Else Züblin-Spiller

1881–1948

«Von der rustikalen Soldatenstube zum raffinierten Gastrokonzern oder wie sich Gemeinnutz und Geschäft harmonisch verschränken: Die tüchtige, selbstbewusste Else Züblin-Spiller tat Gutes, sprach darüber und wurde zur Kantinenkönigin der Schweiz – eine einzigartige Geschichte.»
Manfred Rösch, Finanz und Wirtschaft

Mit Innovation statt Streik gegen die Not

Die mannigfaltigen Herausforderungen und Sorgen der Bevölkerung im Ersten Weltkrieg fanden ihren Höhepunkt im Landesstreik. Es gab aber auch Frauen und Männer, die mit viel Innovation der Not begegneten – mit Erfolg. Eine davon war Else Züblin-Spiller mit ihren Soldatenstuben.

Zur Zeit des Ersten Weltkriegs war der Alkoholismus in der Schweizer weit verbreitet, und vor allem in armen Bevölkerungsteilen gerieten Familien ins Elend, weil der Vater den Lohn am Zahltag vertrank. Auch im Aktivdienst der Armee, der geprägt war von Drill und Langeweile, war Alkohol ein grosses Problem: Denn in der dienstfreien Zeit gab es wenig Ablenkung ausser den Dorfwirtschaften und privaten Schenken auf Bauernhöfen. Dem wollte der «Schweizer Bund abstinenter Frauen» Abhilfe schaffen und beauftragte Else Spiller, in Bundesbern ihr Anliegen vorzubringen. Sie ging ihre Aufgabe wie immer sehr zielstrebig an, intervenierte direkt beim Bundesrat und beim Armeestab und pflegte fortan einen guten Kontakt mit politischen und militärischen Entscheidungsträgern.

Die Interventionen von Else Spiller waren erfolgreich und bereits einen Monat später, im November 1914, konnte die erste Soldatenstube eröffnet werden. Verschiedenste, nicht von der Armee benutzte Räumlichkeiten, wie alte Bauernstuben, Scheunen, Schulzimmer, Tanz- oder Theatersäle wurden dafür genutzt. Es gab warme Getränke und Kuchen, mancherorts auch warme Mahlzeiten und vor allem einen warmen Aufenthaltsraum.

Geführt wurden die Soldatenstuben zumeist von jungen Frauen, die als «Soldatenmütter» auch Trost spendeten oder beim Ausbessern kaputter Uniformteile behilflich waren. Spillers Aufgabe bestand im folgenden darin, die häufigen Ortswechsel der Soldatenstuben aufgrund der Truppenverschiebungen zu organisieren, die Abrechnungen zu prüfen und zusätzliche Finanzmittel zu organisieren sowie die Soldatenstuben zu inspizieren. Insgesamt wurden während der Kriegsjahre rund 1000 Soldatenstuben betrieben, die Höchstzahl lag bei 178 im Mai 1917.

Verdienstausfall und Teuerung gehörten zu den grossen Sorgen der Wehrmänner und ihrer Familien. Deshalb machte Else Spiller am 3. Juli 1917 eine Eingabe beim Bundesrat mit der Forderung nach einer grosszügigeren staatlichen Notunterstützung der Wehrmänner. Mit grosser Verzögerung wurde dem stattgegeben, und es entstand die «Abteilung Fürsorge», ebenfalls unter der Leitung von Else Spiller. Sie bestand einerseits in der Versorgung der Soldaten und deren Familien mit Wäsche, andererseits in der finanziellen Unterstützung. Im letzten Kriegsjahr 1918 wurden rund 1,5 Millionen Franken verteilt.

Ab Oktober 1918 leistete Else Spiller mit dem «Verband Soldatenwohl» auch einen intensiven Einsatz zugunsten der an der Spanischen Grippe erkrankten Soldaten; zunächst im Jura, dann in der Stadt Zürich. Während sich dort Streikende und Truppen unversöhnlich gegenüberstanden, errichtete Spiller am 12. November 1918 ein Krankenlager in der Tonhalle.

In der sozialpolitisch angespannten Situation der Jahre 1917/18 nahmen einige Fabrikanten mit dem «Verband Soldatenwohl» Kontakt auf. Denn sie wurden dazu angehalten, die Arbeitszeit rationeller zu gestalten, Energie zu sparen und Küchen zur günstigen Verpflegung einzurichten. So wurde am 12. Januar 1918 die erste Arbeiterkantine des «Schweizer Verbandes Soldatenwohl» in der Maschinenfabrik Bühler in Uzwil eröffnet. Damit hatte Else Spiller den Grundstein für das noch heute erfolgreich in der Gemeinschaftsgastronomie tätige Unternehmen SV Group gelegt. Gleichzeitig ermöglichte sie den qualifizierten Soldatenmüttern eine berufliche «Anschlusslösung» nach Kriegsende. Else Züblin-Spiller verstarb nach langer schwerer Krankheit am 11. April 1948 im Alter von 66 Jahren in Zürich.

Bücher und weitere Infos

Band 26

Susanna Orelli-Rinderknecht und Else Züblin-Spiller

Zwei Pionierinnen der Volksgesundheit

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