Robert Gnehm

1852–1926

« Robert Gnehm war eine überragende Gestalt unter den schweizerischen Industriellen seiner Zeit. Als Direktor, Verwaltungsrat, Professor und Hochschulpolitiker half er entscheidend mit, die junge, unstete Chemieindustrie in einen starken, dauerhaften Wirtschaftszweig umzuformen. »
Prof. Dr. Tobias Straumann, Universität Zürich

Er holte Albert Einstein an die ETH

Akademische und industrielle Forschung sind oft nicht dasselbe, doch ergänzen sie sich in vielfältiger Weise. Besonders fruchtbar ist der Austausch zwischen Hochschule und Industrie, wenn er in ein und derselben Person stattfindet. Genau das war bei Robert Gnehm (1852–1926) der Fall. Als Brückenbauer zwischen Hochschule und Industrie war er massgeblich am Aufbau einer starken chemisch-pharmazeutischen Chemie in der Schweiz beteiligt. Er stand an der Spitze verschiedener Chemieunternehmen und konnte als Präsident der ETH Albert Einstein als Professor gewinnen.

Nach Absolvierung der obligatorischen Schulen in Stein am Rhein und des Gymnasiums in Schaffhausen nahm Robert Gnehm 1869/70 das Chemiestudium am eidgenössischen Polytechnikum auf. Sein prägender Professor war Emile Kopp. Nach der Erlangung des Diploms als «technischer Chemiker» wurde Gnehm mit erst 20 Jahren Kopps Hilfsassistent.

Als er drei Jahre später zum Assistenten aufstieg, ging es schnell. Er doktorierte und habilitierte sich noch im selben Jahr. Da verstarb Professor Kopp plötzlich und Gnehm sprang für ihn ein. So hielt er 23-jährig Vorlesungen über Färberei, Bleicherei, Zeugdruck, die Fabrikation chemischer Produkte sowie Glas- und Tonwaren.

Im Jahre 1877 verliess Gnehm das Polytechnikum, um in der Anilinfarbenfabrik Oehler im hessischen Offenbach und später in der Batikdruckerei Blumer in Schwanden zu arbeiten. Von 1880 bis 1884 arbeitete Gnehm bei der Anilinfarbenfabrik Bindschedler & Busch in Basel.

In Basel entdeckte er drei für die Wollfärberei wichtige bläulich-rote Farbstoffe. Bereits als Assistent von Emile Kopp war Gnehm an der Entdeckung des gelb-roten Farbstoffes Aurantia oder «Kaisergelb» beteiligt. Infolge der Reizwirkungen auf der Haut konnte es aber als Färbemittel für Woll- und Seidenstoffe nicht verwendet werden.

Ab 1884 leitete Gnehm während zehn Jahren die Ciba, die aus der Firma Bindschedler & Busch entstanden war. Sein Abgang zeigt die rauen Sitten, die damals in der Chemiebranche herrschten. Ihm wurde vorgeworfen, er habe vertrauliche Dokumente der Firma wie Rezepte und Produktionsrapporte mitgenommen – was wohl auch stimmte. Gnehm wehrte sich gegen diesen Vorwurf mit einer Verleumdungsklage, die aber vom Strafgericht abgewiesen wurde.

Bereits wenige Monate nach seinem Ausscheiden aus der Ciba 1894 vereinbarte Robert Gnehm zusammen mit Eduard Sandoz seine neue Tätigkeit als Konsulent der Sandoz. Auch hier war Gnehm für eine Reihe von neuen Patenten in der Farbchemie verantwortlich.

Zu dieser Zeit wurde er als Professor für organische Chemie ans Polytechnikum berufen. 1899 wurde er Direktor des Polytechnikums und 1905 als erster Professor Präsident des Schweizerischen Schulrats. Dabei gelangen ihm personelle, organisatorische und bauliche Glanzleistungen. So konnte er einige Professoren für die ETH gewinnen, die später einen Nobelpreis erhalten sollten, unter ihnen der damals schon weltberühmte Albert Einstein (1879–1955).

1911 wurde das Eidgenössische Polytechnikum zu einer Hochschule erhoben und entsprechend in Eidgenössische Technische Hochschule umbenannt. Damit verbunden war auch ein räumlicher Ausbau. Der markanteste Bau war die heute weitherum sichtbare Kuppel des Hauptgebäudes. Auch diese Meilensteine sind aufs engste mit Robert Gnehm verknüpft. Ende 1925 erkrankte Robert Gnehm an einer Lungenentzündung, die ihn wenige Monate später zum Rücktritt zwang. Am 4. Juni 1926 verstarb Robert Gnehm in Zürich.

Bücher und weitere Infos

Band 102

Robert Gnehm

Brückenbauer zwischen Hochschule und Industrie

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