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Antoine-Henri Jomini – Begründer der Logistiklehre

Aufgrund des gegenwärtigen Weltgeschehens, sowohl der Corona-Pandemie als auch dem Krieg in der Ukraine, gewinnen Fragen der Logistik an Aktualität. Damit werden die Erinnerungen an den Begründer der Logistiklehre, den gebürtigen Waadtländer Antoine-Henri Jomini (1779–1869) wach. Er entwickelte seine Logistiklehre zwar ursprünglich für den Krieg, aber ihre Wichtigkeit wurde bald auch für das zivile Leben erkannt, und so ist sie zum festen Bestandteil der Wirtschaftswissenschaften geworden.

Privatschule und Banklehre

Antoine-Henri Jomini kam am 6. März 1779 in Payerne zur Welt. Er wuchs mit vier Geschwistern in begüterten Verhältnissen auf. Im Alter von 14 Jahren wurde er von seinem Vater zum Erlernen der deutschen Sprache und des Handelswesens nach Aarau in die Privatschule Rahn gesendet. Danach durchlief er eine Banklehre beim Institut Preiswerk in Basel. Nach Abschluss der Lehre reiste Jomini nach Paris, wo er zuerst in einem Unternehmen für Armeeausrüstungen namens Delpont arbeitete und danach bei der Bank Mosselmann eine Stelle antrat.

Erste logistische Arbeiten

Nach der Proklamation der Helvetik kehrte Jomini in die Heimat zurück und erhielt 1798 eine Anstellung als «Sekretär» und später als Adjunkt des Kriegsministers. In diesem Amt verfasste er zahlreiche Reglemente nach französischem Vorbild, wobei damals schon seine systematischen Überlegungen und die spezielle Betrachtung logistischer Grundsätze ihren ersten Niederschlag fanden.

Karriere in drei Armeen

In der helvetischen Armee wurde Jomini zum Hauptmann befördert, ehe er 1801 zurücktrat. Er ging nach Paris, wo er schliesslich mit seinen theoretischen Schriften über militärische Taktik die Gunst Napoleons erwarb. In der Folge diente Jomini für Frankreich, zuletzt im Rang eines Brigadegenerals. Grosse Verdienste erwarb er sich insbesondere während des Russlandfeldzugs, als er den Übergang über die Beresina rekognoszierte und so den Rückzug der französischen Armee erleichterte. Differenzen mit seinen Vorgesetzten bewegten ihn 1813 zur Demission. Jomini nahm das Angebot des russischen Zaren an und wechselte die Seiten.

Vater der Logistiklehre

Nach den napoleonischen Kriegen beschäftigte sich Jomini mit theoretischen Fragen und gründete die russische Militärakademie. In seinem Werk «Précis de l’art de la guerre» von 1837 hat er den Begriff der Logistik weiterentwickelt und erstmals wissenschaftlich begründet. Er sah in der Logistik nicht mehr nur die Versorgung der Truppen, sondern alle Massnahmen, die sich auf die Bewegungen der Armeen und auf die sich daraus ergebenden Handlungen erstrecken. Damit hat er nicht nur den Logistikbegriff geschaffen, sondern auch die Logistiklehre begründet.

Antoine-Henri Jomini verstarb am 22. März 1869 in Passy bei Paris.

Die zivile Logistik heute

Der Begriff der Logistik ist aus der Wirtschaftswissenschaft heute nicht mehr wegzudenken. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde er aber fast nur für militärische Zwecke verwendet und auf den Transport und die Lagerung der Güter reduziert. Seit den 1970er Jahren wurde der Begriff «Logistik» in der Betriebswirtschaft allgemein gebräuchlich. Zugleich fand auch, ganz im Sinne von Jominis Erkenntnissen, die Ausweitung des Logistikbegriffs statt. Nach aktuellem Verständnis umfasst Logistik neben Transport, Umschlag und Lagerung die Bewirtschaftung der ganzen Wertschöpfungskette, sogar über das einzelne Unternehmen hinaus.