Pionier der Eigerbahn
Die Jungfraubahn ist weltbekannt. Sie steht symbolhaft für die pionierhafte Erschliessung der Alpenwelt an der Wende zum 20. Jahrhundert. Weniger bekannt ist, dass ursprünglich der Eigergipfel auf 3970 Meter Höhe das Ziel einer Bergbahn sein sollte. Das Konzept der Eigerbahn stammt vom Emil Strub (1858–1909), einem begabten Konstrukteur und Erfinder mit einer unternehmerischen Vision.
Emil Viktor Strub kommt am 13. Juli 1858 in einer Eisenbahnerfamilie aus Trimbach (SO) auf die Welt. Er geht beim Zahnradbahn-Pionier Niklaus Riggenbach in Aarau in die Lehre und vertieft seine Fertigkeiten in deutschen Maschinenfabriken. Nach der Rückkehr in die Schweiz arbeitet Strub als Kontrollingenieur für Bergbahnen und als Eisenbahn-Inspektor. Ohne eine technische Hochschule besucht zu haben, versteht es Strub, sich durch Selbststudium, Erfahrung und Ideen zu einem gesuchten Spezialisten auf dem Gebiet der Bergbahnen emporzuarbeiten, so sein Biograph Hans Wismann.
Im Alter von 34 Jahren wagt Strub den grossen Wurf: Er will den Eiger mit Hilfe der Eisenbahn touristisch bezwingen. Mit einem Partner reicht er 1892 dem Bundesrat ein Konzessionsgesuch für den Bau einer Eisenbahn von der Kleinen Scheidegg auf den Gipfel des Eigers ein. Vom visionären Projekt verspricht er sich einen rentablen Betrieb. Gemäss Aussagen von Bergsteigern sei die Rundsicht vom Eiger ebenso grandios wie vom Jungfraujoch. Und zudem habe es dort weniger Nebel und mehr Platz für den Bau der Bahnstation.
Doch der Eisenbahn-Unternehmer und mächtige Industrielle Adolf Guyer-Zeller durchkreuzt seine Pläne mit dem ebenso pionierhaften Konzept der Jungfraubahn. Die Bundesbehörden sichern Guyer-Zeller die Konzession provisorisch zu und nehmen damit Strubs Eigerprojekt den Wind aus den Segeln. Nach heftigem Sträuben und einer Entschädigungszahlung zieht Strub das Projekt zurück. Am 27. Juli 1896 erfolgt der Spatenstich zum Bau der spektakulären Hochgebirgsbahn auf das Jungfraujoch. Und Emil Strub ist an vorderster Stelle dabei. Guyer-Zeller stellt ihn als technischen Direktor ein. Strub beweist seine Qualitäten und entwickelt für die grossen Steigungen der Bahn ein neuartiges, später nach ihm benanntes Zahnstangensystem. Doch die Arbeit bereitet ihm dauerhaft keine Freude. Nach zwei Jahren quittiert er den Dienst und gründet ein Ingenieurbüro in Montreux. Er wirkt bei der 1900 eröffneten Standseilbahn Vevey-Mont Pèlerin mit und ebenso beim Bau der Pariser Bahn vom Montmartre zur Eglise Sacré-Coeur. Diese ist ebenfalls mit seiner Zahnstange ausgerüstet.
Strub verstirbt 1909 im Alter von erst 51 Jahren in Zürich. Sein Name bleibt mit dem Bau der Jungfraubahn verbunden, selbst wenn er noch lieber auf dem Gipfel des Eigers gestanden wäre.