt, jederzeit bereit, die Neutralität und Unabhängigkeit der jungen Schweiz mit Waffen zu verteidigen. Verschiedentlich traf man ihn auch bei Napoleon III. in Paris in Sondermission, und so wurde Dufour Teil der schweizerischen Diplomatie. Schliesslich beteiligte er sich 1863 an der Gründung des IKRK, dessen humanitäres und neutrales Engagement zum Selbstverständnis schweizerischer Aussenpolitik werden sollte.

     

  • Rudolf Schnorf-Hauser – Dünger aus Uetikon
    Pionier des Monats | August 2022 über
    Band 112, Familie Schnorf & die Schwefelsäure. Chemische Grossindustrie im kleinen Uetikon, von Matthias Wiesmann

    Rudolf Schnorf-Hauser – Dünger aus Uetikon

    Kunstdünger ist wieder vermehrt ein mediales Thema. Unterbrochene Handelsströme und die Verteuerung der Energie seit Ausbruch des Ukraine-Krieges sowie die anhaltende Trockenheit haben zu Lieferengpässen und steigenden Preisen geführt. Kunstdünger aber ist von grundlegender Wichtigkeit für die weltweite Ernährung. Ohne die Entwicklung von Kunstdünger wäre das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum seit dem 19. Jahrhundert unmöglich gewesen. Vom Düngemittelboom profitierte auch die Chemischen Fabrik Uetikon, die unter Rudolf Schnorf-Hauser (1815–1894) um 1880 in die Düngemittelproduktion einstieg.

     

    Ausbildung und Wanderjahre

    Ursprünglich schwebte Rudolf Schnorf-Hauser (1815–1894) eine Tätigkeit in der Zürcher Seidenindustrie vor. Aber schon früh stieg er in die Firma seines Vaters Rudolf Schnorf-Trudel (1788–1850) ein, der 1818 zusammen mit seinem Bruder Heinrich Schnorf-Schuppisser (1785–1846) in Uetikon am Zürichsee eine Schwefelsäurefabrik gründete. Ab 1833 besuchte Rudolf Schnorf-Hauser Chemievorlesungen an der Universität Zürich und half weiterhin in der Fabrik. Nebenbei amtete er während zwei Jahren als Gemeindeschreiber von Uetikon. Nach drei Jahren Studium sandten ihn seine Eltern ins Ausland, um sein Wissen zu erweitern. So wanderte er zunächst nach Paris, wo er in der Apotheke Robiqué, Boix & Peltier eingestellt wurde und einen bescheidenen Lohn erhielt. Damit finanzierte er sich die Reise nach London, Gent, Brüssel, Waterloo, Lille bis zurück nach Paris. Es gelang ihm aber nicht, in den chemischen Fabriken von Javel Arbeit zu finden, sodass er Ende 1837 nach Uetikon zurückkehrte.

    Fabrikleiter und Alleininhaber

    Zurück in Uetikon übernahm Rudolf Schnorf-Hauser die Leitung der Firma und begann sogleich, die neue Soda-Produktion auszubauen. Ab 1851 war er Alleininhaber und verhalf der Firma dank mutigen Investitionen zu einem entscheidenden Wachstum. Während in den 1850er Jahren praktisch alle übrigen Soda- und Schwefelsäureproduzenten in der Schweiz zu Grunde gingen, erzielten die «Gebrüder Schnorf» bei den in der Schweiz produzierten Chemikalien einen Marktanteil von 70 Prozent.

    Dünger als erspriessliches Geschäft

    Weitere Innovationen in neue Produktionsverfahren liessen die «Gebrüder Schnorf» zu einer der modernsten Chemiefabriken Europas werden. Diese «gute Zeit» verzögerte auch den Einstieg in Produktion von Dünger. Denn als in den 1860er Jahren die ersten Düngemittelfabriken in der Schweiz entstanden, profitierten die Uetiker von der damit verbundenen Nachfrage nach Schwefelsäure. Doch nachdem andere Expansionsvorhaben scheiterten, richtete man auch in Uetikon eine eigene Düngemittelsparte ein, die sogleich florierte. Der Dünger wurde zum zweiten Standbein der «Gebrüder Schnorf» und zeitweise zum meistverkauften Produkt.

    Die Söhne übernehmen das Geschäft

    1889 übernahmen die Söhne Rudolf Schnorf (1843–1918) und Albert Schnorf-Flury (1846–1919) die Fabrik von ihrem Vater, nachdem sie schon seit den 1860er Jahren als technische beziehungsweise kaufmännische Leiter tätig waren. Sie führten das Düngergeschäft weiter, das trotz einer Stagnation in den 1890er Jahren um 1900 einen Viertel des schweizerischen Marktes ausmachte. Auch in den kommenden Jahrzehnten blieb die Düngemittelproduktion krisenresistent. Mit dem Verkauf des Stammareals in Uetikon beendete die Chemische Fabrik Uetikon als letzte Schweizer Produzentin die Herstellung von Dünger.

  • Heinrich Fueter – Produzent, Unternehmer, Filmpionier
    Pionier des Monats | Mai 2022 über
    Band 95, Heinrich Fueter – Produzent, Unternehmer, Filmpionier von Eduard R. Fueter

    Heinrich Fueter – Produzent, Unternehmer, Filmpionier

    Das Filmgeschäft ist einerseits ein Milliardenbusiness, wie sich dieser Tage wiederum am «Festival de Cannes» zeigt, das andererseits auf staatliche Förderung angewiesen ist, wie vergangenes Wochenende eine Mehrheit des Schweizer Stimmvolkes bestätigte. Kunst und Kommerz im Filmgeschäft müssen sich aber nicht widersprechen, wie das Beispiel von Heinrich Fueter (1911–1979) zeigt. Mit seinen Auftragsfilmen besetzte er eine Marktlücke und prägte das Filmschaffen über die Landesgrenzen hinaus.

     

    Heinrich Leonhard Fueter erblickte am 17. Februar 1911 als Sohn der Jenny Weber und des bekannten Historikers und NZZ-Redaktors Eduard Fueter in Zürich das Licht der Welt. Nach der Scheidung und der Verheiratung seiner Mutter mit dem Schriftsteller und Literaturprofessor Robert Faesi wuchs Heinrich Fueter im «Rebgüetli» in Zollikon auf. Die Schulen besuchte er wegen seines Asthmas teilweise in St. Moritz, dann in Zürich und schliesslich in Trogen (AR).

    Studium und erste Schritte im Filmbusiness

    Nach der Matura wandte sich Heinrich Fueter zunächst dem Studium der Literatur und Musik zu, ganz nach seinen persönlichen Neigungen. Ab 1931 studierte er aber Rechtswissenschaft an den Universitäten Zürich und Paris. Zur Finanzierung des Studiums spielte er mit zwei Freunden in verschiedenen Bars und Nachtclubs Klavier. Auch arbeitete er später als Skilehrer, Sekretär des Hottinger Lesezirkels und Journalist bei verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften.

    Produktionsleiter bei «Füsilier Wipf»

    Das Filmhandwerk lernte Heinrich Fueter schliesslich beim berühmten Regisseur Lazar Wechsler und seiner «Praesens-Film». Als Produktionsleiter trug Fueter umfassende Verantwortung über die Dreharbeiten und deren Vorarbeiten. Er war dieser Aufgabe gewachsen, wie der Erfolg des Films bestätigen sollte.

    Landi 1939, die Sektion «Heer und Haus» und seine Hochzeit

    Während der Landesausstellung fungierte Heinrich Fueter als Koordinationschef für sämtliche kulturellen Veranstaltungen und organisierte die Eröffnungs- und Schlussfeiern, die Wehrvorführungen, die Kantonaltage oder das eidgenössische Trachtenfest. Im selben Jahr wurde ihm auch die Leitung des Unterhaltungsdienstes der Sektion «Heer und Haus» übertragen, die mittels entsprechender Vorträge, Aufführungen, Film- und Radiovorführungen ein wichtiges Werkzeug der Geistigen Landesverteidigung war. Mitten in diese Zeit fiel seine Hochzeit mit der später bekannten Schauspielerin Anne-Marie Blanc am 8. März 1940.

    Durchbruch mit der Condor-Film AG

    Nach dem Zweiten Weltkrieg standen die Filmproduzenten vor dem Problem der Finanzierung. Denn die staatliche Filmunterstützung aus den Kriegsjahren fiel dahin. Heinrich Fueter erkannte im Auftragsfilm eine Marktlücke und gründete 1946 seine eigene Firma, die er ein Jahr später in die Condor-Film AG umwandelte.

    Nationale und internationale Anerkennung

    Bereits 1948 beauftragten die BBC-TV und NBS USA die Condor mit der Herstellung von täglichen Reportagen über die Olympischen Winterspiele in St. Moritz. Von da an ging es auf der Basis von Auftragsfilmen stetig bergauf. Von Georg Fischer über J. R. Geigy bis zu Wild Heerbrugg: fast alle grösseren Schweizer Firmen beauftragten Fueter mit Filmproduktionen. Neben diesen Werbe-, Schulungs- und Produktfilmen drehte Fueter immer wieder auch Fernsehfilme, die mehrfach national und international ausgezeichnet wurden.

    Kaufmann und Künstler

    Heinrich Fueter baute die Condor Film AG zu einem erfolgreichen Unternehmen auf. Auftragsfilm und Spielfilm standen für ihn nicht in Konkurrenz zueinander, sondern als Ergänzung. Mit den Auftragsfilmen sicherte er sich die ökonomische Basis und Unabhängigkeit für Spielfilme, gleichzeitig sah er auch im Auftragsfilm ein Kunstwerk. Weit über 1000 Filme produzierte er dank dieser einzigartigen Symbiose, bevor er am 13. Oktober 1979 in der Zürcher Altstadt infolge eines Herzinfarktes verstarb.

  • Antoine-Henri Jomini – Begründer der Logistiklehre
    Pionier des Monats | April 2022 über
    Band 107, Bei Kaisern und Königen. Waffentechniker und Strategen von Weltruf, von Hans R. Degen

    Antoine-Henri Jomini – Begründer der Logistiklehre

    Aufgrund des gegenwärtigen Weltgeschehens, sowohl der Corona-Pandemie als auch dem Krieg in der Ukraine, gewinnen Fragen der Logistik an Aktualität. Damit werden die Erinnerungen an den Begründer der Logistiklehre, den gebürtigen Waadtländer Antoine-Henri Jomini (1779–1869) wach. Er entwickelte seine Logistiklehre zwar ursprünglich für den Krieg, aber ihre Wichtigkeit wurde bald auch für das zivile Leben erkannt, und so ist sie zum festen Bestandteil der Wirtschaftswissenschaften geworden.

    Privatschule und Banklehre

    Antoine-Henri Jomini kam am 6. März 1779 in Payerne zur Welt. Er wuchs mit vier Geschwistern in begüterten Verhältnissen auf. Im Alter von 14 Jahren wurde er von seinem Vater zum Erlernen der deutschen Sprache und des Handelswesens nach Aarau in die Privatschule Rahn gesendet. Danach durchlief er eine Banklehre beim Institut Preiswerk in Basel. Nach Abschluss der Lehre reiste Jomini nach Paris, wo er zuerst in einem Unternehmen für Armeeausrüstungen namens Delpont arbeitete und danach bei der Bank Mosselmann eine Stelle antrat.

    Erste logistische Arbeiten

    Nach der Proklamation der Helvetik kehrte Jomini in die Heimat zurück und erhielt 1798 eine Anstellung als «Sekretär» und später als Adjunkt des Kriegsministers. In diesem Amt verfasste er zahlreiche Reglemente nach französischem Vorbild, wobei damals schon seine systematischen Überlegungen und die spezielle Betrachtung logistischer Grundsätze ihren ersten Niederschlag fanden.

    Karriere in drei Armeen

    In der helvetischen Armee wurde Jomini zum Hauptmann befördert, ehe er 1801 zurücktrat. Er ging nach Paris, wo er schliesslich mit seinen theoretischen Schriften über militärische Taktik die Gunst Napoleons erwarb. In der Folge diente Jomini für Frankreich, zuletzt im Rang eines Brigadegenerals. Grosse Verdienste erwarb er sich insbesondere während des Russlandfeldzugs, als er den Übergang über die Beresina rekognoszierte und so den Rückzug der französischen Armee erleichterte. Differenzen mit seinen Vorgesetzten bewegten ihn 1813 zur Demission. Jomini nahm das Angebot des russischen Zaren an und wechselte die Seiten.

    Vater der Logistiklehre

    Nach den napoleonischen Kriegen beschäftigte sich Jomini mit theoretischen Fragen und gründete die russische Militärakademie. In seinem Werk «Précis de l’art de la guerre» von 1837 hat er den Begriff der Logistik weiterentwickelt und erstmals wissenschaftlich begründet. Er sah in der Logistik nicht mehr nur die Versorgung der Truppen, sondern alle Massnahmen, die sich auf die Bewegungen der Armeen und auf die sich daraus ergebenden Handlungen erstrecken. Damit hat er nicht nur den Logistikbegriff geschaffen, sondern auch die Logistiklehre begründet.

    Antoine-Henri Jomini verstarb am 22. März 1869 in Passy bei Paris.

    Die zivile Logistik heute

    Der Begriff der Logistik ist aus der Wirtschaftswissenschaft heute nicht mehr wegzudenken. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde er aber fast nur für militärische Zwecke verwendet und auf den Transport und die Lagerung der Güter reduziert. Seit den 1970er Jahren wurde der Begriff «Logistik» in der Betriebswirtschaft allgemein gebräuchlich. Zugleich fand auch, ganz im Sinne von Jominis Erkenntnissen, die Ausweitung des Logistikbegriffs statt. Nach aktuellem Verständnis umfasst Logistik neben Transport, Umschlag und Lagerung die Bewirtschaftung der ganzen Wertschöpfungskette, sogar über das einzelne Unternehmen hinaus.

  • Ernst Rudolf Leo Bindschedler – Unkonventioneller Diplomat
    Pionier des Monats | März 2022 über
    Band 105, Die Bindschedlers. Bürgersinn, Wagemut, Innovation, von Judith Burgdorfer und Karl Lüönd

    Ernst Rudolf Leo Bindschedler – Unkonventioneller Diplomat

    Ernst Rudolf Leo Bindschedler – Unkonventioneller Diplomat

    Die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und die Gefahr bei deren Scheitern werden uns in diesen Tagen so bewusst wie schon lange nicht mehr. Auch die Rolle der Schweiz steht einmal mehr im Zentrum der Diskussionen. Mit Ernst Rudolf Leo Bindschedler (1915–1991) porträtieren wir einen führenden Völkerrechtsprofessor der Nachkriegszeit, einen Berater von fünf Bundesräten und eine international angesehene Autorität auf seinem Gebiet, der vor rund 50 Jahren bei der Schaffung jener «Sicherheitsarchitektur» Europas mitgewirkt hat, die gerade mutwillig angegriffen wird.

    Jugendzeit

    Ernst Rudolf Leo Bindschedler, genannt Rudolf Bindschedler, wurde am 8. Juli 1915 in Zürich geboren. Nach der Maturität studierte er an den Universitäten Zürich und Paris Jurisprudenz. Danach arbeitete er ein Jahr am Zürcher Bezirksgericht. Seit seiner Jugend war Rudolf Bindschedler ein geübter Reiter und so lag es nahe, dass er bei der Kavallerie diente. Als Kavallerieoffizier erlebte er den ganzen Aktivdienst mit.

    Karriere als Diplomat und Wissenschaftler

    Im Jahre 1943 bewarb er sich erfolgreich beim Eidgenössischen Politischen Departement (heute EDA), wo er ab 1950 den Rechtsdienst leitete. Im selben Jahr begann auch seine Lehrtätigkeit an der Universität Bern, wobei seine Spezialvorlesung das Kriegs- und Neutralitätsrecht behandelte. So konnte er auf wissenschaftlicher und diplomatischer Ebene Kriegs- und Neutralitätsrecht verfolgen und mitgestalten. Er trug wesentlich dazu bei, dass die Schweiz im Kalten Krieg als neutrale, vermittelnde Kraft wahr- und ernstgenommen wurde.

    Der atypische Beamte

    Rudolf Bindschedler hatte immer eine klare Meinung und äusserte sie zuweilen auch gar nicht diplomatisch. Seine Unabhängigkeit wurzelte in seiner Herkunft und der soliden Ausbildung, aber auch in seiner Bodenständigkeit. Er wurde manchmal als Störenfried unter den Diplomaten empfunden, denn er liess sich von der opportunistischen Geschäftigkeit in Bundesbern nicht ablenken.

    Rechtsberater von fünf Bundesräten

    Im Jahre 1961 wurde Rudolf Bindschedler von seinem langjährigen Chef, Bundesrat Max Petitpierre, zum völkerrechtlichen Rechtsberater ernannt. In dieser Funktion diente Rudolf Bindschedler fünf Bundesräten während zwanzig Jahren. Er vertrat mit Überzeugung die spätere Maxime der schweizerischen Aussenpolitik: aktive Teilnahme der Schweiz an der internationalen Zusammenarbeit und Pflege der friedlichen Konfliktregelung vor allem durch internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Eine internationale Anerkennung erfuhr er mit der Wahl in den internationalen Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag.

    Delegationsleiter in Helsinki

    Den Höhepunkt seiner Karriere bildete die Leitung der schweizerischen Delegation an der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE, Vorgängerinstitution der OSZE) in Helsinki. Zwischen der Eröffnung der Konferenz 1973 und der Unterzeichnung der Schlussakte 1975 fanden die Verhandlungen in Genf statt. Delegationsleiter Bindschedler sah sich nun in der Rolle des Gastgebers mit entsprechendem Einfluss. Er nutzte den «Heimvorteil» und brachte seine Ideen zur friedlichen Streitschlichtung und anderen Themen aktiv ein, was andere Delegationen mit Befremden zur Kenntnis nahmen.

    Auch wenn Rudolf Bindschedler bisweilen unbequem war, so waren seine Berichte «immer Ausfluss einer sachlichen Überzeugung, die ihren Massstab an der wissenschaftlichen Strenge nahm», wie es Bundesrat Willy Spühler anlässlich des Rücktritts von Bindschedler 1980 formulierte. Rudolf Bindschedler verstarb am 24. März 1991 in Bern.

  • Albert Benteli – Erfolgreicher Tüftler von Leuchtfarben und Klebstoffen
    Pionier des Monats | Januar 2022 über
    Band 111, Band Merz & Benteli. Mit Leuchten, Kleben und Dichten Geschichte gemacht, von Walter Thut

    Albert Benteli – Erfolgreicher Tüftler von Leuchtfarben und Klebstoffen

    Albert Benteli – Erfolgreicher Tüftler von Leuchtfarben und Klebstoffen

    Das Fach Chemie war noch jung, als sich Albert Benteli 1913 an der Universität Bern dafür einschrieb. Neue Stoffe und Verfahren waren noch zu entdecken, und Albert Benteli schickte sich mit seinem Studienkollegen Walter Merz an, auf diesem Gebiet aktiv zu werden. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden radioaktive Leuchtfarben, der Klebstoff Cementit und die bis heute erfolgreiche Merz + Benteli AG.

    Tüfteln im Schlosskeller

    Albert Benteli (1893–1955) wuchs in gut situierten Verhältnissen in Bern Bümpliz auf. Sein Vater Albert Benteli (1867–1944) erwarb 1906 das Areal des Neuen Schlosses, um es in mustergültiger Weise umzubauen. Doch es kam anders. Nachdem sich sein Sohn 1913 dem Studium der Chemie widmete, richtete dieser zusammen mit seinem Studienkollegen Walter Merz (1893–1966) im Tiefparterre des Schlosses Bümpliz ein kleines Labor ein, das sich nach einigen Jahren über zahlreiche Räume und Gebäude auf dem Schlossareal erstreckte. Besonders fasziniert waren die beiden Studenten vom radioaktiven Element Radium. Mit ihm liessen sich in der Herstellung von Leuchtfarben völlig neue Wege beschreiten.

    Unternehmensgründung während des Studiums

    Im März 1918 liessen Walter Merz und Albert Benteli ihr Verfahren zur Herstellung von Leuchtfarben patentieren. Und kurz darauf gründeten sie die «Kollektivgesellschaft Chemisches Laboratorium in Bern-Bümpliz», ein nach heutigem Sprachgebrauch klassisches Startup-Unternehmen. Albert Benteli stand fortan, und wohl schon davor, weit öfters im heimischen Labor als an der Universität. Und so verzögerte sich sein Studienabschluss bis 1925.

    Leuchtstoffe für die Uhrenindustrie …

    Die Leuchtstoffe von Merz & Benteli wurden in erster Linie an Uhrenhersteller verkauft, die solche Farben gerne auf Zifferblättern und Zeigern verwendeten. Bald war die Qualität der Produkte aus Bümpliz weitherum bekannt und Uhrenfirmen wie Omega, Zenith und Longines zählten zu den regelmässigen Kunden. Während die Verkaufszahlen sich positiv entwickelten, bildete der Einkauf von Radium einige Schwierigkeiten, vor allem in den Jahren des Zweiten Weltkriegs. Da waren gute persönliche Kontakte ins Ausland erforderlich, um das Material notfalls auch nicht ganz legal zu importieren.

    … und ein Universalkleber

    In der Wirtschaftskrise der 1920er Jahre begannen Merz & Benteli mit Klebstoffen zu experimentieren. Einerseits wollte man die Produktion diversifizieren, andererseits eigneten sich die bisherigen Klebstoffe nicht wirklich, um Leuchtstoffe in Uhrengehäusen zu fixieren. Denn sie bestanden aus Knochenleim, Fischkleister oder Weizenstärke, alterten deshalb rasch und waren nicht feuchtigkeitsresistent. Albert Benteli und sein Team entwickelten einen Kunstharz-Klebstoff, den sie ab 1932 unter dem Namen Cementit verkauften. Dieses «Nebenprodukt» entwickelte sich zu einem wahren Verkaufsschlager und bildete die Grundlage für die Produktion von Kleb- und Dichtstoffen, denen sich die Firma nach dem Zweiten Weltkrieg mehr und mehr widmete.

    Die Gefahren des Radiums

    Radium wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als unbedenklicher, ja gesundheitsfördernder Stoff gehalten. So gab es beispielsweise Radium-Unterwäsche und verschiedene Schönheitsprodukte mit Radium. Auch Albert Benteli pflegte einen sorglosen Umgang mit dem nach späteren Erkenntnissen hochgefährlichen Stoff. Er hatte unter anderem die Angewohnheit, Reagenzgläser mit radioaktivem Material in der Brusttasche seines Labormantels zu tragen. Die dadurch verursachte Verstrahlung von Brust, Hals und Kiefer zerstörte das Gewebe nachhaltig und war äusserst schmerzvoll. Albert Benteli verstarb 1955 mit erst 62 Jahren.

  • Von Händlern, Erfindern und Flugzeugpionieren – ein kursorischer Überblick
    Pionier des Monats | November/Dezember 2021 über
    Verschiedene Pionierbände, von unterschiedlichen Autoren

    Von Händlern, Erfindern und Flugzeugpionieren – ein kursorischer Überblick

    Von Händlern, Erfindern und Flugzeugpionieren – ein kursorischer Überblick

    Der bevorstehende Umzug unseres Buchlagers lädt uns ein, in ältere, aber nicht minder spannende Pionierbände einzutauchen. Einmal mehr tritt die Vielfalt der «Schweizer Pioniere» zu Tage. Sie kümmerten sich als Salzpioniere oder als Linthingenieure um nationale Probleme. Andere waren Präsidenten der Basler Handelsgesellschaft oder als Gründer der Basler Missions-Handlungs-Gesellschaft international orientiert. Wieder andere betätigten sich im technischen Bereich als Erfinder, Konstrukteure oder in der Materialforschung. Schliesslich finden sich unter den folgenden zwölf Porträts auch Eisengiesser, Bauleute, Flugzeugkonstrukteure und sogar ein Filmpionier.

    Band 90: Carl Christian Friedrich Glenck – Der Salzpionier

    Er hat der Schweiz das Salz gebracht: Carl Christian Friedrich Glenck (1779–1845) bohrte auch in der Schweiz nach Salz. Nach diversen Misserfolgen wurde er beinahe zur tragischen Figur, bis er endlich im Baselbiet auf eine ergiebige Salzader stiess. Seine Gründung der Saline Schweizerhalle befreite die Eidgenossenschaft von der Abhängigkeit gegenüber ausländischen Salzlieferanten. Glencks Nachkommen führten das Erbe erfolgreich weiter und engagierten sich für die Gründung der Vereinigten Schweizer Rheinsalinen im Jahr 1909.

     

    Band 82: Herren über wildes Wasser – Die Linthingenieure

    Die hier porträtierten Linthingenieure des 19. Jahrhunderts verstanden sich als Herren über wildes Wasser, als Pioniere des Wasserbaus und mehr noch als Protagonisten des technisch-zivilisatorischen Fortschritts. Sie wollten der Wassergewalt stets neue Grenzen abtrotzen, sie durch Vernunft zähmen und in den Dienst der Menschen stellen. Mit der Linthkorrektur wurde die zerstörerische Kraft der Linth gebannt, weite Sumpfgebiete zu Kulturland gemacht und der Transport vom Glarnerland zum Zürichsee massiv vereinfacht. Gleichzeitig stellte das Linthwerk ein Erfolg des schweizerischen Föderalismus und der sich bildenden Staatlichkeit im frühen 19. Jahrhundert dar.

     

    Band 39: Eduard und Wilhelm Preiswerk und die Basler Handels-Gesellschaft

    Eduard Preiswerk (1829–1895) führte nach einer kaufmännischen Lehre ab dem 1. April 1853 zusammen mit seinem Bruder Carl das väterliche Kolonialwarengeschäft in Basel. Als sein Bruder 1888 aus der Firma ausschied, holte Eduard seine Söhne Wilhelm und Paul ins Geschäft. Eduard Preiswerk war massgeblich beteiligt an der Gründung des Basler Handels- und Industrievereins sowie der Basler Handelskammer 1876. Er war auch politisch tätig, so ab 1867 im Basler Grossen Rat. Auch engagierte sich Eduard Preiswerk bei gemeinnützigen Aufgaben wie der Basler Mission.

     

    Band 87: Salomon und Ulrich Zellweger – Wegbereiter offener Wirtschaftsgrenzen

    Sie waren Freihändler und Pioniere: Salomon Zellweger (1807–1887) und Ulrich Zellweger (1804–1871). Die beiden Brüder aus der renommierten Kaufmannsfamilie stiessen im 19. Jahrhundert mit appenzellischem Eigensinn in neue ökonomische Gebiete vor. Während Ulrich ein früher Verfechter der Globalisierung und des «Fair Trade»-Gedankens war, hat sein Bruder Salomon einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Finanzplatzes geleistet – als Initiator des ersten Schweizer Transportversicherers.

     

    Band 54: Friedrich von Martini – Universeller Erfinder

    Friedrich von Martini (1833–1897) studierte ab 1850 Maschinenbau in Wien, später dann am Polytechnikum in Karlsruhe. Seine Lehr- und Wanderjahre führen ihn auch zur Maschinenfabrik der Gebrüder Sulzer in Winterthur. Danach arbeitete er in der «Maschinenbau-Anstalt» in Frauenfeld als Konstrukteur, bevor er 1863 Mitinhaber wurde. Das Fabrikationsprogramm war geprägt von Eigenentwicklungen von Friedrich von Martini. Unter seinen 17 Patenten stechen ein neuer Gewehrverschluss (Martini-Gewehre), die Papier-Doppelfalzmaschine und die Greiferstickmaschine heraus, mit denen er wirtschaftliche Erfolge feierte und über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde.

     

    Band 58: Jakob und Alfred Amsler – Pioniere der Prüfung und Präzision

    Jakob Amsler (1823–1912) gründete 1854 nach der Erfindung des «Polarplanimeters» (Instrument zur Messung eines Flächeninhaltes auf Landkarten durch einfaches Umfahren der Kontur) eine Werkstatt zur Entwicklung und Produktion von Messinstrumenten in Schaffhausen. Sein Sohn Alfred (1857–1940) trat 1885 als promovierter Maschineningenieur in den väterlichen Betrieb ein und führte ihn rasch zur Blüte, indem er die Messtechnik weiterentwickelte und Materialprüfmaschinen konstruierte. Er leistete damit Pionierarbeit auf dem Gebiet der Werkstoffkunde.

     

    Band 66: Ludwig von Tetmajer Przerwa – Gründer der EMPA

    Ludwig von Tetmajer Przerwa (1850–1905) stammte aus der heutigen Slowakei und besuchte das Schweizerische Polytechnikum, wo er 1872 das Diplom eines Bauingenieurs erhielt. Nach Praktika und Assistenzstellen wurde er am 2. April 1878 kurz nach seiner Habilitation zum ausserordentlichen Professor an der Bau- und Ingenieurschule der ETH berufen. Am 1. Januar 1880 übernahm er die Leitung der Eidgenössischen Anstalt zur Prüfung von Baumaterialien (heute EMPA) und führte sie innert kurzer Zeit zum Erfolg. Ludwig von Tetmajer verstand es mustergültig, Theorie und Praxis im Rahmen der Materialprüfung zu verbinden, was sich in der sogenannten Tetmajerschen Gleichung zur Berechnung der nichtelastischen Knickung widerspiegelt.

     

    Band 40: Johann Jakob Sulzer und Salomon Sulzer – Vom Handwerk zur Maschinenindustrie

    Johann Jakob Sulzer-Neuffert (1782–1853), der Vater der hier porträtierten Pioniere Johann Jakob Sulzer-Hirzel (1806–1883) und Salomon Sulzer-Sulzer (1809–1869), war Drechsler und Messinggiesser. Er schickte seine Söhne auf Wanderschaft, um den damals aufkommenden Eisenguss kennenzulernen. 1834 gründeten sie zu dritt das Unternehmen «Gebrüder Sulzer» in Winterthur. Vater Sulzer blieb beim Messinggiessen, währendem die Söhne in die Eisengiesserei einstiegen und Pumpen, Pressen sowie allerlei Einrichtungen und Apparate für die Textilindustrie herstellten. Damit legten sie den Grundstein zur später weltbekannten Firma Sulzer.

     

    Band 78: Walter Tuchschmid – Vom Holzkochherd zu Stahl-Glas-Konstruktionen

    Walter Tuchschmid (1893–1963) übernahm nach einer Schlosserlehre und einer Metallbauschule mit nur 23 Jahren die Leitung der Familienunternehmung in dritter Generation. Diese hatte sich auf den Bau von Holzkochherden und Bahnhofsvordächern spezialisiert. Mitte der 1920er Jahre erlebte die Firma «Gebrüder Tuchschmid, Eisenkonstruktions-Werkstätte» ein starkes Wachstum. Nicht zuletzt aufgrund diverser Bauaufträge in der Stadt Zürich, wie der «Sihlporte», des «Schmidhof» und des «Handelshof». Laufend wurde die Stahlbauabteilung ausgebaut, sodass neben Eisenbahnbrücken, neuartige Metallkonstruktionen, Drehtüren und Schaufenster produziert wurden.

     

    Band 94: 150 Jahre Lenzlinger – Handwerker, Erfinder, Ausbaupioniere

    Die Firma Lenzlinger Söhne AG hat sich vom kleinen Handwerksbetrieb zum schweizweit tätigen Millionenunternehmen entwickelt. In fünf Generationen hat die Familie Lenzlinger immer wieder neue Tätigkeitsfelder erschlossen, von der Zimmerei über den Chaletbau und die Parkettproduktion, die Vermietung von Festzelten bis hin zu Doppelböden und Metallbau. Dabei hat sich das Unternehmen aus sich selbst heraus immer wieder neu erfunden, sich der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung angepasst und Chancen ergriffen.

     

    Band 84: Fünf Pioniere des Flugzeugbaus

    Mit ihren Konstruktionen haben die hier porträtierten fünf Pioniere Luftfahrtgeschichte geschrieben. Mit grossem Engagement haben sie ihre visionären Ideen verfolgt und umgesetzt – im Spannungsfeld zwischen technischer Machbarkeit, wirtschaftlichem Nutzen und politischem Willen. Trotz mancher Rückschläge haben sie mit ihren spektakulären Flugzeugkonstruktionen die zivile und militärische Luftfahrtindustrie der Schweizer entscheidend geprägt.

     

    Band 95: Heinrich Fueter – Produzent, Unternehmer, Filmpionier

    Der Filmpionier Heinrich Fueter (1911–1979) war ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Mit seiner Condor-Film AG hat er als Produzent die Schweizer Filmszene in den Nachkriegsjahrzehnten stark geprägt. Zutiefst war er davon überzeugt, dass auch ein Auftragsfilm höchsten Qualitätsansprüchen genügen muss. Mit diesem Ansatz sind unter seiner Leitung viele preisgekrönte Filme entstanden, technisch innovativ und inhaltlich prägnant. Der Ehemann von Anne-Marie Blanc besass darüber hinaus einen hohen Respekt vor dem Publikum und eine grosse Liebe zur Kunst.

     

     

     

  • Heinrich Kunz – der Spinnerkönig
    Pionier des Monats | Oktober 2021 über
    Band 119 und Briefedition, Spinnerkönig Heinrich Kunz. Erfolgreich, rastlos und rücksichtslos, von Werner Bosshard

    Heinrich Kunz – der Spinnerkönig

    Pionier des Monats und Neuerscheinung: Heinrich Kunz – der Spinnerkönig

    Der Name Heinrich Kunz ist weitherum bekannt. Er gilt als seiner Zeit grösster Spinnereibesitzer Europas, zugleich aber auch als rücksichtsloser Industriekapitalist. Erstmals erscheint eine umfassende Biographie über ihn, der mit Fabriken in Uster, Windisch, Linthal, Adliswil, Seegräben, Ober-Kemptthal, Rorbas und Fehraltorf die Industrialisierung insbesondere im Zürcher Oberland prägte. Neue Quellen, darunter die Briefkorrespondenz von Heinrich Kunz, erlauben es dem Autor Werner Bosshard ein differenziertes Bild dieser facettenreichen und bis heute umstrittenen Persönlichkeit zu zeichnen.

    Der Vater, Hans Heinrich Kunz (1766–1825), war in Oetwil am See Säckelmeister, Stillständer und Friedensrichter. Er war als Baumwollverleger tätig und beschäftigte 30 Handweber. Er finanzierte die ersten Spinnstühle für das Haus in der Gusch in Oetwil und die erste Spinnerei in Oberuster.

    Standort und Bau der Fabriken zeigen klare Muster

    Der Bau der Fabriken richtete sich grundsätzlich nach der Verfügbarkeit bzw. der Nutzbarkeit von Wasserkraft. So entstanden die Fabriken am Aabach, an der Reuss, der Sihl und der Linth. Die Fabriken in Ober-Kemptthal und Rorbas dagegen erwarb Heinrich Kunz aus dem Konkurs anderer Fabrikanten. Die Gebäude liess Heinrich Kunz, sofern er sie selber erbaute, stets nach demselben Muster errichten, was Bau- und Betriebskosten senkte.

    Innovation sowie grosse Technik- und Marktkenntnisse sichern den Erfolg

    Auf seinen zahlreichen Reisen durch ganz Europa erwarb sich Heinrich Kunz technisches Wissen und Informationen zum Marktgeschehen. Als erster installierte er im Oberen Glattal neuartige Spinnmaschinen für hochfeine Garne. Zudem sicherte er sich neue Kunden und Lieferanten. Dank dieses Wissens und der Grösse seiner Unternehmungen erreichte er in der Schweiz bald eine bedeutende, wenn nicht beherrschende Marktstellung.

    Heinrich Kunz war ein bedeutender Investor, auch im Eisenbahnbau

    In den späteren Jahren begann Heinrich Kunz sein Vermögen zu diversifizieren. Er investierte einerseits bei anderen Textilfabrikanten, andererseits aber auch in anderen Wirtschaftsbereichen. So besass er beispielsweise mit über 300’000 Franken 5 Prozent der inländischen Aktien der Nordostbahngesellschaft.

    Die Familienmitglieder spielten eine entscheidende Rolle im Unternehmen

    Heinrich Kunz war ein Einzelgänger. Bei der Führung des Unternehmens setzte er besonders stark auf Familienangehörige wie seine beiden Schwester Susanna und Elisabetha sowie seine Nichte Susette, die privat wie geschäftlich zu seinen Vertrauenspersonen gehörten.

    Fehlende Empathie und endlose Streitigkeiten

    Arbeitsgesetze gab es damals kaum. Entsprechend hart waren die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, auch bei Heinrich Kunz. Kinderarbeit, überlange Arbeitstage und unmenschliche Bedingungen sah er gerechtfertigt, da viele Menschen nur dank der Fabriken überhaupt Arbeit und Einkommen hatten. Das führte zu Konflikten mit der Arbeiterschaft bzw. mit deren Vertretern, wobei es vornehmlich um die Arbeitszeiten ging. Vor Gericht gelangten diese Auseinandersetzungen aber selten, ganz im Gegenteil zu den Wasserrechten, die bei fast jedem Fabrikbau zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führten.

     

    Edition der Heinrich-Kunz-Briefe

    Parallel zum Pionierband werden 34 Originaldokumente – zumeist Briefe von und an Heinrich Kunz – in einer Edition herausgegeben. Die erstmals zugänglichen Briefe zeigen, wie Heinrich Kunz unbeirrt seine Meinung vertrat. Sie verraten aber auch bislang unbekannte, gefühlvolle Züge seiner Persönlichkeit.

  • Fritz Hoffmann-La Roche – Mit Hustensirup zum Welterfolg
    Pionier des Monats | September 2021 über
    Band 24, Zwei Basler Pioniere. Fritz Hoffmann-La Roche und Heinrich Eduard Gruner, von Gustaf Adolf Wanner und Eduard Gruner

    Fritz Hoffmann-La Roche – Mit Hustensirup zum Welterfolg

    Am 1. Oktober 1896 gründete Fritz Hoffmann-La Roche seine eigene Firma. Er tat dies in der felsenfesten Überzeugung, dass es ihm gelingen würde mit pharmazeutischen Produkten erfolgreich zu sein. Trotz Startschwierigkeiten und Rückschlägen, die auch an den Kräften von Fritz Hoffmann-La Roche zehrten, gab ihm der Erfolg schon zu Lebzeiten und weit mehr nach seinem Tod Recht. Aus der Kommanditgesellschaft mit einer Handvoll Mitarbeitenden entstand der Weltkonzern Roche, der dieser Tage sein 175-Jahr-Jubiläum gebührend feiert.

    Fritz Hoffmann wurde am 24. Oktober 1868 in eine alteingesessene und gut bemittelte Basler Familie geboren. So erlebte er eine sorgenfreie Kindheit und konnte seinem Wunsch entsprechend eine kaufmännische Lehre im Bankhaus A. Piguet & Cie. in Yverdon und eine zweite Lehrzeit bei der Droguerie Bohny, Hollinger & Cie. in Basel absolvieren. In dieses Handelsgeschäft kehrte er nach Auslandaufenthalten in London und Hamburg wieder zurück. Mit grossem Eifer setzte er sich für die kleine Fabrik, die hauptsächlich Extrakte aus Wurzeln und Rinden, Tinkturen, Salben, Pillen, Pastillen, ätherische Öle sowie Leinöl und Bodenwichse produzierte.

    Beteiligung an der Hoffmann, Traub & Co.

    1894 konnte Fritz Hoffmann zusammen mit dem ebenfalls bei Bohny, Hollinger & Cie. tätigen Apotheker Max Carl Traub eigenständig machen. Aus dem bescheidenen Fabrikationsprogramm setzte man vor allem auf ein Wundpulver namens «Airol», das in verschiedenen Ländern patentiert wurde. Schon hierbei entwickelte Fritz Hoffmann weitblickende Pläne für den kommerziellen Ausbau des Geschäfts mit entsprechenden Werbeaktionen. Und ebenfalls in diese Zeit fiel der Entscheid, in Deutschland eine eigene Fabrik zu gründen.

    Eigene Pläne mit eigener Firma

    Die Verkaufszahlen blieben aber unter den Erwartungen und die junge Firma schrieb Verluste, was schliesslich zur Trennung der beiden Gründer führte. Fritz Hoffmann-La Roche – er hatte sich 1895 mit Adèle La Roche verehelicht – war aber von der Zukunftsfähigkeit seiner Firmenstrategie überzeugt und überführte das Unternehmen in seinen Besitz, womit am 1. Oktober 1896 die Fritz Hoffmann-La Roche & Co. Gegründet wurde. Die ersten Jahre waren aber von weiteren Dämpfern geprägt. Die Produkte «Airol», «Cosaprin» und «Phesin» verkauften sich ungenügend, die Banken forderten die Kredite zurück. Ein weiteres Mal war es das Vermögen der Familie, insbesondere des Vaters, das das Überleben der Firma sicherte.

    «Sirolin» – Ein süsses Hustenmittel

    Der Durchbruch gelang 1898 mit «Sirolin», einem Hustensirup, der sich dank der Zugabe von aromatischen Zusätzen wesentlich angenehmer im Geschmack präsentierte als vergleichbare Produkte. Zudem war Sirolin rezeptfrei erhältlich und auf der Packung wurde kränklichen Personen empfohlen, es während des ganzen Winters einzunehmen. Das Produkt wurde ein weltweiter Erfolg, nicht zuletzt aufgrund der breit angelegten Werbekampagnen. Fritz Hoffmann-La Roche liess zahlreiche Serien von Postkarten drucken, auf denen zumeist Kinder für Sirolin Werbung machten.

    Harte Kriegsjahre und früher Tod

    Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs traf auch das Geschäft von Fritz Hoffmann-La Roche hart. Die Grenzen wurden geschlossen und überall misstraute man ausländischen Firmen. So wurde die Fritz Hoffmann-La Roche & Co. in Deutschland und in England auf die schwarze Liste gesetzt und ihre Produkte wurden boykottiert, weil die Militärbehörden Verrat witterten. Als wäre das nicht genug, setzte nach dem Krieg eine Inflation ein, die auch die finanziellen Reserven schmelzen liess. In der Folge wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

    Die Krise zehrte auch an den Kräften des Firmengründers. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich ab 1919 zunehmend. Er starb am 18. April 1920 in Basel.

  • Karl Heinrich Gyr – Visionärer Unternehmer
    Pionier des Monats | August 2021 über
    Band 96, Karl Heinrich Gyr. Der Aufbau des Weltkonzerns Landis & Gyr, von Matthias Wiesmann

    Karl Heinrich Gyr – Visionärer Unternehmer

    Ab 1880 gab es in verschiedenen Städten und gewissen Fremdenverkehrsorten in der Schweiz eine elektrische Beleuchtung. Bald schon waren auch Theater, Konzertsäle, Hotels, Restaurants, Bahnhöfe und Fabriken interessiert am elektrischen Licht. Die Pionierzeit der Elektrizität hatte begonnen, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Elektrizitätszähler auf dem Markt durchsetzten. Hier profilierte sich der Unternehmer Karl Heinrich Gyr.

     

    Zürcher Herkunft

    Zusammen mit einem jüngeren Bruder und einer jüngeren Schwester, wuchs Karl Heinrich Gyr (1879—1946) in der Stadt Zürich auf. Seine Vorfahren väterlicherseits stammten aus Uster, aber bereits sein Vater Heinrich Gyr (1843—1910) war gelernter Metzger und führte an der Oberdorfstrasse in der Zürcher Altstadt eine Metzgerei. Die Mutter, Lina Laubi (1850—1919), stammte aus einer Grossbauernfamilie in Zürich Höngg.

    Ausbildung in Nah und Fern

    In der Freien Evangelischen Schule verbrachte Karl Heinrich Gyr die obligatorische Schulzeit. Danach besuchte er eine Sprachschule in Lausanne und später zusammen mit Heinrich Landis und weiteren jungen Männern, die später bei Landis & Gyr in führende Positionen kamen, die sogenannte Industrieschule an der Kantonsschule Rämibühl in Zürich. Nach der Matura 1897 studierte Karl Heinrich Gyr am «Eidgenössischen Polytechnikum» Chemie. In seiner Freizeit war er im Segelclub Zürich aktiv und ein begeisterter Berggänger. Seine Dissertation schrieb er 1902 an der Technischen Hochschule in Dresden «Über die Elektrolyse des Jodkaliums und über die Einwirkung von Jod auf Alkali». Darauf war er in London tätig und besuchte mit der «Society of Chemical History» auch während drei Wochen die USA.

    Aufbau der Landis & Gyr

    Sein ehemaliger Schulkamerad, Heinrich Landis, übernahm 1904 das «Electrotechnische Institut Theiler & Co.» in Zug und wollte ihn zu einer Mitarbeit bewegen, zunächst aber vergeblich. Erst als er Karl Heinrich Gyr vorschlug, bei ihm in der Firma elektrochemische Apparate bauen zu können, wurde es für Gyr interessant. Im August 1905 schrieb Heinrich Landis, dass er einen Associé suche, da er momentan ausschliesslich Elektrizitätszähler fabriziere. Ende Oktober 1905 entschied sich Karl Heinrich Gyr, bei Heinrich Landis einzusteigen und trat am 26. Dezember 1905 als Kollektivgesellschafter in die Firma ein. Der neue Firmenname lautete nun: «Landis & Gyr, vormals Theiler & Co.».

    Rasante Entwicklung zum grössten Arbeitgeber des Kantons

    Aufgrund der grossen Nachfrage nach Elektrizitätszählern musste das Firmenareal in der Knopflimatt in Zug schon bald vergrössert werden. Zwischen 1908 und 1912 wurden allmählich alle zur Montage der Zähler benötigten Teile selbst angefertigt; dies nichts zuletzt, um die Qualität der Produkte zu sichern. Auch wurde die Produktepalette unter anderem um Schaltapparate und Zeitschalter erweitert, um die Abhängigkeit vom reinen Zählergeschäft zu minimieren. 1914 kam ein in Gewicht, Umfang und Preis wesentlich reduzierter Zähler auf den Markt, womit die Hauptkonkurrenten «AEG» und «Siemens-Schuckert» abgehängt wurden. Die Nutzfläche des Fabrikareals betrug 1914 bereits 6500 Quadratmeter und die Mitarbeiterzahl hatte sich ab 1908 fast jährlich verdoppelt. In Zug war Landis & Gyr die grösste Arbeitgeberin und auch die Expansion ins Ausland kurbelte das Geschäft an.

    Hinter dem massiven Ausbau der Verkaufstätigkeiten, den neuartigen Fabrikationsmethoden und dem ambitiösen Bauprogramm war Karl Heinrich Gyr die treibende Kraft. Bis zu seinem Tod blieb er trotz langer schwerer Krankheit der Firma erhalten. Er verstarb am 3. November 1946 in Zug.

  • Schweizer Pioniere … stammen aus allen sozialen Schichten!
    Pionier des Monats | Juli 2021 über
    Band 100, Schweizer Erfolgsgeschichten. Pioniere, Unternehmen, Innovationen von Joseph Jung

    Schweizer Pioniere … stammen aus allen sozialen Schichten!

    Die Bände «Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik» widmen sich zumeist einzelnen Persönlichkeiten oder einer kleinen Gruppe von Menschen. Doch auch der weitschweifende Blick über das Panorama der Pioniere ist spannend und lässt Phänomene und Paradigmen der Schweizer Wirtschaft und Technik erkennen. Diesen Ansatz verfolgte der Jubiläumsband 100, aus dem folgender Beitrag stammt. Er erörtert auf der Basis sämtlicher rund 300 Porträtierten den sozialen Status der Schweizer Pioniere und stellt folgende These auf: Pioniere stammen aus allen sozialen Schichten!

    Vom Maurergehilfen zum Alpenbahningenieur

    Pioniere gehen aus allen sozialen Schichten hervor. Oder anders gesagt: Jeder kann Pionier werden. Besondere Herausforderungen müssen aber diejenigen meistern, die aus armen Verhältnissen stammen. Ein Beispiel dafür ist der Alpenbahningenieur Pasquale Lucchini (1798–1892) → Bd. 69. Bereits mit neun Jahren sieht er sich gezwungen, als Maurergehilfe in der nahen Lombardei einen Teil seines Lebensunterhalts selber zu verdienen.

    Der General aus ärmlichen Verhältnissen

    Auch Guillaume-Henri Dufour (1787–1875) → Bd. 41, General und Befehlshaber der eidgenössischen Truppen im Sonderbundskrieg, lebt in seiner Jugendzeit in armen Verhältnissen. Im Alter von zehn Jahren verliert er seinen Vater, worauf seine Mutter allein für ihn aufkommen muss. Ihr Einkommen aus Strickarbeiten reicht gerade aus, um ihm eine Ausbildung zu ermöglichen.

    Bei Pflegeeltern aufgewachsen

    Von Armut betroffen ist auch Konrad Ilg (1877–1954) → Bd. 16, Initiant des «Friedensabkommens» zwischen dem Arbeitgeberverband schweizerischer Maschinen- und Metallindustrieller und dem Schweizer Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) von 1937. Er wächst ohne Vater auf. Die Mutter verdient als Wasch- und Putzfrau den kärglichen Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn.

    Der Bürgermeister gründet ein Bankhaus

    Der Grossteil der Pioniere wird aber in vermögende Familien hineingeboren und profitiert von den damit verbundenen Privilegien. Exemplarisch dafür steht Johann Jakob Leu (1689–1768) → Bd. 3, Spross eines Zürcher Magistratengeschlechts. Er macht politische Karriere und wird 1759 Bürgermeister der Stadt Zürich. Die von ihm mitgegründete Leu & Cie., eines der ältesten Bankhäuser der Schweiz, geht 2012 vollständig in der Credit Suisse Group AG auf.

    Direktoren aus wohlhabenden Familien

    Hans Steiner (1889–1969) → Bd. 92, Gründer des Zoo Zürich, wächst als Sohn eines vermögenden Kaffeehändlers in Barcelona auf. Auch Walter Wyssling (1862–1945) → Bd. 8 lebt von Kind an in wohlhabenden Verhältnissen. Sein Vater ist Ökonomieverwalter der Strafanstalt Zürich. Wyssling absolviert sein Studium der Mathematik und Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Als technischer Direktor der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich und Rektor der ETH Zürich treibt er die Elektrifizierung des Schweizer Schienenverkehrs massgeblich voran.

    Ovomaltine, für Sportler, von Akademikern

    In der Stadt Bern übernimmt der in einem akademischen Umfeld aufgewachsene Albert Wander (1867–1950) → Bd. 79 im Alter von 30 Jahren die auf Extraktion von Gerstenmalz spezialisierte Firma seines Vaters, eines promovierten Chemikers. Die Weiterentwicklung des Malzextraktes führt 1904 zur Ovomaltine. Zwei Jahre später können erste Verkaufslager in Italien und England eröffnet werden. 1908 wird aus dem Einzelunternehmen die Wander AG, und im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt sich aus der Berner Erfindung ein globaler Exportschlager mit Produktionsstätten in Thailand, Brasilien und den USA. Ovomaltine wird heute in über hundert Ländern getrunken.

  • Otto Jaag – Pionier des Gewässerschutzes
    Pionier des Monats | Juni 2021 über
    Band 36, Otto Jaag. Ein Leben für den Gewässerschutz, von Rudolf Braun und Dietegen Stickelberger

    Otto Jaag – Pionier des Gewässerschutzes

    Die Qualität unserer Gewässer und speziell des Trinkwassers stand aufgrund der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative wieder im Mittelpunkt der politischen Diskussion. Beide gingen von einer übermässigen Gefährdung der hohen Wasserqualität in der Schweiz aus. Die Geschichte zeigt, dass auch der heutige Standard nicht immer der Fall war. Durch die Industrialisierung und das Bevölkerungswachstum kam es zu einer Gewässerverschmutzung, der erst im 20. Jahrhundert entgegengetreten wurde. Wegweisend dabei war Otto Jaag (1900–1978), der mit seiner Forschung und seiner Öffentlichkeitsarbeit den Gewässerschutz vorantrieb.

     

    Schwierige Jugendjahre

    Als Sohn eines Bäckers und einer Bauerntochter kam Otto Jaag am 29. April 1900 im schaffhausischen Klettgau bei Guntmadingen zur Welt. Bald zog die Familie in ein eigenes Haus in Hallau, welches aber 1904 bei einem Kaminbrand zerstört wurde. Nach dem Verlust des Wohn- und Geschäftshauses folgten wirtschaftlich schwierige Jahre, in denen auch die Kinder mitanpacken mussten.

    Studienzeit

    Später besuchte Otto Jaag das Gymnasium in Schaffhausen und schloss mit der Primarlehrer-Maturität ab. Danach studierte er in Genf Naturwissenschaften und beendete das Studium mit der Promotion über «Experimentelle Untersuchungen der Flechten». 1933 habilitierte er an der ETH Zürich in Hydrobiologie und Kryptogamenkunde.

    Akute Gefährdung der Gewässer

    Otto Jaag war aber kein Professor im Elfenbeinturm. Er sah die zunehmende Verschmutzung der Gewässer und ihre möglichen Folgen. Denn das Selbstreinigungsvermögen der Schweizer Gewässer war überfordert und die ursprünglich nährstoffarmen Seen verwandelten sich in nähstoffreiche, was unter anderem das Algenwachstum beschleunigte. Dies wirkte sich nicht nur nachteilig auf die Fischerei, sondern auch auf die Trink- und Brauchwasserqualität aus.

    Beispiellose Aufklärungsarbeit

    Das Lebenswerk von Otto Jaag ist eng verbunden mit der Erkenntnis, dass der Bau von Abwasserreinigungsanlagen eine notwendige Voraussetzung für den Gewässerschutz bildet. Das war damals nicht allgemein bekannt. Deshalb hielt er überall Vorträge, um die Menschen über die Dringlichkeit eines umfassenden Gewässerschutzes aufzuklären.

    Gründung der Schweizerischen Vereinigung für Gewässerschutz

    Handlungsbedarf bestand aber auch in der Koordination der verschiedenen Akteure. Am 10. Dezember 1949 wurde deshalb die Schweizerische Vereinigung für Gewässerschutz mit Otto Jaag als Präsident gegründet. Es war eine Dachorganisation, die Vertreter der Fischerei, des Natur- und Heimatschutzes, der Volksgesundheit, der Medizin und Hygiene, der Wasserwirtschaft und Abwassertechnik, der Wirtschaft, der Behörden von Gemeinden, Kantonen und des Bundes sowie der Wissenschaft umfasste.

    Das Bundesgesetz zum Gewässerschutz

    Ein Höhepunkt für Otto Jaag war der 6. Dezember 1953, als das Volk mit über 80% den Schutz der Gewässer in der Bundesverfassung verankerte. Sowohl die Ausarbeitung der entsprechenden Gesetzestexte, als auch die politische Akzeptanz waren nicht zuletzt die Verdienste von Otto Jaag und seinem auf Ausgleich abzielenden Verhandlungsgeschick. Auch bei der Überarbeitung des Gesetzes 1971 wurde der bereits über 70-jährige Otto Jaag beigezogen.

    Für seine vielfältigen Verdienste im Bereich des Gewässerschutzes erhielt Otto Jaag im Laufe seines Lebens zahlreiche Ehrungen. Er verstarb am 31. Juli 1978 in Zürich.

  • Niklaus Riggenbach – Entwickler der Zahnstange
    Pionier des Monats | Mai 2021 über
    Band 81, Sieben Bergbahnpioniere, von Werner Latscha u.a.

    Niklaus Riggenbach – Entwickler der Zahnstange

    Niklaus Riggenbach – Entwickler der Zahnstange

    In diesen Tagen feiert die Vitznau-Rigi-Bahn ihr 150-jähriges Bestehen. Dass es überhaupt möglich war, eine Eisenbahn auf die Rigi zu bauen, haben wir Niklaus Riggenbach (1817–1899), dem Entwickler eines auf die Rigi angepassten revolutionären Zahnradsystems zu verdanken.

     

    Werkstättechef und Maschinenmeister der Centralbahn

    Nach einigen Lehr- und Wanderjahren in Lyon, Paris und Karlsruhe berief das Direktorium der Schweizer Centralbahn Niklaus Riggenbach 1853 zum Chef der Maschinenwerkstätte in Olten. Lange suchte Niklaus Riggenbach ein System zur Überwindung von sehr steilen Hängen mit Lokomotiven, wie es sie beispielsweise auf der Hauensteinlinie der Centralbahn mit 26 Promille Steigung gab. Er fand die Lösung in einer zwischen den Schienen verlegten Zahnstange, in die ein auf der Triebachse montiertes Zahnrad eingreift. Dafür erhielt er das französische Patent 1863. In den USA hatte allerdings bereits zwei Jahre zuvor Silvester Marsh für seine sehr ähnliche Zahnradbahn auf den Mount Washington das Patent erhalten.

    Eine Eisenbahn auf die Rigi – und auch über den Gotthard?

    Doch bis zur erfolgreichen Anwendung vergingen nochmals einige Jahre. Erst mit Unterstützung von Partnern mit hohem Ansehen in Wirtschaft und Gesellschaft, konnte die Idee einer Eisenbahn auf die Rigi 1871 umgesetzt werden. Riggenbach hatte hier erstmals sein System des «gemischten Zahnrad-/Adhäsionsbetriebs» angewendet. Die Rigi-Bahn sollte aber nur ein erster Schritt sein, denn Riggenbach sah sein Zahnradsystem auch für die Gotthardbahn geeignet. 1866 legte er ein System zur Überwindung extrem starker Steigungen vor: Es bestand aus einer Zahnstange, in die eine Schnecke eingriff, die ihrerseits durch die Dampfmaschine in eine drehende Bewegung versetzt wurde. 1868 erschien ein «Entwurf für die Überschienung der Alpen mit Zahnradbetrieb», den er zusammen mit Olivier Zschokke verfasst hatte. Der Bundesrat trat aber nicht darauf ein, und auch Alfred Escher, der Präsident des Direktoriums der Gotthardbahn, lehnte Riggenbachs Vorschlag für den Gotthard ab.

    Die Internationale Gesellschaft für Bergbahnen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   

    Nach 20 Jahren verliess Riggenbach die Centralbahn und gründete zusammen mit Olivier Zschokke die «Internationale Gesellschaft für Bergbahnen» (IGB). Nach erfolgreichen Jahren brachen die Aufträge für Zahnradbahnen in der Schweiz ab 1877 aufgrund der allgemeinen Eisenbahnkrise ganz ein. Somit arbeitete Riggenbach nun auf eigene Rechnung. Bis 1885 besass Niklaus Riggenbach weltweit ein Monopol auf Zahnradbahnen, das ihm wegen der schlechten Konjunktur aber nicht viel einbrachte. Nach dem Wiedererstarken der Wirtschaft zog er sich 1889 aus dem Geschäftsleben zurück.

    Niklaus Riggenbach verstarb am 25. Juli 1899 in Olten.

     

  • Brennpunkt Heerbrugg – Vom Überschwemmungstal zum Hightech-Valley
    Pionier des Monats | April 2021 über
    Band 118, Brennpunkt Heerbrugg. Vom Überschwemmungstal zum Hightech-Valley, von Dieter Holenstein

    Brennpunkt Heerbrugg – Vom Überschwemmungstal zum Hightech-Valley

    Das St. Galler Rheintal stellt in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte einen faszinierenden, ja einzigartigen Spezialfall dar. Innerhalb von lediglich Jahrzehnten durchlebte es nämlich den dynamischen Wandel von der armen Überschwemmungs- zur florierenden Hochtechnologie-Region. Entscheidend war die Ansiedlung der Firma Wild (heute Leica Geosystems AG), deren Gründungsvertrag heute vor 100 Jahren unterschrieben wurde.

    Ausgangspunkt und Zentrum der heutigen präzisionstechnischen Industrie bildet Heerbrugg, wo der deutsche Flüchtling und Eisenbahnförderer Karl Völker ab den 1860er Jahren mit der Drainage des nassen Landes begann und damit verbunden eine Ziegelei gründete. Diese bildete die Keimzelle des späteren Weltkonzerns der Familie Schmidheiny. Wie deren Stammvater Jacob Schmidheiny (1835–1905) kamen viele der folgenden Unternehmensgründer aus einfachen Verhältnissen und profitierten von einem erfreulichen Mass an sozialer Durchlässigkeit.

    Vor 100 Jahren: Gründung der Wild Heerbrugg

    Beim Schlossgut der Familie Schmidheiny in Heerbrugg und mit ihrem Geld entstand 1921 die später in Wild Heerbrugg umbenannte Firma «Heinrich Wild, Werkstätte für Feinmechanik und Optik», die mit den Konstruktionen ihres genialen Chefs die Vermessungstechnik gleich mehrfach revolutionierte. Auch nach Wilds Abgang konnte das Unternehmen mit seinen Vermessungsgeräten weltweit überzeugen, gleichzeitig aber auch in anderen Bereichen Fuss fassen. Heute gehört es als Leica Geosystems AG nach wie vor zur Weltspitze.

    Ein eindrücklicher Industriecluster

    Ausgehend von Wild Heerbrugg entstand nach dem Zweiten Weltkrieg ein faszinierender Unternehmenscluster der Präzisionstechnologie. Dazu gehört die SFS, die vom Schraubenhändler zum grössten Rheintaler Unternehmen avancierte. Insbesondere in Nischenbereichen, dort aber an der Weltspitze, sind die Unternehmen Plaston, Heule, Berhalter, WZW, Zünd Precision Optics, Oertli Instrumente und Zünd Systemtechnik tätig. Weiter wird dieser Cluster durch Abspaltungen von Leica Geosystems ergänzt, die von Heerbrugg aus den Weltmarkt bedienen: Swiss Optic, Escatec Switzerland, Vectronix, APM Technica und Polymeca. Sie alle pflegen vielseitige Beziehungen in personeller, technischer und unternehmerischer Sicht.

    Geleitwort von Bundesrätin Karin Keller-Sutter

    Erstmalig wurde nun die Geschichte des Unternehmensclusters in der Rheintaler Präzisionsindustrie untersucht. Geschrieben hat den neusten Band in der Reihe «Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik» Dr. phil. Dieter Holenstein. Das Geleitwort von Bundesrätin Karin Keller-Sutter unterstreicht die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs und dieser Publikation dazu.

  • Sechs Schweizer Alpenbahningenieure
    Pionier des Monats | Februar 2021
    Band 69, Sechs Schweizer Alpenbahningenieure, von Georges Bridel u.a.

    Sechs Schweizer Alpenbahningenieure

    Er konstruierte Brücken, baute Eisenbahnlinien und Tunnels und war beteiligt an grossen Gewässerkorrektionen. Nebenbei verfasste er auch zahlreiche technische Bücher. In sechs massgebenden, aber sehr unterschiedlichen Disziplinen war Gustave Bridel (1827–1884) gleichermassen kompetent und erfolgreich. Zumeist unbekannt sind seine Bestrebungen zur Elektrifizierung des Gotthardtunnels zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Heute vor 140 Jahren trat Siemens-Halske an die Gotthardbahn zwecks Elektrifizierung des im Bau befindlichen Tunnels. Bridel unterstützte das Vorhaben, das aber nicht zur Ausführung kam.

    Gastbeitrag von Georges Bridel

    Ausbildung und Karrierestart in Frankreich

    In Paris trat Gustave Bridel im Jahre 1845 in die berühmte «Ecole Centrale des Arts et Manufactures» ein und beendete die Studien mit hervorragendem Leistungsausweis. Anschliessend arbeitete er als Traktionschef bei der Chemin de fer de l’Est. Mit 28 Jahren übernahm er die Bauleitung des damals grössten Bauwerks auf dem Kontinent, dem Palais de l’Industrie an den Champs Elysées für die Weltausstellung von 1855. Auch beteiligte er sich am Bau von Bahnlinien mit Viadukten, so beispielsweise dem Viaduc de Chaumont. Parallel dazu war er Mitautor des zweibändigen, ersten Eisenbahn-Standardwerks «Traité élémentaire des chemins de fer».

    Eisenbahnen und die Juragewässerkorrektion

    Zurück in der Schweiz realisierte er beeindruckende und vielfältige Arbeiten: In der Westschweiz konstruierte Gustave Bridel in seinem Büro in Yverdon einige Eisenbahnbrücken, wie beispielweise das grosse Viadukt in Vallorbe. Eine besonders grosse Herausforderung war zusammen mit dem Bündner Ingenieur La Nicca die Planung und anschliessend die alleinige Leitung der ersten grossen Juragewässerkorrektion von 1863 bis 1870. Neben der planerischen Tätigkeit und der Bauleitung erforderten die schwierigen politischen Bedingungen auch viel diplomatisches Geschick. Bridels bescheidenes Auftreten und seine kommunikative Persönlichkeit brachten auch hier den Erfolg. Von 1870 bis 1878 leitete Gustave Bridel den Bau der bernischen Jurabahnen. Insbesondere die geologischen Herausforderungen waren hoch. Da er in Biel aufgewachsen war, lag ihm dieses Vorhaben besonders am Herzen.

    Oberingenieur der Gotthardbahn

    Ende der 1870er Jahre befand sich der Bau der Gotthardbahn in grossen organisatorischen und technischen Schwierigkeiten. Obwohl sich Gustave Bridel in der Krise sehr zurückhielt, konnte er sich dem Drängen der Gotthardbahngesellschaft und des Bundesrates schliesslich nicht entziehen und übernahm die Bauleitung bis zur durchgehenden Inbetriebnahme am 1. Juni 1882. Der grosse Tunnel war einsturzgefährdet. Bridel übernahm gegen den Widerstand der Tunnelbau-Unternehmung Favre und deren Ingenieure die Führung und nach dem endgültigen Schiedsspruch des Bundesrats die Leitung des Neubaus der sogenannten Druckpartien. Ein kleines Intermezzo zwischen Siemens und Oberingenieur Bridel betraf 1881 die frühzeitige Elektrifizierung des Gotthardtunnels, was fast eine Weltpremiere geworden wäre. Es zeigt den Pioniergeist von Bridel, dass er sich offen für die neue Technik zeigte, obwohl erst Jahre später die ersten elektrischen Bahnen realisiert wurden. Nebst den technischen Aspekten gewichtete Bridel insbesondere den Vorteil eines rauchfreien Antriebs für die Arbeiter und Reisenden im Tunnel. Die Angelegenheit wurde von Siemens aus unbekannten Gründen nicht weitergeführt.

    Zwischen den Disziplinen: Gebirgsdruck als Flüssigkeit

    Nach Vollendung des gesamten Projektes nahm Bridel Abschied von der Gotthardbahn und leitete bis zu seinem frühen Tod Ende 1884 die Jura-Bern-Luzern Bahn. Interessant sind die technischen Querverbindungen zwischen den Disziplinen. Bei der Instandstellung  der Druckpartien im Gotthardtunnel beispielsweise setzte sich Bridel gegenüber den anderen Beteiligten mit der Erkenntnis durch,  «dass man das Gebirge mit seinem allseitigen Druck als eine Flüssigkeit auffassen müsse» [Felix Moeschlin, «Wir durchbohren den Gotthard», S. 462 Bd. II]. Entgegen der damaligen Praxis sorgte er für die Ausmauerung des Tunnelgewölbes mit druckfesten Quadern. Dieses Gesetz aus der Hydraulik gewann er mit der Erfahrung als Wasserbauer. Der betreffende Teil des Tunnels hält heute noch, ohne Reparaturen.

  • Hans Künzi. Operations Research und Verkehrspolitik
    Pionier des Monats | Januar 2021
    Band 109, Hans Künzi. Operations Research und Verkehrspolitik , von Joseph Jung

    Hans Künzi. Operations Research und Verkehrspolitik

    Die S-Bahn Zürich war bei ihrer Eröffnung vor 30 Jahren eine Pionierleistung im öffentlichen Verkehr mit weltweiter Ausstrahlung. Seither bewältigt sie als unverzichtbarer Bestandteil des Zürcher Verkehrsverbunds (ZVV) zuverlässig das immer grösser werdende Passagieraufkommen. Auch dieses Jahr, im seit 15 Jahren schneereichsten Januar in Zürich, hat sie ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt, während andere Transportmittel an ihre Grenzen kamen. Als «Vater der Zürcher S-Bahn» war es Hans Künzi (1924–2004), welcher dieser Erfolgsgeschichte zum Durchbruch verholfen hat.

     

    Die U-Bahn/S-Bahn-Vorlage scheitert

    Als Hans Künzi 1970 in den Zürcher Regierungsrat gewählt wurde, übernahm er den Vorsitz der sogenannten Behördendelegation, die alle wichtigen Problemstellungen des öffentlichen Verkehrs, wie Rechts-, Bau-, Finanzierungs- und Betriebsfragen und die Information der Öffentlichkeit bearbeiten musste. Mit einer Kombination von U-Bahn und S-Bahn lag ein ausführungsreifes Projekt zur Förderung des öffentlichen Verkehrs vor. Trotz intensiver Vorarbeit auf allen politischen Ebenen, nicht zuletzt durch Hans Künzi selbst, scheiterte diese Vorlage klar in der Urnenabstimmung vom 20. Mai 1973.

    Die S-Bahn als einzige Lösung

    Die Abstimmungsniederlage kam vor allem durch die Ablehnung der U-Bahn zustande, weshalb für Hans Künzi klar war, dass eine reine S-Bahn-Vorlage am meisten Chancen auf Erfolg hätte. Der Ausbau der Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) und in den ländlichen Regionen zusätzliche Buslinien sollten das S-Bahn-Projekt komplettieren. Die S-Bahn sollte auf bestehenden, teilweise ausgebauten SBB-Linien verkehren.

    Erfolg für das komplexe Projekt

    Auch hier erwies sich die Finanzierung als komplex. Der Bundesrat hatte kein offenes Ohr für die Anliegen von Volkswirtschaftsdirektor Künzi und so kam ihm die Idee, den erwarteten Bundesbeitrag durch den Kanton Zürich vorschiessen zu lassen. Er konnte sich damit sowohl im Regierungsrat als auch im Kantonsrat durchsetzen. Nach langen Verhandlungen mit den SBB in einer Volksabstimmung hiessen 75 Prozent der Zürcher den Kantonsbeitrag von 523 Millionen Franken gut.

    Gründung des Zürcher Verkehrsverbunds (ZVV)

    Für Hans Künzi war bald klar, dass der zunächst angedachte Tarifverbund allein nicht ausreichen würde für die Organisation des öffentlichen Verkehrs im Kanton. Er bildete folglich eine Projektgruppe mit Führungspersonen und Fachspezialisten, die eine Harmonisierung sämtlicher Verkehrsträger des ÖV auf der Grundlage von vereinheitlichten Tarifen, angepasstem Angebot und einheitlicher Finanzierung forderte. Dieses Konzept war in Europa pionierhaft. Künzis Vorlage wurde am 6. März 1988 vom Stimmvolk gutgeheissen, sodass am 3. Oktober 1989 auf dem Raddampfer «Stadt Rapperswil» über 40 Partner des neuen Verkehrsverbundes eine Erklärung über ihre Zusammenarbeit unterzeichneten.

    Startschuss für die S-Bahn

    Schliesslich fuhr am 27. Mai 1990 die Zürcher S-Bahn erstmals gemäss Fahrplan. Dies war der Startschuss zu einer neuen Eisenbahnepoche in Zürich. Bereits im ersten Betriebsjahr konnte die Passagierzahl um 20 Prozent gesteigert werden.

     

  • Alfred Escher hat sein Denkmal auf dem Bahnhofplatz verdient
    Pionier des Monats | Oktober 2020
    114, Alfred Escher. Visionär, Grossbürger, Wirtschaftsführer von Joseph Jung

    Alfred Escher hat sein Denkmal auf dem Bahnhofplatz verdient

    Nach einem historischen Bericht über Zürichs Verstrickungen in die Sklaverei, steht Alfred Eschers Statue zur Debatte. Messt den Mann an seinen Taten, nicht an seinen Vorfahren, schreibt Joseph Jung.

    Schon damals wurde mit Fake News operiert. Friedrich Locher, der politische Gegner von Alfred Escher, beschreibt, wie er dem Politiker und Wirtschaftsführer sonntags einen Besuch in dessen Villa Belvoir abstattet und ihm die Leviten liest. Die Sklavenfrage ist dabei zentral: Es gibt keine Gerechtigkeit auf dieser Welt, so Locher. Denn die Sklaven, aus deren Schweiss und Blut dieser Palast gebaut ist, modern längst in fremder Erde, während ihre Herren das Leben geniessen.

    So steht es in einer Schmähschrift, die Locher 1867 veröffentlichte. Der Besuch allerdings hat nie stattgefunden. Locher, ein Winkeladvokat und Demagoge, wollte mit seinen Pamphleten das ganze liberale System zu Fall bringen. Er hätte sich kaum vorstellen können, dass seine Unwahrheiten mehr als 150 Jahre später nochmals derart für Furore sorgen sollten.

    Alfred Eschers Vater Heinrich hatte als 13-Jähriger das Elternhaus mit leeren Taschen verlassen und war in die Welt hinaus gezogen. Mitten in den Stürmen der französischen Revolution kam er nach Paris. Im Bankhaus Hottinguer machte er Karriere und war auch in London und hauptsächlich in den USA tätig. Bei Hottinguer baute sich Heinrich Escher ein Vermögen auf. 1814 kehrte er als Millionär in die Schweiz zurück. Als Rentner verwaltete er fortan das eigene Portefeuille, engagierte sich gemeinnützig und legte eine Insektensammlung von Weltruf an. Mit Sklaverei hatte er nichts zu tun.

    Tatsächlich aber waren Vorfahren von Alfred Escher in die Sklaverei verstrickt. Der Grossvater hatte Ende des 18. Jahrhunderts mit seiner eigenen Bank in den Sklavenhandel investiert. Später ging er Konkurs und auch viele Zürcher verloren Geld. Und ab den 1820er Jahren machten Alfred Eschers zwei liederliche Onkel Fritz und Ferdinand von sich reden, die in Russland gescheitert waren und schliesslich nach Kuba ins Exil gingen. Dort betrieben sie eine Kaffeeplantage und hielten – wie wir heute wissen – über 80 Sklaven. Die zwei waren Taugenichtse, Alfred Eschers Vater musste ihnen immer wieder aus der Patsche helfen.

    1845 starb Fritz Escher auf Kuba und Heinrich beerbte ihn. Nun zeigte sich, dass auch konservative Gegner der Eschers den Sklavereivorwurf als politischen Hebel zu nutzen versuchten: Der damalige Zürcher Stadtschreiber verunglimpfte Heinrich Escher als einstigen Sklavenhändler und Sklavenhalter. Zusammen mit seinem Sohn Alfred reichte Heinrich Klage ein. Der Prozess beschäftigte schliesslich das Obergericht. Ausdrücklich wurde Heinrich Escher schon 1846 vom Vorwurf des Sklavenbesitzes und Sklavenhandels entlastet. Heinrich setzte einen Verwalter ein, der die Plantage verkaufen sollte. Sohn Alfred unterstützte ihn, indem er in seinem Netzwerk nach Kontaktpersonen mit Kuba-Erfahrung suchte. Einen Gewinn erzielte Heinrich Escher nicht. Die Schulden von Fritz übertrafen das Geerbte. Heinrich Escher versteuerte vor und nach Antritt der Erbschaft rund 800000 Franken. Damit gehörte er wohl zu den reichen Zürchern, nicht jedoch zu den reichsten.

    Die Angriffswellen, die über Vater Heinrich und Sohn Alfred Escher herein-brachen, waren politisch motiviert. Bedenken gegenüber Sklavenhaltung keimten vor Mitte des 19. Jahrhunderts in Zürich wie in der übrigen Schweiz erst langsam. Dies dokumentieren 1864 etwa Bundesrat und Parlament als es um die Sklavenfrage in Brasilien ging.

    1853 starb Heinrich Escher, und Sohn Alfred erbte den grössten Teil seines Vermögens. Wenn man lesen muss, wie kürzlich zwei Historiker aus Harvard in dieser Zeitung [NZZaS] schrieben, Sklavengeld aus Kuba habe das Schweizer Schienennetz samt Gotthardbahn mitfinanziert, so ist das haar-sträubende Geschichtsklitterung. Zunächst finanzierten massgeblich ausländische Banken den privaten Bahnbau in der Schweiz, bis 1856 die Schweizerische Kreditanstalt ihre wichtige Rolle als Eisenbahnbank übernahm. Kapitalmässig beherrschte Alfred Escher keine der von ihm mitgegründeten Firmen. Das Aktienkapital dieser Finanz- und Eisenbahnunternehmen bewegte sich in ganz anderen Dimensionen als sein eigenes Vermögen. Bei der SKA verfügte Präsident Escher wie jeder andere Verwaltungsrat über 312 Gründungsaktien und damit über rund ein Prozent des
    Aktienkapitals. Die grosse Mehrheit wurde von ausländischen Investoren gehalten. Allein die Credit-Anstalt in Leipzig kontrollierte
    50 Prozent des Kapitals.

    Im gigantischen Meer seiner Aufgaben fehlte Escher bald schon für private Investitionen schlicht die Zeit. Die Modernisierung der Schweiz war ihm wichtiger, dafür setzte er seine Kraft ein. Nach seinem Tod 1882 ging sein Vermögen an seine Tochter Lydia über, nach deren Freitod 1891 an den Bund.

    Alfred Escher ist nicht für die Handlungen seiner Vorfahren verantwortlich. An seinen eigenen Taten soll man ihn messen. Dafür hat er sein Denkmal auf dem Zürcher Bahnhofplatz verdient.

     

     

  • Arthur Welti – Reporter, Regisseur, Radiolegende
    Pionier des Monats | September 2020
    98, Arthur Welti. Reporter, Regisseur, Radiolegende von Karl Lüönd

    Arthur Welti – Reporter, Regisseur, Radiolegende

    Arthur Welti (1901–1961) verkörperte das Radio in der Schweiz in dessen ersten Jahrzehnten wie kein anderer. In den rund 25 Jahren seines Wirkens entwickelte sich das Radio zum Massenmedium Nummer 1. Dabei waren alle Sendeformen neu. Ob Theater, Vorträge oder Konzerte, alles musste auf das Radio zugeschnitten werden. Es war Arthur Welti, der die «Erfindung» des Radios wesentlich mitprägte und so zum «Radio-Welti» der deutschen Schweiz wurde.

    Geboren wurde Arthur Welti am 14. September 1901 als Spross des weitherum bekannten Transportunternehmens «A. Welti-Furrer» (vgl. Pionierband 47). Seine Eltern verstarben früh, sodass er bereits mit 15 Jahren Vollwaise wurde. Nach Absolvierung der obligatorischen Schulen und der Matura in naturwissenschaftlicher Richtung, entschied sich Arthur Welti trotzdem für ein Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Geschichte in Florenz, Zürich und Berlin.

    Theaterkarriere in Deutschland

    1921, bald nach dem Umzug nach Berlin und der Immatrikulation an der Universität für Germanistik- und Geschichtsstudien, wechselte Artur Welti zu Schauspiel- und Gesangsstudien. Ab 1923 bis 1932 hatte er verschiedene Engagements als Schauspieler an Bühnen in Karlsruhe, Frankfurt an der Oder, Dresden und Berlin.

    Rückkehr in die Schweiz

    Aufgrund der politischen Lage in Deutschland kehrte Arthur Welti 1932 in die Schweiz zurück. Auch in Zürich spielte er zunächst weiter erfolgreich Theater, sprach und schrieb aber auch Hörspiele fürs Radio. Anfang 1933 erhielt er die Stelle eines Ansagers, Hörspielleiters, Reporters und Redaktors beim Radio Zürich. Der Grundstein zum Radiopionier war damit gelegt.

    Neue Sendeformen: Reportagen, Heimatabende etc.

    Als Reporter an Skirennen oder an der Tour de Suisse waren nebst neuen Sendeformen auch die technischen Aspekte herausfordernd. Nach einer Reportage im Gefängnis habe er mehr als 200 teils überschwängliche Glückwunschbriefe erhalten, wie Welti in einem Brief festhielt. Aber auch die später als «Bunte Abende» bekannten Heimatabende mit Reportage, Unterhaltung und Kultur sind in den 1930er Jahren unter der Leitung Weltis entstanden.

    Landesausstellung 1939

    Für die Landesausstellung 1939 errichtete die SRG ein eigenes Radio-Studio auf dem Ausstellungsgelände, das zu einem Publikumsmagnet wurde. Und mit ihm wurde Arthur Welti, der den Bau des Studios und das ganze Programm verantwortete, schweizweit zur Radiolegende.

    «Polizischt Wäckerli»

    Nach dem Kriegsende 1945 veränderte sich das Radio wesentlich. Nachrichten aus aller Welt kamen ins Programm und der Unterhaltungsteil erlebte einen Aufschwung. Bis heute bekannt ist das «Echo der Zeit», in dessen Anfangsjahren Arthur Welti und mit ihm Radiopioniere der ersten Generation mitwirkten. Bald aber wurden sie, die zumeist eine Ausbildung im Theaterfach durchliefen, von professionellen Journalisten abgelöst. Ein anderer grosser Erfolg war dem «Polizischt Wäckerli» beschert, einer volkstümlichen und unterhaltenden Hörspielserie. Initiant davon war einmal mehr: Arthur Welti.

    Privatleben

    Als gestandener Mann heiratete er 1948 seine grosse Liebe Jeanne Nigg. Sie bekamen zwei Kinder, Philippe und Christiane, und erlebten eine glückliche Zeit als Familie.

    Bereits 1958 erkrankte aber Arthur Welti schwer, sodass er Ende 1959 seine Tätigkeit beim Radio aufgeben musste. Nach einem Sturz erholte er sich nicht mehr und verstarb erst knapp 60-jährig am 12. September 1961 in Zürich.

  • Versuch, Erfolg, Irrtum – Telekomindustrie von Hasler zu Ascom
    Pionier des Monats | Juni 2020
    116, Versuch, Erfolg, Irrtum – Telekomindustrie von Hasler zu Ascom

    Versuch, Erfolg, Irrtum – Telekomindustrie von Hasler zu Ascom

    «Hasler» – das war früher ein Synonym für Telefon. Angefangen als kleine Werkstatt und gewachsen zum grössten Arbeitgeber der Stadt Bern, prägte Hasler die Telekomszene in der Schweiz für Generationen. Dahinter standen zunächst Vater und Sohn Hasler, die der Unternehmung für fast 100 Jahre vorstanden. Sie entwickelten Telegraphenapparate und Telefonzentralen, setzten auf die Drahtlostechnologie und bauten «nebenbei» weltberühmte Geschwindigkeitsmesser, meteorologische Messinstrumente oder Signalanlagen. Das Erbe der Haslers wuchs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter, die Fusion zur Ascom sollte ein Befreiungsschlag im harten Wettbewerb der Globalisierung werden. Doch es folgte der stufenweise Abstieg. Der Erfolg blieb aus, nicht aber die Spannung in der wechselvollen Geschichte.

    «Daniel Düsentrieb»

    Die Schweizer Telekomgeschichte begann 1852 mit der Errichtung der Eidgenössischen Telegraphenwerkstätte. Matthias Hipp (1813–1893) hiess deren erster Direktor, dessen Pioniergeist zahlreiche Erfindungen hervorbrachte. Zur prägenden Figur wurde aber sein Gehilfe Gustav Adolf Hasler (1830–1900), der das Unternehmen ab 1860 bis zu seinem Tod führte und laufend erweiterte. Er war ein Tüftler, ein «Daniel Düsentrieb», der alles erfand, was man wollte. Wasserstandsmelder für Flüsse und Seen, Geschwindigkeitsmesser für Eisenbahnstationen und Eisenbahnzüge oder ein registrierender Thermograph für Wetterwarten. Wegweisend war aber insbesondere der Einstieg in die Drahttelefonie.

    Expansion in Krisenzeiten

    Auf dieser Grundlage, der Betrieb umfasste rund 300 Arbeiter und ein neues Fabrikgebäude im Berner Mattenhof, begann sein Sohn Gustav Hasler (1877–1952) mit gerade mal 22 Jahren, nachdem der Vater überraschend an einer Lungenentzündung gestorben war. Hilfreich waren für ihn zwei Eigenheiten der Hasler-Werkstätte. Erstens stand ihm ein loyales Kader von Technikern zur Seite, zweitens waren die Verbindungen zum wichtigsten Auftraggeber, der Eidgenössischen Post- und Telegraphenverwaltung (später PTT), eng und vertrauensvoll. Doch Hasler jun. beliess es nicht bei altbewährtem. Speziell in den Krisenzeiten der Weltkriege schickte er sich an, neue Unternehmensgebiete zu erschliessen.

    Hochfrequenztechnik

    Sichtbar wurden diese Expansionen an den neuen Fabriken, die bald das Stadtbild Berns prägten. Hasler Telefonzentralen für immer mehr Anschlüsse, zunächst bedient, bald aber automatisiert, überzogen das Land. Dazu kam die Hochfrequenztechnik für die Drahtlostelefonie und Radioübertragungen. An seinem Lebensende feierten über 3000 Mitarbeiter das 100-jährige Bestehen der Hasler-Werke und ihrer Vorgängerunternehmen.

    Von den Hasler-Werken zur Ascom

    Die Stiftung Hasler-Werke führte das Erbe weiter. Und weiterhin setzte man auf Wachstum. Die Hochkonjunktur und das staatliche Telefonmonopol sorgten für andauernde Erweiterungen. Und mit der Digitaltechnik stand ein neuer Quantensprung bevor. Um internationale Konkurrenzfähigkeit zu erlangen, fusionierte Hasler mit den Telekomanbietern Gfeller/Autophon und Zellweger zur Ascom (urspr. Association Suisse de Communication). Mit bald einmal 18’000 Mitarbeitern war man zwar nach internationalen Massstäben weiterhin ein kleines Telekomunternehmen, dank entsprechender Flexibilität sollten aber Nischen besetzt werden können.

    Niedergang in Raten

    Doch schlagfertig wurde Ascom nie. Der Konzern war in die ehemaligen Unternehmen und deren Organisationseinheiten aufgeteilt, die angestrebten Reorganisationen schlugen fehl. Ab der Jahrtausendwende begann der Schrumpfungsprozess, immer wieder begleitet von hoffnungsvollen Neuanfängen. So wollte der Zürcher Financier Ernst Müller-Möhl mit dem Internet aus der Steckdose Ascom zu internationaler Bedeutung führen. Doch sein Unfalltod am Gotthard beendete die hochfliegenden Pläne, die von vielen ohnehin als Störfaktor wahrgenommen wurden. Heute bietet Ascom Kommunikationslösungen speziell für Spitäler und Pflegeeinrichtungen an, mit noch rund 1000 Mitarbeitern.

  • Fridolin Jenny-Heer – Gründervater der «Fritz + Caspar Jenny Ziegelbrücke»
    Pionier des Monats | Mai 2020
    99, Spinnen, Weben, Drucken. Pioniere des Glarnerlandes,

    Fridolin Jenny-Heer – Gründervater der «Fritz + Caspar Jenny Ziegelbrücke»

    Krisenzeiten markieren Zäsuren in der Geschichte, auch bei den Schweizer Pionieren der Wirtschaft und Technik. So muss die Textilfirma Jenny Fabrics AG in Ziegelbrücke Ende August 2020 nach 186 Jahren ihre Tore schliessen. Die Corona-Krise hat ihr den Rest gegeben. Doch wo althergebrachte Unternehmen und Industrien ihren Niedergang erleben, wachsen auch neue Bereiche heran. So zeigt ein Blick in die Geschichte der Jenny Fabrics, dass ihr Gründervater Fridolin Jenny-Heer (1784–1857) bei seiner ersten Unternehmensgründung wesentlich von einer Krisenzeit profitierte.

    Kindheit in der Fabrik

    Am 15. September 1784 kam Fridolin Jenny im glarnerischen Ennenda zur Welt. Er wuchs zusammen mit seinen älteren Brüdern Bartholome und Kaspar auf. Sein Vater arbeitete als Postbote und Holzfäller. Nach einigen Jahren Schulbesuch arbeitete Fridolin Jenny in der kleinen Blaufärberei «auf dem Hohlenstein» in Glarus als Hilfskraft. Zu Hause musste er beim Handspinnen mithelfen.

    Mitgründer einer Weberei

    1808 gründeten die drei Brüder das Handwebereigeschäft «Barth. Jenny & Cie.». Dabei profitierten sie von der Kontinentalsperre Napoleons, die den Import von Baumwolle aus England untersagte und dadurch der Schweizer Baumwollindustrie Expansionsmöglichkeiten bot. Die Gebrüder Jenny arbeiteten während zwanzig Jahren zusammen, in denen Fridolin vorzugsweise als Handelsmann die Tücher in der Ostschweiz, aber auch in Italien absetzte.

    Erste eigene Fabrik

    Im Jahre 1827 trat Fridolin Jenny aus der Firma «Barth. Jenny & Cie.» aus, um 1828 in Glarus eine eigene Handweberei-Fabrik unter dem Namen «Fr. de Caspar Jenny» zu gründen. Im Unterschied zu seinen Brüdern sah er die Zukunft in einer mechanischen Baumwollspinnerei, zudem behagte ihm nach zwanzig Jahren die Rolle als Juniorpartner nicht mehr. Wie seine Brüder verkaufte er Rohtücher an Glarner Druckereien und auf Tüchermärkten in St. Gallen.

    Gründung einer mechanischen Baumwollspinnerei

    Für sein Vorhaben konnte Fridolin Jenny seinen Geschäftspartner David Enderlin als Mitinvestor gewinnen. Als Standort wählte Fridolin Jenny das Gebiet Ziegelbrücke, südlich des Linthkanals, in der damaligen Gemeinde Niederurnen gelegen. Bereits 1834 nahm die Spinnereifabrik den Betrieb auf. Die Spinnmaschinen kamen von der Maschinenfabrik «Joh. Jacob Rieter & Cie.» in Winterthur und von «Nicolas Schlumberger & Cie.» im Elsass. Letztere ersetzte Jenny 1860 durch solche von der Firma «Platt Brothers» in Oldham bei Manchester.

    Ausgezeichnete äussere Bedingungen

    Der Standort Ziegelbrücke zeichnete sich durch hervorragende Bedingungen aus: Die Linthkorrektion hatte neuen Boden geschaffen und den zentralen Transportweg zwischen Walen- und Zürichsee sicherer gemacht. Es war auch genügend Wasserkraft für den Antrieb der Maschinen vorhanden. Ab den 1850er Jahren wurde sogar die Eisenbahnlinie in unmittelbarer Nähe zur Fabrik gebaut.

    Konzentration auf die Spinnerei

    Bald gab Fridolin Jenny den Handel mit bedruckten Tüchern zu Gunsten des Betriebszweigs der Spinnerei auf. Am 1. März 1836 gründete er zusammen mit David Enderlin die Firma «Enderlin & Jenny». Bereits 1838 erwarb Fridolin Jenny auf der Allmend von Niederurnen die stillgelegte Spinnerei «Zweifel & Weinhofer». Er funktionierte diese Fabrik in eine Grossspinnerei um. Eine Spezialität waren stärkere Garne, die durch Teilen einer Faser in mehrere Fäden hergestellt wurden. 1851 richtete er dort eine mechanische Weberei mit 300 Webstühlen ein. Er nutzte die Wasserkraft auch hier und ersetzte 1852 die alten Wasserräder durch leistungsfähigere Turbinen des Maschinenbauunternehmens «André Koechlin & Cie.» aus Mulhouse.

    Kurzer Ruhestand

    Im Jahre 1855 ging Fridolin Jenny in den Ruhestand, nachdem er die Führung der Firma «Enderlin & Jenny» bereits 1852 seinem Sohn Kaspar übergeben hatte. Auch David Enderlin trat aus der Leitung aus und übergab seinen Anteil seinen vier Söhnen.

    Fridolin Jenny verstarb am 28. November 1857 in Ziegelbrücke.

    Mehr über Fridolin Jenny-Heer erfahren Sie im Pionierband 99 «Spinnen, Weben, Drucken. Pioniere des Glarnerlandes».

  • Casimir Friedrich Knörr – Gründer von Schifffahrtsgesellschaften
    Pionier des Monats | April 2020
    89, Transport und Tourismus. Pioniere der Dampfschifffahrt

    Casimir Friedrich Knörr – Gründer von Schifffahrtsgesellschaften

    Es ist in diesen Wochen ruhig geworden auf den Schweizer Strassen, Schienen, Flugplätzen und Seen. Einmal mehr wird augenscheinlich, wie sehr das wirtschaftliche Leben mit dem Verkehr zusammenhängt. Das war schon immer so. So hat die Schweizer Wirtschaft just dann zum grossen Sprung angesetzt, als neue Verkehrssysteme entstanden. Den Anfang machte dabei die Dampfschifffahrt. Auf dem Vierwaldstättersee, auf dem seit dem 28. März 2020 sämtliche Schifffahrt eingestellt ist, war es Casimir Friedrich Knörr (1808–1882), der 1837 das erste Dampfschiff vom Stapel liess.

     

    Gut informierter Geschäftsmann

    Am 12. Mai 1808 wurde Casimir Friedrich Knörr als Sohn des Luzerner Banquiers Frédéric Knörr in Strassburg geboren. Er leitete ab 1828 das väterliche Bank- und Handelshaus in Luzern. Schon länger war in der Politik die Rede von einer Schiffsverbindung quer über den Vierwaldstättersee als direkte Verbindung zwischen Basel und dem Tessin. Dies hatte Casimir Knörr aufmerksam verfolgt, und er begann ab etwa 1832 die Frage der Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee zu überdenken.

    Eile mit Weile

    Knörr suchte nach Geldgebern weit über Luzern hinaus bis nach Basel und liess dann ein Schiff bei «Escher Wyss & Cie.» in Zürich bauen. Dies dauerte seine Zeit, denn die Schweizer Maschinenindustrie konzentrierte sich damals noch auf Textilmaschinen. Erst die Dampfschifffahrt und später die Eisenbahn haben die Maschinenindustrie zum führenden Wirtschaftsbereich gemacht. So mussten Mitte der 1830er Jahre Kessel und Maschine des Dampfschiffs aus England hergebracht werden.

    Der eiserne Koloss gegen die hölzernen Nauen

    Nachdem der Grosse Rat des Kantons Luzern 1835 dem erst 27-jährigen Knörr die Konzession für die Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee erteilt hatte, wurde ein Jahr später die «Dampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees, Luzern» gegründet und am 19. Juli 1837 fand der Stapellauf des Schiffes statt, welches vermutlich erst später den Namen «Stadt Luzern» erhielt. Damit wurde das Transportwesen auf dem Vierwaldstättersee auf den Kopf gestellt. Der eiserne Koloss mit einem Frachtvermögen von 10 Tonnen und Platz für 300 Personen war für die Schiffleute mit ihren Nauen eine unerträgliche Konkurrenz. Insbesondere in Schwyz und Uri entstand, auch politisch bedingt, Widerstand, der sogar vor Gericht ausgetragen wurde.

    Harter Konkurrenzkampf

    Casimir F. Knörr liess sich nicht beirren, sondern 1843 ein zweites Dampfschiff mit dem Namen «St. Gotthard» vom Stapel laufen. Im selben Jahr gründete der Urner Verkehrspionier Karl Emanuel Müller die Postdampfschiffgesellschaft als erklärtes Konkurrenzunternehmen. Schliesslich wollte in den 1850er Jahren eine weitere Gesellschaft auf dem Vierwaldstättersee mitmischen. Als die Schweizerische Centralbahn 1856 nach Luzern vorstiess, beabsichtigte sie den Verkehr mit eigenen Schiffen Richtung Gotthard weiterzuleiten. Doch die bestehenden Gesellschaften von Knörr und Müller verhinderten dies, indem sie die beiden von der Centralbahn bestellten Schiffe erst pachteten und schliesslich kauften.

    Salondampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees

    Im Jahre 1870 wurden alle Unternehmungen auf dem Vierwaldstättersee zur «Vereinigten Dampfschifffahrts-Gesellschaft des Vierwaldstättersees (VDGV)» zusammengefasst. Knörr verfolgte aber weiterhin eigene Interessen. Er verkaufte, wohlgemerkt als amtierender Verwaltungsrat der VDGV, während des Sommers 1871 einen grossen Teil seiner Aktien und gründete die «Salondampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SDV)». Das Ansinnen war aber nur von kurzer Dauer. Nach langen Verhandlungen verkaufte er 1872 die beiden bereits bestellten Salonschiffe und verpflichtete sich, nie mehr eigene Schifffahrtsunternehmen auf dem Vierwaldstättersee zu gründen.

    Am 19. März 1882 verstarb Casimir Friedrich Knörr in Luzern.

     

    Mehr über Casimir Friedrich Knörr erfahren Sie im Pionierband 89 «Transport und Tourismus. Pioniere der Dampfschifffahrt».

  • Josef Theodor Erb – Geologe und Manager
    Pionier des Monats | März 2020
    97, Swiss Gang. Pioniere der Erdölexploration

    Josef Theodor Erb – Geologe und Manager

    Der Zerfall des Ölpreises Anfang dieser Woche brachte die Börsen weltweit ins Wanken. Einmal mehr zeigte sich die Abhängigkeit der gesamten Wirtschaft vom «schwarzen Gold» bzw. von den erdölexportierenden Ländern im Nahen Osten. Historisch betrachtet kam die arabische Halbinsel aber relativ spät in den Fokus der Erdölförderung. Bis in die 1920er Jahre betätigten sich die zumeist europäischen und amerikanischen Firmen vor allem im heutigen Indonesien, den Antillen und Teilen Süd- und Nordamerikas. Mit dabei waren nicht selten Schweizer, die als gefragte Geologen im Dienste der grössten Erdölunternehmen standen. Einer der bedeutendsten war Josef T. Erb (1874–1934).

    Ausbildung bei Albert Heim
    Josef Theodor Erb wurde am 25. Februar 1874 in Volkach (Bayern) als Schweizer geboren. Über Aarau kam seine Familie nach Zürich, wo er an der ETH beim berühmten Geologen Albert Heim Naturwissenschaften studierte. Danach war er Assistent von Ulrich Grubenmann, bei dem er mit einer Arbeit zum Thema «Die vulkanischen Auswurfsmassen des Hegaus» im Jahre 1899 dissertierte.

    Erste Station Sumatra
    Bereits 1900 trat er in die Dienste der «Royal Dutch Petroleum Company» ein und reiste für sie ins damalige Niederländisch-Ostindien (heutiges Indonesien). Auf Süd-Sumatra hatte die Royal Dutch Petroleum Company seit 1890 mehrere erfolgreiche Ölbohrungen lanciert, deren Quellen aber immer relativ rasch versiegten. Deshalb waren Geologen wie Josef Erb gesucht, die das Land systematisch nach Erdöl examinierten.

    Nach Malariaerkrankung wieder in Java tätig
    Aufgrund einer Malariaerkrankung kehrte Josef Erb 1903 nach Europa zurück, wo er in Berlin seine technisch-geologischen Kenntnisse vertiefte. Allerdings befand er sich schon 1905 wieder in Niederländisch-Ostindien, genauer auf Java.

    Erster Chefgeologe der «Royal Dutch Shell»
    Mit der Fusion der Royal Dutch Petroleum Company mit der englischen Shell Transport and Trading Company Ltd. zur Royal Dutch Shell wurde Josef Erb 1907 Leiter des geologischen Dienstes. Seine technischen Kenntnisse sowie sein strategisches Denken empfahlen ihn für dieses Amt. Somit hatte er die Verantwortung für neue Explorationsgebiete und auch für die Verhandlungen für neue Ölbohrkonzessionen der Royal Dutch Shell. Als Chefgeologe gehörte Josef Erb nun zum Management der neu gegründeten Erdöl-Company.

    Geophysikalisches Verfahren
    Josef Erb begann 1920 die Möglichkeiten auszuloten, die die Geophysik bei der Erdförderung darstellte. Auf einer Reise nach Deutschland lernte er die gravimetrische Messung mittels der Torsions- oder Drehwaage kennen. Da sich verschiedene Gesteinsschichten in ihrer Dichte unterscheiden und damit die Gravitationskraft unterschiedlich beeinflussen, können mit dieser Methode gewisse geologische Strukturen identifiziert werden. Mit diesem Verfahren hielt die Geophysik in der Erdölforschung Einzug.

    Steile Karriere
    Innerhalb der Royal Dutch Shell stieg Josef Erb über den Direktorenposten der «Zentralen Abteilung für Geologie» im Jahre 1921 zum «Managing Director» auf und besetzte eine der wichtigsten Stellen der Erdölindustrie jener Zeit. Er ebnete damit zahlreichen Schweizern den Weg bei Royal Dutch Shell. Bis in die neuste Zeit war der oberste Techniker von Shell ein Schweizer.
    Im Jahre 1929, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, demissionierte Josef Erb, gesundheitlich angeschlagen. Er blieb aber Mitglied des Verwaltungsrates der Royal Dutch Shell bis zu seinem Tod am 24. Oktober 1934 in Den Haag.

    Mehr über Josef Theodor Erb erfahren Sie im Pionierband 97 «Swiss Gang. Pioniere der Erdölexploration».

  • Alfred Escher – Visionär, Grossbürger, Wirtschaftsführer
    Pionier des Monats | April 2019
    114, Alfred Escher – Visionär, Grossbürger, Wirtschaftsführer

    Alfred Escher – Visionär, Grossbürger, Wirtschaftsführer

    Es gibt eine Schweiz vor und eine Schweiz nach Alfred Escher. Das Wirken des Zürcher Politikers und Wirtschaftspioniers markiert ein einmaliges wirtschaftsliberales Zeitfenster in der Geschichte der Schweiz. Die neue Bundesverfassung von 1848 bildete in ihrer wirtschaftsliberalen Ausrichtung die Grundlage für den fulminanten Aufstieg der Schweiz vom Armenhaus zum reichsten Land Europas. Doch das allein genügte nicht. Es brauchte Personen, die die Chance packten, den Aufstieg gestalteten und so wesentlich zum Erfolg beitrugen. Eine davon war Alfred Escher, wie der neuste Pionierband aus der Feder von Joseph Jung anschaulich zeigt.

    Alfred Escher beherrschte während Jahrzehnten die zürcherische und die eidgenössische Politik in einem Masse, wie dies heute unvorstellbar wäre. Er gehörte dem Nationalrat während 34 Jahren ununterbrochen an und wurde als einziger Parlamentarier in der Geschichte des Bundesstaates viermal zu dessen Präsidenten gewählt. Während 38 Jahren sass er im Kantonsrat (Grossrat), sechsmal war er dessen Präsident. Während 7 Jahren war er Regierungsrat, davon während 4 Jahren als Präsident. Über die ganze Zeit seiner politischen Tätigkeit sass Escher in mehr als 200 eidgenössischen und kantonalen Kommissionen, von denen er einen grossen Teil präsidierte.

    Wirtschaftsliberales Erfolgsjahrzent

    Eschers Mehrfachrolle als exekutiver und legislativer Politiker sowie als Unternehmer und Wirtschaftsführer war trotz aller staatsrechtlicher Vorbehalte der Schlüssel zum Erfolg. Seine wirtschafts- und kulturpolitischen Gründungen dokumentieren die Stellung dieses Mannes: Nordostbahn (gegründet 1853, heute SBB), Gotthardbahn (1872, SBB), Eidgenössisches Polytechnikum (1854, ETH Zürich), Schweizerische Kreditanstalt (1856, Credit Suisse), Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (1857, Swiss Life). Dabei war er nicht nur deren Promotor, sondern übernahm gewöhnlich auch die Führungsfunktion – und dies während Jahrzehnten.

    Maximen der Aussenpolitik

    Schon früh engagierte sich Escher in aussenpolitischen Angelegenheiten: 1848 hatte er als Repräsentant der Tagsatzung mit heiklen asylpolitischen Fragen im Kanton Tessin zu tun. Die Aussenpolitik war auch in späteren Jahren eines seiner Tätigkeitsfelder, auf dem er mit klugem Rat entscheidend zur Verhinderung drohender militärischer Auseinandersetzungen beitrug. Die Maximen der schweizerischen Neutralitätspolitik gehen auf ihn zurück.

    Die Krönung seines Schaffens: die Gotthardbahn

    Eschers triumphales Meisterstück war das Gotthardprojekt. Er war de facto Bauherr auf der grössten und schwierigsten Baustelle der Welt. Hier musste er aber auch die schmerzvollste politische Enttäuschung einstecken. 1878 sah er sich gezwungen, als Direktionspräsident der Gotthardbahn zurückzutreten.

    Förderer des Standorts Zürich

    Durch sein Engagement in der Eisenbahnpolitik sowie bei seinen Gründungen förderte Escher den Standort Zürich gezielt und baute an der Limmat ein machtpolitisches Zentrum auf, das grossräumig über die Kantonsgrenzen hinaus konzipiert war. Dank seinen Initiativen und Projekten prosperierten in Zürich Verkehr, Industrie, Handel, Wissenschaft und Kultur.