Ein «Schweizer Zirkel»
Jeder kennt ihn, den in der Schule so oft verwendeten Zirkel der Firma Kern. Sein Ursprung liegt bei Jakob Kern, der am 17. August 1790 im thurgauischen Berlingen geboren wurde. In den turbulenten Jahren nach der Französischen Revolution erlebte Jakob Kern eine schwierige Kindheit. Nach dem frühen Tod seines Vaters übersiedelte seine Mutter ins glarnerische Mollis, wo er bei seinen Grosseltern aufwuchs. Missernten und Kriege führten 1799 in vielen Berggebieten zu grossem Elend, besonders die Kinder waren vom Hungertod bedroht. Johann Rudolf Meyer, ein Aarauer Industrieller und Philanthrop, nahm Jakob Kern deshalb als Pflegekind nach Aarau mit. Dort besuchte Kern die Schulen, so auch die 1802 gegründete, spätere Kantonsschule Aarau, wo sich bald einmal seine Begabung für die naturwissenschaftlichen Fächer zeigte.
Seiner mathematisch-naturwissenschaftlichen Neigung folgend, trat Kern 1805 in der mechanische Werkstätte Esser, dem Stammhaus der Aarauer Reisszeugfabrikation, eine vierjährige Lehre an. Darauf folgten zehn Jahre der Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Karlsruhe und München führte. Schliesslich kehrte Kern nach Aarau zurück und gründete eine eigene Werkstätte. Hauptsächlich fabrizierte er verschiedene Zeichengeräte, sogenanntes Reisszeug, bald kamen aber auch Wasserstrommesser, Waagen, Theodoliten, Luftpumpen und sogar eine Camera obscura dazu.
In den 1830er Jahren erlebte die Firma einen Aufschwung, der nicht zuletzt auf Bestellungen von General Dufour für die erste Landesvermessung zurückzuführen war. Wegweisend dafür war die Reparatur eines Beobachtungsinstruments, das 1833 auf dem Säntis durch einen Blitzschlag zerstört wurde. Ab den 1840er Jahren blühte Kerns Geschäft durch das Fortschreiten des Eisenbahnbaus. Einige Jahrzehnte später sollten sich Kerns Produkte insbesondere bei den grossen Tunnelbauten Gotthard, Simplon, Lötschberg und Mont Cenis bewähren. Im Jahre 1857 beschäftigte er 42 Arbeiter, die Werkstatt platzte aus allen Nähten. In der Nähe des Stadtbachs, dessen Wasserkraft er nutzte, liess Kern deshalb eine neue Fabrik bauen. Nun traten seine Söhne Adolf (1826–1896) und Emil (1830–1898) als gleichberechtigte Teilhaber in die Firma ein. Die Umstellung auf Fabrikbetrieb war erfolgreich. Bald schon konnte eine Betriebserweiterung vorgenommen werden und die Mitarbeiterzahl stieg auf über 100.
Im Jahre 1863 zog sich Jakob Kern nach 44-jähriger Tätigkeit aus dem Geschäftsleben zurück. Nach nur wenigen Jahren des Ruhestands verstarb er am 4. Februar 1867. Das Geschäft mit Zirkeln und immer moderneren Vermessungsinstrumenten wurde aber für über 100 Jahre erfolgreich weitergeführt. 1991 musste die Firma Kern & Co. AG in Aarau nach über 170 Jahren ihre Tore schliessen.