Der Spielwaren-Pionier
Wer erinnert sich in der Vorweihnachtszeit nicht gerne an den Franz Carl Weber-Katalog, an all die verlockenden Spielsachen, die man sich als Kind von den Eltern wünschte? Für Generationen ist der Name Franz Carl Weber zum Inbegriff der Spielwaren geworden. Hinter dem Firmensymbol mit dem Schaukelpferd verbirgt sich ein Pionier aus Bayern, der ein Wegbereiter des europäischen Spielwarenfachhandels wird.
Eigentlich möchte der Pfarrerssohn Franz Carl Weber (1855–1948) in die weite Welt ziehen, doch er kommt nur bis Zürich, wo sein älterer Bruder Konrad wohnt und im Spielwarenhandel tätig ist. 1881 gründen die beiden Brüder eine eigene Firma, die «Franz Carl Weber Spielwaren». Ihre Zielgruppe sind vermögende Kunden aus der Zürcher Gesellschaft. Das Geschäft eröffnen sie an der Bahnhofstrasse 48 und zahlen einen jährlichen Mietzins von respektablen 3300 Franken. Die Bahnhofstrasse entwickelt sich zu dieser Zeit von einer idyllischen Wohnstrasse mit Patrizierhäusern zu einer belebten Ladenstrasse mit vornehmen Geschäften. Die Spielwaren kaufen die Brüder Weber in Deutschland ein, an der Leipziger Messe und in Nürnberg. Weil sich die Zürcher als Käufer noch eher konservativ und zurückhaltend zeigen, steigt Franz Carl in das Engros-Geschäft ein. Ein Aussendienstmitarbeiter fährt mit Ross und Wagen aufs Land, um Spielwaren zu vertreiben, vor allem Fastnachtsartikel und Puppen.
1883 verheiratet sich Franz Carl Weber mit der Tochter eines vermögenden Rebbauern aus Stäfa. Der Schwiegervater hilft ihm, die Liegenschaft an der Bahnhofstrasse 62 im Jahr 1890 zu kaufen, vom Schirmfabrikanten Levi aus Leipzig für einen Preis von 182 000 Franken. Das Haus wird der definitive, bis heute bestehende Stammsitz der Firma. Franz Carl Weber, inzwischen Zürcher Bürger geworden, bestückt die Ladenfront mit Schaukästen. Dies ist eine Sensation im damaligen Zürich und zieht viele Laufkundschaft in den Laden. In den folgenden Jahren weitert Franz Carl Weber seinen Liegenschaftsbesitz an der mittleren Bahnhofstrasse. Damit kann er nicht nur seine Verkaufsfläche erhöhen, sondern auch sein Vermögen mehren, denn die Bahnhofstrasse erlebt ihre erste Boomphase. Die Spielwarenkataloge von Franz Carl Weber fallen durch das schöne Design auf. Es wird zur Tradition, dass bekannte Kunstmaler die Umschläge gestalteten.
1917 legt Franz Carl Weber den Grundstein zur Entwicklung von Filial-Unternehmen. Weil im Krieg kaum mehr Spielwaren aus Deutschland zu bekommen sind, setzt Weber auf die Förderung der einheimischen Fabrikation. Doch um die Artikel breit zu vertreiben, braucht er mehr Ladenfläche. Die erste Filiale wird in Genf eröffnet, es folgen Läden in Bern, Luzern und Lausanne. Für die Schweiz ist dies eine einmalige Entwicklung für ein Spielwarengeschäft.
Nach dem Tod seiner Frau 1922 zieht sich der mittlerweile 67-jährige Franz Carl Weber von der Geschäftstätigkeit zurück, seine Söhne übernehmen das Steuer. Das Unternehmen erlebt in den folgenden Jahrzehnten ein rasantes Wachstum mit Anschlussgeschäften, einer eigenen Pony-Shop-Kette, neuen Verkaufsgeschäften (Pic+Asso) sowie einer Expansion ins Ausland. 1974 besitzt Franz Carl Weber ein Imperium von 85 Filialen und 80 Partnergeschäften. 1984 wird das Familienunternehmen verkauft und ist heute Teil des französischen Spielwarenkonzerns Ludendo.
In seinen Notizen erinnert sich Franz Carl Weber: «Einer unserer ersten Kunden war Dr. Wille aus Feldmeilen, der Vater des nachmaligen Generals. Er kaufte ein feines Fellschaf für 25 Franken, worüber wir uns sehr freuten, denn das war für uns schon ein grosser Betrag.»