Jakob Müller

1857–1922

«In erstaunlich raschem Tempo stieg Jakob Müller dann zu den höchsten Ehren und Aemtern empor, bis die Stelle eines Generaldirektors der Orientbahnen als Auszeichnung seiner Gewissenhaftigkeit, Tüchtigkeit, Arbeitsfreude, Treue und Ehrlichkeit seine Laufbahn krönte.»
Luzerner Tagblatt, Januar 1923

Manager der Orientbahn

Die Schweiz gilt als Exportland sowohl von Gütern als auch von Dienstleistungen. Bis ins 20. Jahrhundert waren es aber vor allem die Personen selbst, welche die Schweiz verliessen. Einer von ihnen war Jakob Müller. Angefangen als einfacher Stationsgehilfe in Konstantinopel wurde er zum Manager der Orientbahn und damit zu einem Pionier des Dienstleistungsexports. 

Jakob Müller (1857–1922) aus Rain (LU) wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Dem Eisenbahn-Hype der damaligen Zeit folgend, durchlief er eine Ausbildung bei der Nordostbahn-Gesellschaft. Schon kurze Zeit später finden wir ihn in Konstantinopel als Stationsgehilfen bei der Orientbahn. Die Eisenbahnen im Osmanischen Reich wurden allesamt von europäischen Finanzgebern kontrolliert. Das Management vor Ort wurde vorzugsweise mit Schweizern besetzt, die sich als neutrale, arbeitsame und im Eisenbahnwesen erfahrene Führungskräfte erwiesen. Unter diesen günstigen Verhältnissen vermochte Müller in rascher Abfolge die Karriereleiter zu erklimmen. 

Mit 42 Jahren wurde Jakob Müller Subdirektor der Orientbahn. Das Netz der Orientbahn umfasste damals verschiedene Linien von Konstantinopel und Saloniki über den Balkan nach Norden mit einer Gesamtlänge von über 1200 Kilometern. Zwischen Müller und dem damaligen Direktor, dem Schweizer Ulrich Gross, herrschte eine hervorragende Arbeitsteilung. Gross organisierte die Aussenbeziehungen, insbesondere zu den Finanzgebern. Müller sorgte für den reibungslosen und effizienten Betrieb, der schweizerischen Massstäben gerecht wurde, aber im trägen und hoch korrupten Osmanischen Reich immer wieder an seine Grenzen stiess. 

Die mit Abstand grösste Herausforderung waren aber die Feindseligkeiten und die Gewalttätigkeiten auf dem Balkan, der sich als Pulverfass Europas erwies. Anschläge auf Stationsgebäude und Gleisanlagen waren nicht selten. Die Lage eskalierte schliesslich in den Balkankriegen 1912/13. Nun führte Müllers Orientbahn durch verfeindete Staaten, wobei die Eisenbahn für die Kriegsführung eine äusserst wichtige Rolle spielte. Jakob Müller behielt ruhig Blut. Seine Organisationsstruktur erlaubte es ihm, jederzeit über die vorhandenen Kapazitäten, die entstandenen Schäden oder die ausstehenden Zahlungen Rechenschaft abzulegen. So schaffte er es, die Bahn trotz kriegsbedingter Ausfälle und quasi-bankrotter Staaten rentabel zu betreiben und jährliche Gewinne auszuschütten. Schliesslich übernahm Müller 1913 von Ulrich Gross den Posten des Direktors. Nur ein Jahr später brach der Erste Weltkrieg und damit das Chaos auf dem Balkan erneut aus. Müllers Orientbahn lief wieder im Kriegsmodus, aber nach wie vor höchst erfolgreich, sodass immer wieder Investitionen in neue Bahnanlagen getätigt werden konnten. 

Im November 1917 reichte Müller seine Kündigung ein. Verschiedene Gründe haben ihn dazu bewogen, den erfolgreichen Chefposten in Konstantinopel aufzugeben. Einer davon war sicherlich der bevorstehende Untergang des Osmanischen Reichs. In der Schweiz lebte Jakob Müller in Zürich und genoss den Lebensabend im Kreise der Familie. 

Bücher und weitere Infos

Band 110

Der Türken-Müller

Ein Luzerner und die Orientbahn

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