Ein staatskritischer Patron
Der im jurassischen Sanceboz geborene Fritz Ryff (1857–1925) wurde auf eine Handelskarriere vorbereitet. Nach einer Bankenlehre in Basel war er sieben Jahre für eine internationale Handelsgesellschaft in Westafrika tätig, bevor er in die Schweiz zurückkehrte. Hier stampfte er eine stattliche Fabrik aus dem Boden und beschäftigte schon bald 400 Arbeiterinnen. Ryff verkörperte dabei das Bild des fürsorglichen Patrons und zugleich knallharten Unternehmers.
Mit seiner Fabrikgründung in einem «grossen Wurf» gesellte sich Fritz Ryff zu anderen Industriepionieren seiner Zeit wie Charles Brown und Walter Boveri oder Julius Maggi. Seine Strickerei, Ryff produzierte vornehmlich warme und elegante Unterwäsche, bediente einen internationalen Markt. Mit gerademal 50 Grosskäufern schuf Ryff Arbeit für über 400 Personen. Die Betreuung der Kunden war ihm entsprechend wichtig. Gern und oft reiste er nach London und New York, oder lud seine Geschäftspartner nach Bern ein, zeigte Ihnen die Schweiz und seine schöne Fabrik.
Weniger gern waren bei Ryff die Vertreter des Arbeitsamtes oder Gewerkschafter gesehen. Zwar konnten die Inspektoren kaum etwas kritisieren, denn Ryffs Umgang mit der Arbeiterschaft war vorbildlich. Doch machten sie auf die neue Arbeitszeitbeschränkung aufmerksam, die ab 1919 «nur» noch eine 48-Stunden-Woche vorsah, stiessen sie auf taube Ohren. Ryff liess unbeirrt länger arbeiten und konnte sich mit allen möglichen Ausnahmeregelungen auch durchsetzen. Anstelle der obligaten Fabrikordnung wurden Plakate mit der Aufschrift «Hier herrscht Fleiss und guter Wille» angeschlagen. Stur verhielt sich die Firma auch in den Jahren des Ersten Weltkriegs, als Inflation und Lebensmittelknappheit den Arbeiterinnen zu schaffen machten. Insbesondere Streiks und andere gewerkschaftliche Massnahmen sorgten für grosses Unverständnis beim Arbeitgeber Ryff.
Fritz Ryff nahm seine Verantwortung für die Arbeiterinnen wahr. Die Arbeitsräume waren hell und gut durchlüftet. Das Mittagessen war günstig, aber immer frisch und nahrhaft. Ryff selbst ass regelmässig mit seinen Arbeiterinnen, was die Fabrikinspektoren in helle Aufregung versetzte. Legendär waren seine Weihnachtsessen und die Firmenausflüge, die mehrere 100 Personen auf die Rigi und zu anderen Sehenswürdigkeiten der Schweiz führten. Und schliesslich profitierten die Arbeiterinnen von Bädern und der Kinderkrippe auf dem Firmengelände.
Seine Jahre in Afrika prägten Fritz Ryff, und er reiste immer wieder nach Afrika, teils für längere Zeit. Dabei sammelte er auch afrikanische Kunst- und Kulturgegenstände, die er im grossen Speisesaal in seiner Fabrik ausstellte. Für das Bernische Historische Museum organisierte er begehrte Exponate, wie zum Beispiel die Wattepanzerrüstung eines Gardereiters des Sultans von Bornu.