Rudolf Lindt

1855–1909
«Unter den Pionieren der Schokolade ist Rudolf Lindt wohl die seltsamste Figur; weder Kaufmann, Geschäftsmann noch Techniker, eher ein Privatgelehrter, Amateur und Pröbler. Weil sich seine Persönlichkeit so schwer einordnen lässt, ist schon behauptet worden, bei seinen Erfindungen und Entdeckungen habe der Zufall die Hand im Spiel gehabt. Aber auch wenn dem so wäre, so bleibt die Tatsache bestehen, dass er derjenige war, der als erster die feinschmelzende Schokolade herstellte, die die Vorgängerin der heutigen Schokoladetafel ist.»

Urvater der Schokoladentafel

Weltweit wird die Schweiz mit Qualitätsschokolade in Verbindung gebracht. Das ist ein Verdienst von vier Pionieren des 19. Jahrhunderts: François-Louis Cailler hat die erste Schokoladefabrik in der Schweiz eröffnet, Philippe Suchard hat die industrielle Herstellung und globale Vermarktung der Schokolade vorangetrieben und Daniel Peter hat die erste Milchschokolade produziert. Rudolf Lindt (1855-1909) schliesslich hat einen entscheidenden Beitrag zum Weltruhm von Schokoladeprodukten aus Schweizer Herstellung geleistet. Seine Verfahrenstechnik zur Herstellung von einschmelzender Schokolade war lange eines der bestgehüteten Industriegeheimnisse.

«Unter den Pionieren der Schokolade ist Rudolf Lindt wohl die seltsamste Figur; weder Kaufmann, Geschäftsmann noch Techniker, eher ein Privatgelehrter, Amateur und Pröbler», so sein Biograph Hans Rudolf Schmid. Am 16. Juli 1855 kommt Rudolf Lindt in einer wohlhabenden Bernburgerfamilie auf die Welt. Sein Vater ist Apotheker. Nach einer Lehre in der Schokoladefabrik Kohler in Lausanne (→ Bd. 5) macht sich Lindt 1879 selbständig und gründet in Bern eine Fabrik. An Gründungskapital mangelt es ihm nicht. Für seine Firma verwendet er den kosmopolitischen Namen «Rod. Lindt fils».

Wie andere Produkte auf dem Markt ist auch die Lindt-Schokolade eher rau und brüchig. Doch in den 1880er-Jahren gelingt Rudolf Lindt der Durchbruch: Er entwickelt als erster eine Maschine zur Herstellung feinschmelzender Schokolade (Conche) und fügt dem Produkt zusätzlich Kakaobutter bei. Dies macht die Schokolade weicher und aromatischer – er schafft so den Prototyp der heutigen Schokoladetafel. So gross sein Beitrag zum Weltruhm der Schweizer Schokolade ist, ein typischer Unternehmer ist Rudolf Lindt nicht. Der Berner gilt in den Augen seiner Zeitgenossen als eigensinnig und «stockkonservativ», weil er nicht recht gewillt ist, in den Vertrieb seiner Schokolade zu investieren. Dabei wächst die Nachfrage ständig.

1899 verkauft Lindt sein Unternehmen an die in Zürich ansässige «Chocolat Sprüngli AG». Sie bringt das unternehmerische Know-how ein und gelangt auch in den Besitz des geheimen Fabrikationsverfahrens. Die ersten Jahrzehnte der fusionierten Firma «Lindt & Sprüngli» werden allerdings durch einen tragischen Rechtsstreit zwischen den Familien Lindt und Sprüngli überschattet – es ist ein klassischer Übernahmekonflikt auf Basis unterschiedlicher Firmenkulturen und Charaktere. In der Folge gründen Vertreter der Familie Lindt eine weitere Fabrik in Bern und produzieren ebenfalls Lindt-Schokolade. Erst 1927 wird der Konflikt beigelegt. Erfindergeist und Unternehmertum schreiten mit Lindt & Sprüngli fortan gemeinsam und erfolgreich voran.

Bücher und weitere Infos

Band 22

Die Pioniere Sprüngli und Lindt

Rudolf Sprüngli-Ammann, Rudolf Sprüngli-Schifferli, David Robert Sprüngli-Baud, Rudolf Lindt

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