Radioaktive Leuchtfarben aus Bümpliz
1898 entdeckten Marie und Pierre Curie das radioaktive Element Radium. Und noch während sie an den theoretischen Grundlagen forschten, wendeten Wissenschaftler die radioaktiven Eigenschaften des neuen Elements technisch-industriell an. Einer von ihnen war Walter Merz, der zusammen mit seinem Studienkollegen Albert Benteli mit radioaktiven Leuchtfarben experimentierte. Die Folgen waren eine Patentanmeldung, eine Firmengründung, eine Heirat und die Erfolgsgeschichte von Merz & Benteli.
Walter Merz (1893–1966) wurde als Sohn eines Philologen, Historikers und Journalisten in Bern geboren. Entgegen der Familientradition studierte er von 1913 bis 1918 Chemie an der Universität Bern. Wohl auf Anregung seines Professors Volkmar Kohlschütter experimentierte er zusammen mit seinem Studienkollegen Albert Benteli in seiner Freizeit mit radioaktiven Leuchtfarben. Die beiden richteten dafür bei den Eltern Benteli, im Tiefparterre des Schlosses Bümpliz, ein chemisches Laboratorium ein. 1918 liessen sie ihr Verfahren zur Herstellung von radioaktiven Leuchtfarben patentieren und gründeten kurze Zeit später die Kollektivgesellschaft «Merz & Benteli. Chemisches Laboratorium in Bern-Bümpliz».
Mit der Produktion von Leuchtstoffen bewegten sich die jungen Chemiker in einem höchst gefragten Bereich. Die Anwendungsmöglichkeiten für Leuchtfarben reichten von Lichtschaltern und Strassenpfählen bis hin zu Ansichtskarten und Kinderspielzeug. Die grösste Nachfrage kam aber von Seiten der Uhrenindustrie, die ihren Kunden auch im Dunkeln die richtige Zeit anzeigen wollte. Und speziell in diesem Bereich fanden die Produkte von Merz & Benteli eine gute Abnahme. So wurde das kleine Laboratorium ständig erweitert, bis schliesslich die meisten Gebäude auf dem väterlichen Schlossgut der Produktion von radioaktiven Leuchtfarben dienten. Doch damit nicht genug. 1932 brachten Merz und Benteli einen neuartigen Kunstleim auf den Markt, der ursprünglich dazu diente, die Leuchtfarbe besser auf den Zeigern und Zifferblättern zu fixieren. Doch der Leim mit dem Namen Cementit wurde darüber hinaus zum erfolgreichsten Produkt der Firma, noch heute ist er in jeder Papeterie und in unzähligen Haushalten anzutreffen.
Die Zusammenarbeit mit Albert Benteli hatte auch familiäre Folgen. 1922 heiratete Walter Merz Dora Benteli, die Schwester von Albert, und wohnte fortan im Schloss Bümpliz. Walter Merz war eine Forschernatur, die immer wieder neues erproben und entdecken wollte. Während sich Albert Benteli von Beginn an voll und ganz auf die Produktion fokussierte, vertiefte Walter Merz seine theoretischen Kenntnisse über Leuchtfarben mit einer Doktorarbeit, die er 1922 abschloss. Bereits 1929 trat er von seiner Funktion als Geschäftsführer zurück und überliess seine Anteile seiner Frau Dora. Für einige Jahre arbeitete er als Chemiker für die Viscose-Gesellschaft in Emmenbrücke, die seit 1906 Kunstfasern herstellte. Von der Chemie wandte sich Merz danach der Medizin zu und gründete 1955 die Merz & Dade AG, die medizintechnische Apparate sowie pharmazeutische Produkte herstellte. In der Pionierzeit des Radios war er auch von dessen Möglichkeiten fasziniert und half mit, die Radiostation Bern aufzubauen. Schliesslich engagierte er sich auch als Journalist und Redaktor, unter anderem beim «Schweizer Lexikon». Trotz dieser vielfältigen Engagements blieb er ein Leben lang für die Firma Merz & Benteli als Berater tätig. Walter Merz starb 1966 in Bern.