Pioniere sind reformiert

Pioniere sind reformiert

Die Dominanz der reformierten Pioniere sticht ins Auge. Dieser Umstand hat soziokulturelle und wirtschaftspolitische Ursachen. So findet wirtschaftliche Entwicklung entlang der Transport- und Kommunikationswege statt. Mitte der 1850er Jahre setzt in der Schweiz ein Eisenbahnboom ein. Die Eisenbahnunternehmer im jungen Bundessstaat definieren durch die Linienführung neu, wo wirtschaftliche Zentren liegen und wo sich die Peripherie befindet. So kommt es, dass reformierte Städte wie Zürich und Winterthur dank günstiger Eisenbahnverbindungen zu Wirtschaftsmetropolen aufsteigen. Verschiedene reformierte Städte mit ihren Agglomerationen im Mittelland profitieren besonders stark vom Ausbau der Infrastruktur und erfahren damit eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Dieser Prozess unterbleibt zwar in der katholischen Schweiz nicht vollständig, doch bleibt etwa die Urschweiz während Jahren nicht ins Eisenbahnnetz eingebunden; andere katholisch geprägte Kantone gehören zu den wirtschaftlich schwachen Regionen und verpassen den «Take-off».
Das Gefälle zwischen den Konfessionen zeigt sich auch im Bildungs- und Forschungsbereich. Während Zürich – Heimat des Reformators Huldreich Zwingli – Mitte des 19. Jahrhunderts bereits über eine Universität und ein Polytechnikum verfügt, gibt es in der katholischen Schweiz lange Zeit keine entsprechenden Bildungsstätten. Die erste Universität in einem katholischen Kanton wird 1889 in Freiburg gegründet. Die Konfession führt jedoch nicht zu grundsätzlichen Unterschieden in der Art der pionierhaften Leistung. Unter den katholischen Pionieren finden sich namhafte Unternehmer, Erfinder und Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Bereichen. Etwa der Luzerner Chemiker Werner Oswald (1904–1979)→ Bd. 43, der ein Verfahren zur Treibstoffgewinnung aus Holz entwickelt. Auf ihn geht die Firma Ems-Chemie zurück. Ebenfalls Katholik ist der Urner Bauingenieur Karl Emanuel Müller (1804–1869)→ Bd. 69, der sich durch zahlreiche Strassen- und Brückenbauten einen Namen macht. Besondere Beachtung erlangt Müller durch den Bau der 1830 fertiggestellten Gotthardpassstrasse. Zwei weitere ka­tholische Pioniere sind die beiden aus Einsiedeln stammenden Gründerväter der Landis & Gyr: Richard Theiler (1841–1923) und Adelrich Gyr (1843–1928)→ Bd. 96.
Zwei Pioniere sind Christkatholiken: Carl Franz Bally (1821–1899)→ Bd. 2, Gründer der Bally-Schuhfabriken in Schönenwerd, und Ludwig von Tetmajer Przerwa (1850–1905)→ Bd. 66, ETH-Professor und Gründer der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA). Konfessionslos ist Hans Behn-Eschenburg (1864–1938)→ Bd. 77. Der Pionier der Bahnelektrifikation und Direktor der Maschinenfabrik Oerlikon wird reformiert getauft, tritt aber 1936 aus der Kirche aus. Vom Katholizismus zum Protestantismus konvertiert der Bauunternehmer Johann Landis (1860–1936)→ Bd. 88 und errichtet die erste protestantische Kirche in Zug.

Angaben in Prozent