Pionierunternehmen sind in den Händen von Patrons

Pionierunternehmen sind in den Händen von Patrons

Eine deutliche Mehrheit der Pionierfirmen wird als Einzelunternehmen oder Personengesellschaft gegründet. Bei diesen Unternehmensformen haften die Pioniere mit ihrem Privatvermögen. Die Firmeninhaber sind daher gezwungen, ihr finanzielles Risiko durch vorausschauendes und umsichtiges Handeln zu steuern. Sowohl Fehler in der Führung des Geschäftes als auch wirtschaftlich bedingte Schwierigkeiten schlagen sich unmittelbar in der Einkommens- und Vermögens-
situation der Unternehmer nieder.
Ein grosses Risiko geht Henri Nestlé (1814–1890)→ Bd. 2 ein, als er sein gesamtes Vermögen in die Entwicklung von Kindernahrung investiert. Doch das Vorhaben lohnt sich: Aus seinem Einmannbetrieb geht der weltweit grösste Nahrungsmittelkonzern hervor. Auch die Winterthurer Brüder Johann Jakob (1806–1883)→ Bd. 40 und Salomon Sulzer (1809–1869)→ Bd. 40 haften mit ihrem Privatvermögen, als sie 1834 ihre Eisengiesserei als Personengesellschaft gründen. Erst 1914 wird das ursprüngliche Unternehmen in drei Aktiengesellschaften aufgeteilt. Zu den Einzelunternehmen oder Personengesellschaften zählen insbesondere auch Handwerksbetriebe, die nicht von Beginn an grosse Kapitalbedürfnisse zu befriedigen haben. So gründet beispielsweise Franz Burckhardt (1809–1882)→ Bd. 59 seine mechanische Werkstätte 1844 in Basel als Einzelunternehmen. Rund 170 Jahre später existiert das Unternehmen immer noch als Burckhardt Compression AG.
Bei kapitalintensiven Unternehmen wie Banken, Versicherungen, Eisenbahngesellschaften oder Kraftwerken ist der Kapitalbedarf bereits in der Gründungsphase hoch. In dieser Situation sind Pioniere gezwungen, die Form einer Kapitalgesellschaft mit breiter finanzieller Abstützung zu wählen. Hier spielen die
Industrie- und Geschäftsbanken, die ab den 1850er Jahren gegründet werden, eine tragende Rolle.
Kapitalgesellschaften tauchen in der Schweiz erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf. Die erste Schweizer Aktiengesellschaft ist die 1801 in St. Gallen gegründete Baumwollen-Spinnerey-Gesellschaft. In der Boomphase der Schweizer Wirtschaft, während des liberalen Zeitfensters des jungen Bundesstaates, werden vermehrt kapitalintensive Projekte in Angriff genommen, so etwa der Privatbau der Eisenbahnen. Für diese bietet sich naturgemäss eine Rechtsform an, die sowohl das Risiko der Unternehmer einschränkt als auch auf schnellem Weg Kapital mobilisieren kann. So werden etwa Alfred Eschers (1819–1882)→ Bd. 4 Nordostbahn-Gesellschaft und die Schweizerische Kreditanstalt in den 1850er Jahren als Aktiengesellschaften gegründet.

Angaben in Prozent