Friedrich von Martini

1833–1897

«Auf dem Höhepunkt seiner Tätigkeit war Friedrich von Martini Chef von über 300 Arbeitern und eines Unternehmens, das sich mit sechs verschiedenen Sparten der Maschinenindustrie befasste. Zudem war er Inhaber von 17 Patenten; als Weltneuheiten erfand er einen neuen Gewehrverschluss (1868), die Papier-Doppelfalzmaschine (1876) und die Greiferstickmaschine (1883). In der Schweiz war er der erste, der eine Muttern- und Schraubenpresse konstruierte und damit die Produktion von Schrauben, Nieten und Flanschen aufnahm (1863). Auch der erste schweizerische Verbrennungsmotor stammte von ihm (1883).»

Universeller Erfinder, Konstrukteur und Unternehmer

(BR) Waffensammlern und Automobilliebhabern dürfte der Name Martini ein Begriff sein: Martini-Gewehre fanden in der englischen Armee Verwendung und genossen bei den Sportschützen eine grosse Popularität. Motoren und Automobile von Martini waren schweizweit führend. 1914 verkehrten in der Schweiz 596 Martini-Automobile, dies bedeutete im heimischen Personenwagenmarkt den ersten Platz, gefolgt von 415 Fahrzeugen der Genfer Marke «Pic-Pic» und 121 «Turicum» aus Uster (ZH).

Hinter den Martini-Produkten steckt ein begnadeter Thurgauer Erfinder und Unternehmer mit ausländischen Wurzeln, dessen Geschichte noch immer wenig bekannt ist. Auf die Welt kommt Friedrich von Martini (1833–1897) im ehemals ungarischen Herkulesbad (heute Rumänien). Sein Vater stammt aus Bayern und ist Militärarzt. Ab 1850 studiert Friedrich Maschinenbau in Wien, später dann am Polytechnikum in Karlsruhe. Seine Lehr- und Wanderjahre bringen ihn auch zur Maschinenfabrik der Gebrüder Sulzer in Winterthur. 1859 meldet sich Friedrich freiwillig als Leutnant einer Geniekompanie im Feldzug Österreichs gegen das Königreich Sardinien-Piemont. Nach der Niederlage bei Solferino begibt sich Martini wieder in die Schweiz und arbeitet zunächst erneut bei Sulzer, dann in der Maschinenbau-Anstalt Frauenfeld. 1863 wird der talentierte Konstrukteur Mitinhaber der Firma, die nun «Martini & Co.». Friedrich von Martini verheiratet sich 1864 mit der Frauenfelder Arzttochter Eleonore Keller und wird 1866 eingebürgert.

Martini verkörpert den Typus eines universellen Erfinders, wie es ihn vor allem in der Zeit der industriellen Gründerjahre der Schweiz gibt. Seine Eigenschaften sind, so der Martini-Biograph Christoph Bischof: «Wagemut, Selbstfinanzierung, Erfindungs- und Pioniergeist, strenges Arbeitsethos, Konservatismus, patriarchalische Unternehmensführung.» Das Fabrikationsprogramm von Martini erweitert sich ab den 1860erJahren rasch und umfasst Eisenwaren, Buchbindereimaschinen, Gewehre Stickereimaschinen, Müllereimaschinen sowie Wasser-, Gas- und Petrolmotoren. Martini reicht 17 Patente ein, worunter sich Weltneuheiten befinden wie ein Gewehrverschluss, die Papier-Doppelfalzmaschine und die Greiferstickmaschine. In der Schweiz konstruiert er die erste Muttern- und Schraubenpresse und entwickelt den ersten Verbrennungsmotor. Martini ist ein begnadeter Analytiker und Konstrukteur und ein findiger Unternehmer zugleich, der für seine Produkte stets einen Markt sieht.

Auf dem Höhepunkt beschäftigt er über 300 Arbeiter und erwirtschaftet eine jährliche Rendite von 10 Prozent des Gesellschaftskapitals, so C. Bischof. Doch die starke Diversifizierung des Unternehmens und der patriarchalische Führungsstil erweisen sich für die rasch expandierende Maschinenbaufirma zunehmend als Nachteil. Erschwerend kommt hinzu, dass Martini ein eher kontaktscheuer Mensch ist und die für einen Unternehmer ebenfalls wichtige Vernetzung nicht sucht. Sein Sohn Hans Albrecht Adolf macht die Automobilfabrik Martini zur führenden in der Schweiz, bis diese Ära 1934 zu Ende geht. Auch wenn seine universellen Erfindungen und Konstruktionen heute Geschichte sind, lebt Martinis Name und Geist in der weltweit tätigen Unternehmensgruppe Müller-Martini mit Sitzt in Zofingen (AG) weiter.

«Nichts ist vor dem Automobil sicher; nun gehören auch Bergbesteigungen per Wagen ins Programm kühner Fahrer», schrieb die NZZ über die Fahrt des Engländers Deasy. Er erklomm 1903 mit einem Martini-Automobil auf dem Trassee der Zahnradbahn den Berg Rochers de Naye bei Montreux.

Am 29. Januar 1897 stirbt Friedrich von Martini, ein universeller Erfinder, Konstrukteur und Unternehmer.

Bücher und weitere Infos

Band 54

Friedrich von Martini (1833–1897)

Universeller Erfinder und Konstrukteur

Suche