Unternehmerisch, risikofreudig und erfolgreich
Die Firma Tuchschmid in Frauenfeld entwickelte sich in den 156 Jahren ihres Bestehens vom Hersteller einfacher Holzkochherde zum Erbauer von beeindruckenden Stahl-Glas-Konstruktionen. In dritter Generation war es Walter Tuchschmid (1893–1963), der das beschauliche Familienunternehmen zu einem Konzern mit über 200 Mitarbeitern ausbaute. Dass Erfolg immer auch mit Risiko verbunden ist, musste er schon früh und immer wieder erfahren. Oft scheiterte er mit seinen neuen Ideen, nie aber mit seinen Bauten. Die bestehen bis heute.
Der vor 125 Jahren, am 12. September 1893, geborene Walter Tuchschmid übernahm nach einer Schlosserlehre und einer Metallbauschule mit nur 23 Jahren die Leitung der Familienunternehmung, die sich auf den Bau von Holzkochherden und Bahnhofsvordächer spezialisiert hatte. Wie seine Vorfahren sah sich Walter Tuchschmid stets nach Erfolg versprechenden neuen Tätigkeiten um. Bedeutende Aufträge für Metallarbeiten bei den SBB-Kraftwerken in Eglisau und Amsteg sowie zur Verstärkung zahlreicher Eisenbahnbrücken führten zu einem kleinen aber stetigen Wachstum der Firma nach der Krise des Ersten Weltkriegs.
Mitte der 1920er Jahre erlebte die Firma «Gebrüder Tuchschmid, Eisenkonstruktions-Werkstätte» dann ein rasantes Wachstum. Verantwortlich dafür war unter anderem die rege Bautätigkeit in der Zürcher Innenstadt, wo in kurzer Abfolge die heute noch bestehenden Gebäude «Sihlporte», «Schmidhof» und «Handelshof» gebaut wurden. Walter Tuchschmid konnte dabei verschiedentlich Schaufenster und Glasdächer realisieren, wobei seine kittlosen Glaskonstruktionen neuartig waren. Auch die grossen Fensterfronten des Warenhauses Ober, in dem heute das Swiss Casino untergebracht ist, stammen aus Frauenfelder Produktion. 1929 konnte Tuchschmid die Glasdächer über den neuen Perronhallen im Zürcher Hauptbahnhof erstellen, die nota bene bis heute Bestand haben, obwohl sie ursprünglich als Provisorien gedacht waren.
In den 1950er Jahren wurde die Stahlbauabteilung ausgebaut. Zum eigentlichen Durchbruch verhalf der Bau der ersten weit gespannten SBB-Bogenbrücke über den Linthkanal bei Weesen. Doch nicht nur bei neuartigen Metallkonstruktionen, Drehtüren und Schaufenster wirkte er pionierhaft. Ein einträglicher Geschäftszweig wurde etwa der Bau von Massgarderoben für Kinos, Theater und Konzertsäle, oder die Lieferung von Heissluftanlagen für den Luftschutz während des Zweiten Weltkriegs.
Doch nicht immer war die Suche nach neuen Geschäftsbereichen erfolgreich. Bereits seine erste Idee als junger Firmenchef, Granathülsen für die Armee zu produzieren, scheiterte am fehlenden Knowhow seiner Firma für solche Belange. In den 1950er Jahren versuchte er es mit dem Bau von Schienen-Traktoren für die SBB, mit Öltanks und Obstpressen. Doch in allen Bereichen fehlte die notwendige Erfahrung und Tuchschmid musste die Produktion wieder einstellen. Walter Tuchschmid lernte mit diesen Rückschlägen umzugehen und immer wieder neues zu wagen. Das grossartige Wachstum seiner Firma bestätigte die Richtigkeit dieser Strategie. Und so sind es nicht die gescheiterten Projekte, sondern die Fassaden, Dächer und Brücken, die bis heute bestehen und gerade deshalb den guten Ruf der Firma bestätigen.