Ein Bücherreich für Italien
Ulrico Hoepli fasziniert bis heute, er ist ein Phänomen. Seine Biographie spiegelt Themen, die auch 150 Jahre später aktuell sind:
Hoepli trat ab 1870 in ein neues Medienzeitalter ein. Mit ihm setzte das technische Handbuch zum Siegeszug in breiten Bevölkerungsschichten an. Mit über 7000 verlegten Titeln in 64-jähriger Geschäftstätigkeit stärkte die Casa Hoepli das junge Italien sprachlich-kulturell enorm.
Die «Manuali Hoepli» waren ein Geniestreich. In kleinen handlichen Taschenbüchern – die italienischen Schneider bemassen sogar die Taschen der Herrenvestons nach deren Grösse – wurde alles erdenkliche behandelt: Ingenieurskunst, Astronomie, Fremdsprachen, Fussball oder islamische Rechtsprechung. Die über 2000 Titel bildeten beim Tod Hoeplis weltweit die wohl grösste und umfassendste Enzyklopädie.
Hoepli arbeitete täglich 15 Stunden und dies bis zu seinem letzten Tag. Abends genoss er gerne ein Glas Wein, hörte Musik oder spielte Billard. Regelmässig verbrachte er Ferien in der Schweiz und unternahm mit seiner Frau Reisen in die weite Welt. Für ihn stand die Arbeit nicht im Gegensatz zum Leben, sondern sie gab seinem Leben den tieferen Sinn. Sein Leben war die Arbeit.
Hoepli war ein Auswanderer, italienisierte seinen Namen und erhielt das Mailänder Ehrenbürgerrecht. Doch er blieb im Herzen der bodenständige Schweizer aus dem Hinterthurgau, mit der Vorliebe für ein Glas Most.
Im riesigen Verlagsprogramm Hoeplis sucht man vergeblich nach politischen Werken. Doch als Hoepli 1932 angefragt wurde, Mussolinis Reden und Schriften herauszugeben, sagte er letztlich zu. Dass er den Diktator gar als «den grössten lebenden Menschen» bezeichnete, strapaziert unsere Sympathien für ihn. Und auch aus Schweizer Sicht ist es nicht akzeptabel, dass Hoepli Mussolinis Werke edierte.
Der Erfolg liess Hoepli reich werden. Er baute sich eine prunkvolle Villa – und betätigte sich als grosszügiger Mäzen, in Mailand wie in der Schweiz. Er unterstützte den Schützenverein Tuttwil ebenso wie er in die Frauenfeld-Wil-Bahn investierte. Der Universität Zürich vermachte er eine bedeutende Büchersammlung und in Mailand finanzierte er das Planetarium. Die grösste Donation für die Schweiz schaffte er mit der Ulrico Hoepli-Stiftung, die 90 Jahre lang das kulturelle Schaffen in der Schweiz förderte, bis sie 2024 unter fragwürdigen Umständen von der Bildfläche verschwand.