Erbauer des Gotthardtunnels
Am 16. Januar 1826 kam Louis Favre als Sohn eines Zimmermanns im heutigen Chêne-Bourg bei Genf auf die Welt. Nach einer Lehre bei seinem Vater sammelte er in Frankreich Erfahrungen im Eisenbahn- und Tunnelbau. Bereits in jungen Jahren führte er einträgliche Eisenbahnprojekte in Frankreich und in der Westschweiz aus.
Nachdem Favre sich am 22. Januar 1872 schon schriftlich bei Alfred Escher, dem Direktionspräsidenten der Gotthardbahn-Gesellschaft, als Tunnelbauer für den Bau der Gotthardbahn empfehlen liess, traf er ihn persönlich anlässlich der Wintersession in Bern. Escher vertröstete Favre zunächst damit, dass er zuerst einen Oberingenieur finden müsse. Selbiger ward aber schnell gefunden, und so wurden die Arbeiten für den Gotthardtunnel am 10. April 1872 in der NZZ und drei Tage später im Journal de Genève ausgeschrieben.
Um den Auftrag zu erhalten, liess sich Louis Favre auf harte Vertragsbedingungen ein: Er musste alle Risiken, inklusive Streiks und Naturkatastrophen, übernehmen und den Bau unter Androhung von Geldstrafen innerhalb von acht Jahren abschliessen. Alsbald kämpfte er gegen Wassereinbrüche, Schneefälle und widrige Vertragsklauseln an. Auch Sprach- und Mentalitätsunterschiede zwischen dem welschen Bauunternehmer und seinen deutschen Oberingenieuren belasteten das Klima. Gleichzeitig musste Favre für Unterkünfte sowie Ruhe und Ordnung unter den zeitweilig mehr als 4000 Arbeitern sorgen. Unfälle durch entgleiste Dienstbahnen, Bergstürze oder missglückte Sprengungen waren alltäglich. Hinzu kam, dass die schlechten hygienischen Bedingungen Ursache für verschiedene Krankheiten waren. Auch zwischen den beengt zusammenlebenden Arbeitern kam es immer wieder zu Konflikten, die 1875 in einem Streik eskalierten. Mit dem Fortschreiten der Arbeiten geriet Louis Favre zunehmend in Geld- und Zeitnot.
Nur kurze Zeit vor dem ersehnten Tunneldurchbruch erlitt Louis Favre mitten im Tunnel am 19. Juli 1879 einen tödlichen Herzinfarkt. Den Durchschlag aus Richtung Süd am 28. Februar 1880 konnte er nicht mehr erleben. Aber sein Portrait wurde zuerst durch das Loch gereicht mit der Botschaft: «Qui est plus digne de passer par le premier que celui qui nous était patron, ami et père.» Nach dem Tunneldurchstich wurde Favres Firma aufgrund der zeitlichen Verzögerung und der Baukostenüberschreitung um 12 Prozent liquidiert. Sein Name bleibt aber für immer mit dem Bau des Gotthardtunnels verbunden.