Die Frau an der Spitze einer Druckerei
Emma Studer wurde 1848 in eine Zeit geboren, in der es verhältnismässig wenige weibliche Pioniere gab. Umso bemerkenswerter ist es, dass sie gleich in dreifacher Weise eine Pionierin war. Sie gründete eine Kinderkrippe für die Kinder ihrer Mitarbeiter und wurde später zur «schweizerischen Krippenmutter». Nach dem Tod ihres Mannes führte sie nicht nur dessen Druckerei erfolgreich weiter, sondern gründete auch früh eine berufliche Kranken-, Invaliden- und Vorsorgekasse.
Der Ehemann von Emma Stämpfli-Studer (1848–1930), Karl Stämpfli (1844–1894) verstarb am 12. Juli 1894 nach langer Krankheit im Alter von nur 50 Jahren. Er hinterliess neben seiner Ehefrau zwei minderjährige Söhne und einen Druckereibetrieb mit über 100 Mitarbeitern. Das Schicksal eines frühen Todes ereilte ihn wie schon seinen Vater und seinen Grossvater. Und so tat Emma Stämpfli, was bereits ihre Schwiegermutter und deren Schwiegermutter getan hatten: sie übernahm den Betrieb bis zur vollständigen beruflichen Ausbildung ihrer Söhne. Ein ehemaliger Setzer und damals technischer Leiter, Albert Häsler (1855–1924), wurde zum Direktor befördert und stand Emma Stämpfli mit Rat und Tat zur Seite. Als Firmenleiterin setzte sie die Visionen ihres Mannes um, trieb die Entwicklung voran und baute die Firma aus.
Zum Andenken an ihren verstorbenen Ehemann errichtete Emma Stämpfli 1895 eine berufliche Kranken-, Invaliden- und Sterbekassen. Denn Versicherungen, die die soziale Notabfederten, gab es damals noch keine. So war es für Karl und Emma Stämpfli selbstverständlich, ihren Angestellten in Notsituationen und bei Krankheit beizustehen. Aber erst nach dem Tod von Karl Stämpfli setzte Emma Stämpfli den gemeinsamen Wunsch um. Die Krankenkasse bezahlte in der Folge ein Krankengeld und trug die Kosten von Arzt und Apotheker. Die Prämien übernahm die Firma Stämpfli. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt diese Vorsorgeeinrichtung als etwas Besonderes.
Die gemeinsam mit ihrem Mann schon 1880 ins Leben gerufene Kinderkrippe wurde für Emma Stämpfli zu einem wichtigen Tätigkeitsfeld. Sie betreute die Kinderkrippe unermüdlich und sammelte neue Erfahrungen, die sie auch gerne weitergab. Sie arbeitete Reglemente aus, kümmerte sich um die Hausordnung, gab den Müttern Ratschläge, sorgte sich um das richtige Essensangebot und die Gewichtstabelle der betreuten Kinder. Ordnung und Hygiene waren für sie wichtig, damit die Kinder nicht erkrankten.
Am 1907, ihre Söhne waren inzwischen ins Geschäft eingestiegen, gründete Emma Stämpfli den Schweizerischen Zentral-Krippenverein mit und wurde dessen erste Präsidentin. Ziele des Vereins waren, finanziell schlecht gestellte Krippen zu unterstützen, die Gründung neuer Krippen zu erleichtern und durch eine Vereinszeitschrift die Krippensache zu fördern. Selbstverständlich übernahm Emma Stämpfli die Redaktion des «Krippenberichts». Die Kinderkrippen sollten nicht nur Erziehungs- sondern auch Aufklärungs- und Bildungsstätten sein sowie medizinisches und pflegerisches Wissen in der Bevölkerung verbreiten. Emma Stämpfli hielt Vorträge über das Krippenwesen und wurde bald zur gefragten Autorität auf diesem Gebiet.
Trotz dieses neuen Tätigkeitsfeldes war Emma Stämpfli auch beim 125-Jahr-Jubiläum als die 76-Jährige noch aktiv im Unternehmen. Nach einem mit vielfältigen Aufgaben ausgefüllten Leben verstarb Emma Stämpfli-Studer nach kurzer Krankheit am 30. Januar 1930 im Alter von 82 Jahren.