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Das Wirken von Gottfried Bangerter lebt weiter

Industriekapitän, immer unter Strom

Industriekapitän, immer unter Strom

Geschichte Gottfried Bangerter (1847–1923) verlieh als Pionier Wirtschaft und Technik im Kanton Bern Schwung. Warum für den freisinnigen Industriellen ein starker Staat trotzdem wichtig war, zeigt eine neue Biografie.

Ein Pionier setzt auf neue Technologien: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren es Strom und Gas, die für Gottfried Bangerter (1847–1923) die Zukunft verkörperten. Als sein wohl liebstes Kind gilt die Kohlensäurefabrik Bern, die er mit Tatendrang und Schaffenskraft zur Carba, der nachmaligen Carbagas, aufbaute. Er stand auch an den Schalthebeln, als sich der
Kanton Bern rasant elektrifizierte und industrialisierte.
«Er ragt unter den bernischen Wirtschaftern heraus als alpiner Block aus der Moräne wohlfeiler Köpfe», hiess es in einer Laudatio zu seinem 70. Geburtstag. Auch die Bezeichnung «der Escher von Bern» sei nicht so falsch, schreibt Autor und Historiker Walter Thut über den Industriellen in «Die Energie der Berner Industrialisierung» in der Reihe «Schweizer Pioniere der
Wirtschaft und Technik». Es ist die erste Biografie über den bedeutenden, aber fast vergessenen Berner.

Aufstieg in Langenthal

Allerdings wurde Bangerter rund eine Generation nach dem Zürcher Escher geboren, und der Umfang seiner Unternehmungen reichte nicht an den Eisenbahnbaron und Gründer der Kreditanstalt heran.
Gross geworden war der in Lyss geborene Bangerter im Textilsektor. Erst betätigte er sich in der väterlichen Zement- und Steinfabrik und als Textilhändler, ehe er nach seiner Übersiedlung
nach Langenthal zum Fabrikherrn aufstieg. Langenthal war das Zentrum der Textilherstellung und -veredelung. Die Fabrik, die er mit einem Partner aufgebaut hatte, verkaufte er später an die Gugelmann & Cie. 1893 erfolgte die Gründung der Kohlensäurefabrik Bern AG, die zuerst in einer alten Kupferschmiede im Marziliquartier domiziliert war. 1896 wurde auch in Zürich ein Werk gegründet und 1908 im Liebefeld eine neue Fabrik eröffnet. Das Sortiment für Gewerbe und Industrie wurde schrittweise erweitert auf Sauerstoff, Stickstoff, komprimierte Luft, Trockeneis und weitere Produkte, die für den Fortschritt der Technik standen. Brauereien und das Gastgewerbe gehörten zu den wichtigsten Abnehmern der Kohlensäure.
Das Ende des 19. Jahrhunderts war für den Kanton Bern eine Zeit, in der die Modernisierung Fahrt aufnahm. Der Agrarkanton machte Boden gut. Als 1895 in Wynau das Flusskraftwerk gebaut wurde, war er mit von der Partie und wurde Vizepräsident. «Er repräsentierte die Langenthaler Wirtschaft und Öffentlichkeit und damit die künftigen Hauptabnehmer des Wynauer Stroms», schreibt Thut.

Geburtshelfer der BKW

Als die Verantwortlichen des Kraftwerks Hagneck an der Mündung der Aare in den Bielersee eine Expansion ins Auge fassten, schlug Bangerters Stunde. Er gehörte der Kommission an, die abklärte, ob ein Zusammenschluss mit dem Elektrizitätswerk in Spiez sinnvoll wäre. Als Bankrat der Berner Kantonalbank verfügte er zudem über Kontakte zu Geldgebern. 1903 wurde die Fusion vollzogen, und Bangerter bekleidete in den ersten Jahren das Präsidium der neuen Aktiengesellschaft. Der Strom ermöglichte unter anderem die Elektrifizierung der Eisenbahnen im Kanton Bern. Bangerter glaubte aber auch, dass der Strom ein Fortschritt für die kleineren Gewerbetreibenden und Handwerker sein würde.
1906 übernahmen der Kanton Bern und die Kantonalbank das Aktienkapital, und die Kander und Hagneck-Werke mutierten zu den Bernischen Kraftwerken BKW. Bangerter war nicht nur
Pionier, sondern auch «Geburtshelfer» des staatlichen Stromkonzerns. Bangerter häufte in dieser für den Kanton Bern stürmischen Zeit zahlreiche Mandate an. Er schien fast rastlos oder ständig unter Strom. Auch war der Umgang mit den Angestellten zum Teil barsch, die Rede ist von einer «etwas autoritären Art».
Bei seinen Engagements stechen weiter die Papierfabrik Utzenstorf und die Kindermehlfabrik in Belp, Vorgängerin der Galactina, ins Auge. Im Falle der Papierfabrik war harte Aufbauarbeit zu leisten, denn der Einstieg erfolgte, nachdem über die Fabrik 1902 der Konkurs verhängt worden war. Der Aufbau verlief nicht ohne Mühen und Rückschläge, eine konstante Stromversorgung und der Anschluss an die Eisenbahn waren hilfreich. Die Kindermehlfabrik befand sich auf der Suche nach solventen und einflussreichen Investoren, als Bangerter einstieg, um während gut zwei Jahrzehnten den Kurs zu bestimmen. Die Fertignahrung mit Milch als Hauptbestandteil versprach gesunde Kinder und glückliche Mütter. Zusätzlich erwarb die Firma die Lizenz für das Kräftigungsmittel Biomalz.

Wenig Einfluss als Politiker

Schon früh stieg Bangerter auch in die Politik ein, so war er zuerst Gemeinderat in Langenthal, dann Mitglied im Grossen Rat des Kantons Bern und später, von 1890 bis 1902, auch Nationalrat. Er gehörte der Fraktion der Radikal- Demokraten an. Seit 1899 lebte er mit seiner Familie in Bern. Allerdings erzielte «der Schnelldenker», der immer nur die Richtung «vorwärts» kannte, in der Politik die geringere Wirkung als in der Wirtschaft. Er unterstützte und befürwortete ein starkes staatliches Engagement in wichtigen Sektoren der Wirtschaft wie Banken, Bahnen und Kraftwerken. Eigene Vorstösse reichte Bangerter während seiner zwölf Jahre im Nationalrat allerdings keine ein. In einem Nachruf in der «Neuen Berner Zeitung» hiess es, mit Bezug auf die Politik: «Aber dort war eben sein Herz nicht ganz dabei.»

Ein «gewiegter Kaufmann»

Der Tod kam plötzlich Ende Juli 1923. Noch mit 76 Jahren war er geschäftlich voll aktiv. In seinem Todesjahr beteiligte er sich an der Gründung einer Fabrik, die den Vertrieb von Maschinen zum Zweck hatte. Persönlich muss er ein zurückhaltender Mensch gewesen sein, existieren von ihm doch keine schriftlichen Zeugnisse und auch kaum Bilder – Umstände, die den Blickwinkel der Biografie weitgehend auf die Stationen seines wirtschaftlichen Wirkens beschränken. Immerhin schätzte ihn die «Neue Berner Zeitung» als «gewiegten Kaufmann von geradezu beispiellosem wirtschaftlichem Scharfblick und grosser Voraussicht» und einen der «allerbedeutendsten Volkswirtschafter» ein. Betont wurde auch sein Einsatz und seine Zähigkeit, die es ihm erlaubten, Widerstände zu überwinden.

Seite_19_Der_Bund_2019-11-12

Josef Theodor Erb –
Geologe und Manager

Der Zerfall des Ölpreises Anfang dieser Woche brachte die Börsen weltweit ins Wanken. Einmal mehr zeigte sich die Abhängigkeit der gesamten Wirtschaft vom «schwarzen Gold» bzw. von den erdölexportierenden Ländern im Nahen Osten. Historisch betrachtet kam die arabische Halbinsel aber relativ spät in den Fokus der Erdölförderung. Bis in die 1920er Jahre betätigten sich die zumeist europäischen und amerikanischen Firmen vor allem im heutigen Indonesien, den Antillen und Teilen Süd- und Nordamerikas. Mit dabei waren nicht selten Schweizer, die als gefragte Geologen im Dienste der grössten Erdölunternehmen standen. Einer der bedeutendsten war Josef T. Erb (1874–1934).

Ausbildung bei Albert Heim
Josef Theodor Erb wurde am 25. Februar 1874 in Volkach (Bayern) als Schweizer geboren. Über Aarau kam seine Familie nach Zürich, wo er an der ETH beim berühmten Geologen Albert Heim Naturwissenschaften studierte. Danach war er Assistent von Ulrich Grubenmann, bei dem er mit einer Arbeit zum Thema «Die vulkanischen Auswurfsmassen des Hegaus» im Jahre 1899 dissertierte.

Erste Station Sumatra
Bereits 1900 trat er in die Dienste der «Royal Dutch Petroleum Company» ein und reiste für sie ins damalige Niederländisch-Ostindien (heutiges Indonesien). Auf Süd-Sumatra hatte die Royal Dutch Petroleum Company seit 1890 mehrere erfolgreiche Ölbohrungen lanciert, deren Quellen aber immer relativ rasch versiegten. Deshalb waren Geologen wie Josef Erb gesucht, die das Land systematisch nach Erdöl examinierten.

Nach Malariaerkrankung wieder in Java tätig
Aufgrund einer Malariaerkrankung kehrte Josef Erb 1903 nach Europa zurück, wo er in Berlin seine technisch-geologischen Kenntnisse vertiefte. Allerdings befand er sich schon 1905 wieder in Niederländisch-Ostindien, genauer auf Java.

Erster Chefgeologe der «Royal Dutch Shell»
Mit der Fusion der Royal Dutch Petroleum Company mit der englischen Shell Transport and Trading Company Ltd. zur Royal Dutch Shell wurde Josef Erb 1907 Leiter des geologischen Dienstes. Seine technischen Kenntnisse sowie sein strategisches Denken empfahlen ihn für dieses Amt. Somit hatte er die Verantwortung für neue Explorationsgebiete und auch für die Verhandlungen für neue Ölbohrkonzessionen der Royal Dutch Shell. Als Chefgeologe gehörte Josef Erb nun zum Management der neu gegründeten Erdöl-Company.

Geophysikalisches Verfahren
Josef Erb begann 1920 die Möglichkeiten auszuloten, die die Geophysik bei der Erdförderung darstellte. Auf einer Reise nach Deutschland lernte er die gravimetrische Messung mittels der Torsions- oder Drehwaage kennen. Da sich verschiedene Gesteinsschichten in ihrer Dichte unterscheiden und damit die Gravitationskraft unterschiedlich beeinflussen, können mit dieser Methode gewisse geologische Strukturen identifiziert werden. Mit diesem Verfahren hielt die Geophysik in der Erdölforschung Einzug.

Steile Karriere
Innerhalb der Royal Dutch Shell stieg Josef Erb über den Direktorenposten der «Zentralen Abteilung für Geologie» im Jahre 1921 zum «Managing Director» auf und besetzte eine der wichtigsten Stellen der Erdölindustrie jener Zeit. Er ebnete damit zahlreichen Schweizern den Weg bei Royal Dutch Shell. Bis in die neuste Zeit war der oberste Techniker von Shell ein Schweizer.
Im Jahre 1929, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, demissionierte Josef Erb, gesundheitlich angeschlagen. Er blieb aber Mitglied des Verwaltungsrates der Royal Dutch Shell bis zu seinem Tod am 24. Oktober 1934 in Den Haag.

 

Mehr über Josef Theodor Erb erfahren Sie im Pionierband 97 «Swiss Gang. Pioniere der Erdölexploration».

Alfred Escher. Visionär, Grossbürger, Wirtschaftsführer

Es gibt eine Schweiz vor und nach Alfred Escher